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Stacheln der Gummi-Akazie ersetzt sind. Bedeutendere Blutungen stillt das Glüheisen oder siedende Butter. Bei Schädelfracturen inspiciren sie die Hirnhäute, wenn die Wunde es erlaubt; sind diese unverletzt, so reseciren sie die aus ihrer Ebene gewichenen Knochenpartieen; im andern Falle stellen sie tödtliche Prognose und enthalten sich jeden Eingriffs. – Auch deplacirte oder zu spitze Knochenenden bei Rippenfracturen sollen sie reseciren.

Ihre Hauptmedication jedoch, welche größeren Vertrauens genießt, als alle genannten Droguen und Eingriffe, ist der Gebrauch der Amulette, die sie überall am Körper anbringen, oder frisch geschriebener heiliger Sprüche, deren Wasseraufguß sie nicht selten trinken.

Entsprechend ihrer ursprünglichen physischen Natur, ihrer Lebensweise und der natürlichen Beschaffenheit ihres Landes sind die Tibbu von bemerkenswerther körperlicher Energie, Elasticität und Gewandheit. Ihre körperliche Gewandheit im Laufen und Springen ist sprichwörtlich geblieben, wie sie schon im Alterthum als die schnellsten Läufer der Welt berühmt waren.

Ihre Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung, Hunger und Durst ist unübertroffen, vielleicht nahezu erreicht von der Ausdauer und Enthaltsamkeit der Tuareg, welche ja in ähnlichen klimatischen und Bodenverhältnissen leben.

Die Erzählungen und Berichte über die Enthaltsamkeit der Tibbu, wenn durch die Umstände genöthigt, könnten wunderbar und übertrieben erscheinen. Doch nach Allem, was ich habe erfahren können, beruhen sie auf Wahrheit. Ein Tibbu Rešāde kann ohne sonderliche Unbequemlichkeit fünf bis sechs Tage ohne Nahrung zubringen. Mangel an Mundvorrath auf seinen Reisen beunruhigt ihn also nicht wesentlich. Er findet schon gebleichte Kameelknochen und einige Steine, um sie zu Pulver zu zermahlen, und hat er sein Kameel, um ihm durch einen Aderlaß am Auge etwas Blut zu entziehen, so genügt ihm diese Paste aus Knochenmehl und Blut vollständig. Auch das Schmoren von Sandalen und des ledernen Ringes, welcher den Dolch am Handgelenke befestigt, und dergleichen Abnormitäten scheinen wirklich vorzukommen und den nahrungslosen Reisenden Tage lang hinzuhalten.

Bei aller Entbehrung marschirt er noch 10 bis 12 Stunden neben seinem schnellschreitenden Kameele mit einer schwebenden Leichtigkeit einher, die ihm allen Anschein des Peniblen, der Ermüdung nimmt.

Auch für den Durst ist er weniger empfindlich, als die meisten der ihm nahewohnenden Völkerschaften. Als wir zwischen dem Tummo-Gebirge und Tibesti, in den Bergen von Afāfi, durch Mangel an

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_240.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)