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schweigend nieder, zupfen noch einmal den Litham in feierliche Falten, und Einer beginnt mit ernster Stimme zu fragen: „Laha inkennaho?“ was der Andere ebenso ernst mit „Laha!“ beantwortet. Dann folgen eine Reihe gleichbedeutender Phrasen, wie „Lahaníhni?“ „Killahani?“ oder „gíta ínna dúnnia?“ welche die invariable Antwort „Laha“ zur Folge haben. Von den Fragen ist die allgemeinste und einfachste[WS 1] „Killahani?“ welche unserem „Wie geht es Ihnen“ am besten entspricht. Die Uebrigen bedeuten im Grunde nichts Anderes, sind jedoch für ceremoniösere Begrüßungen und nach langer Trennung oder Reise reservirt. Nach mannichfachen Wiederholungen und Combinationen dieser Phrasen und ihrer stereotypen Antwort „laha“ intonirt der Eine plötzlich ein kräftiges „Jhílla,“ welches von demselben Ausdrucke aus dem Munde des Andern, nur eine Note tiefer, gefolgt ist, und nun geht es in absteigender Tonleiter abwechselnd, bis die Stimme in einem dumpfen Grunzen erstirbt. Dann ermannt sich Einer und giebt durch ein neues kräftiges „Jhílla“ der Ceremonie einen neuen Aufschwung, welche sich ebenfalls allmählig wieder bis zu gänzlicher Tonlosigkeit abschwächt. Dazwischen mischt man geschmackvoll die oben angeführten Fragen nach dem Befinden, und wenn die Ceremonie in dieser maßvollen Abwechslung noch eine schickliche Zeit lang den Beweis der Lebensart und feinen Sitte der Begrüßenden geliefert hat, so flechtet man auch Fragen von allgemeinerem Interesse ein, bis zuletzt nur noch eine gewöhnliche Unterhaltung übrig bleibt.

Die Sache wird kürzer abgemacht, wenn es sich nur um die Begrüßung von Personen handelt, welche sich fast täglich zu sehen Gelegenheit haben. Dann begnügt man sich mit „killahani?“ (wie geht es Ihnen?), „dogesalaha?“ (wie haben Sie die Nacht zugebracht?) während der ersten Hälfte des Tages, und „entegúddeni?“ (wie haben Sie die Tageshitze zugebracht?) am Nachmittage. Die unveränderliche Antwort auf diese Frage bleibt „Laha,“ doch keine Tonleiter von „Jhílla’s“ verlängert den Act.

Kennen sich die Begegnenden genauer, so nähern sie sich vor der Begrüßung, um sich die Hand zu reichen.

Bei der Trennung sagt der Weggehende wohl ein: „T(e)mešeš!“ (auf gutes Wiedersehen!), was der Zurückbleibende mit „Allah nkífuk!“ (Gott gebe Dir Frieden!) beantwortet; doch ist dies nicht de rigueur, und trennen sie sich im Gegentheil meist nach der Sitte der Araber, d. h. schweigend.

Man muß natürlich diesem ceremoniösen Benehmen nur den formellen Werth beilegen, den es wirklich hat. Es involvirt so wenig wirkliche Höflichkeit, daß oft die der Begrüßung beigemischten Fragen, welche ihr gegenseitiges Interesse betreffen, einen wüthenden


  1. Vorlage: einfachst
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_306.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)