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ihre Landesverhältnisse erfragen zu können. Die Unterhaltung war lebhaft und heiter. Sie erfuhren Einiges vom Ausland, lernten auch die deutschen Zahlen ziemlich schnell, wiewohl erst nach mehrfacher Wiederholung, und die Aussprache blieb unvollkommen. Ich fragte nun auch nach den koreanischen Zahlwörtern und schrieb sie der Reihe nach von 1 bis 1000 in mein Notizbuch, mit den richtigen Accenten. Halb spöttisch forderten sie mich dann auf, nun auf koreanisch zu zählen. Natürlich las ich die ganze Reihe der Zahlwörter mit der größten Leichtigkeit und mit richtiger Aussprache ab. Dies verblüffte die Leute vollkommen. Wahrscheinlich meinten sie, daß ich bei solchen[WS 1] Fortschritten in einem Tage die ganze koreanische Sprache lernen würde. Es war nichts mehr aus ihnen herauszubringen, und einer nach dem andern zogen sie still in das Dorf zurück. Von dem Moment an habe ich nur wenig von ihnen gelernt.

Der Unterschied zwischen Koreanern und Chinesen zeigt sich sofort wenn man sie sieht. Der Koreaner hat eine militärische, der Chinese eine schlaffe Haltung; Ersterer hat etwas Determinirtes und die bessere Sorte von Selbstbewußtsein. Der Chinese hat das letztere auch, aber es ist mehr passiv: die Eitelkeit, dem „Reich der Mitte“ anzugehören. Und doch hat er keinen Nationalsinn.

Was ich hier über die Koreaner geschrieben habe, ist das Resultat des Eindrucks, den mir die weit überwiegende Anzahl derjenigen, die ich gesehen habe, hinterlassen hat. Es gehören dazu die Beamten und Kaufleute und ein Theil der niederen Klasse. Neben diesem Typus ist noch ein zweiter vertreten, der mir schon bei den ersten, die ich zu sehen bekam, auffiel. Bei den Ersteren ist die Stirn schmal, fällt etwas zurück, und der Kopf ist lang. Der zweite Typus, den ich nur unter der niederen Klasse der Packer vertreten sah, erinnert an die niederen Typen der nordamerikanischen Indianer, und, nach Abbildungen zu urtheilen, noch mehr an die Aino’s von Yesso. Sie haben breite runde Köpfe mit Stumpfnasen und sehr hervortretenden breiten Backenknochen. Das Haar wächst weit in die breite, niedrige Stirn herab. Das Herabhängen der Falte des oberen Augenlides ist bei ihnen viel markirter, als bei dem anderen Typus. Ihr Körper ist kurz, breit und plump, so auch ihre Haltung. Die Langköpfigen haben oft einen schlanken, eleganten Wuchs, schöne Formen, zuweilen eine auswärts gebogene Nase, und stets die eben erwähnte militärische Haltung, die jenen anderen abgeht. Ich sah auch Zwischentypen, die die Merkmale Beider in gewisser Weise vereinigen. Aber im Ganzen genommen fällt der Unterschied wohl in die Augen. Sollte man es hier vielleicht mit einer den Aino’s verwandten Urrasse zu thun haben, die von den jetzt herrschenden Koreanern verdrängt wurde?


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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_323.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)