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Unter den Pfropfreisern ist der gewöhnliche der Balkhi, welcher ursprünglich in der Gegend von Balch vorkommt; derselbe hat eine glatte, helle Rinde, stark hervorstehende Knoten, trägt weiße Beeren mit unmerklich kleinen Samenkörnern, entwickelt sich ungemein kräftig und ist ebenso wegen seiner Früchte wie seines Laubes wegen begehrt. Im ganzen Thale des Serafschan herrscht dieser Maulbeerbaum vor, und wird an den Ufern des Matscha, eines Hauptnebenflusses des Serafschan vor seinem Austritt aus den Gebirgsschluchten, ausschließlich seiner Früchte wegen angepflanzt, welche getrocknet auf dem Markt von Samarkand unter dem Namen „tute-muïz“ verkauft werden. Diese getrockneten Früchte werden auch zu Mehl zerstoßen, welches in Wasser aufgelöst ein erfrischendes Getränk bildet; mit Weizenmehl vermischt werden daraus Kuchen bereitet, welche den Namen „tute-kalva“ führen. Ueberall, soweit man flußabwärts reist, begegnet man dem Balkhi an den Straßen, in Gärten, auf Feldern oft von gewaltigen Dimensionen; so erinnere ich mich auf dem Wege von Katte-Kurgan einer Gruppe von Balkhi’s von wahrhaft gigantischen Dimensionen. Auf dem Bazar bildet der Balkhi einen Haupthandelsartikel; ein dreijähriger, etwa 6 Meter hoher und 0,05 Meter starker Stamm kostet durchschnittlich 40 Kopeken.

Die dritte Art des Maulbeerbaumes, Schah-tut genannt, stammt aus Persien und hat eine gerunzelte Rinde, große, starke und dunkelgrüne Blätter, längliche dunkelrothe Früchte, welche letzteren gleichfalls im Sommer zur Bereitung eines kühlenden Getränkes benutzt werden. Wenn ich nicht irre, ist dieser Baum identisch mit dem in Italien vorkommenden und dort als Gartenzierde meistentheils benutzten morus niger. Für einen schönen dreijährigen Schah-tute, welcher auf einen Kassak von 0,05 Meter Stärke aufgepfropft war, forderte man von mir 50 Kopeken; ich glaube aber, daß man mir denselben auch billger abgelassen haben würde.

Das feinste Pfropfreis ist der Marvaritak (die Perle) sowohl wegen seiner Blätter als seiner weißen Früchte, obgleich er als Delicatesse nicht sehr gesucht ist. Auf den ersten Anblick gleicht er dem Balkhi.

Wenig verbreitet und nur selten auf dem Bazar im Handel ist der aus Khiwa stammende Khovatunina (?); es fehlen mir jedoch bis jetzt genauere Notizen über denselben.

Die Beschaffenheit des Bodens, des Wassers, sowie die Oertlichkeit sind natürlich auf die Entwickelung des Maulbeerbaumes von wesentlichem Einfluß; so sah ich zehnjährige Kassakstämme von derselben Stärke wie dreijährige. In den Reisfeldern, wo der Boden stets überschwemmt ist, sieht man keine Maulbeerbäume; am besten

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_413.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)