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dem politischen Gebiete documentiren, zeigen sich Schwierigkeiten, die Ausdehnung der dem Gesandten und seinem Hause überall zukommenden Exterritorialität über jeden seiner Schutzangehörigen aufzuheben, so daß hinsichtlich ihrer aller die einheimische Regierung schon den Consuln Majestätsrechte zu cediren hat. Doch wird sich immer ein neues Völkerrecht auf breiterer Basis anbahnen müssen, durch organische Erweiterung der bis dahin regelnden Principien.

Durch die in eigenthümlicher, aber höchst bedeutungsvoller Weise vom jungen Amerika angeregte Mission unter Leitung des Herrn Burlingham sollte auf die Einführung China’s, des ältesten Staates auf der Erde, in den völkerrechtlichen Verband der Nationen hingearbeitet werden, obwohl die im Lande selbst redigirten Zeitungen solche Schritte für vorzeitig zu halten schienen, und auch meistens die Handelskammern Hongkong’s und Shanghai’s in ihren Protesten gegen allzu nachgiebige Paragraphen in dem jüngst von Sir R. Alcock abgeschlossenen Supplementair-Vertrag unterstützten. Jene Lehre, daß Alles, was dem Staat nützlich, auch gerecht sei, (οὐδὲν ἄλογον ὅτι σύμφερον) mußte in Europa schweigen, als auf allgemeinen Consensus das Völkerrecht zur Anerkennung kam, aber dieses jus non scriptum, quod consensus fecit, setzt ein solch wechselweises Entgegenkommen als erste Grundbedingung voraus und kann nur in gegenseitiger Achtung eine feste Begründung finden. Die Comitas gentium ist für die Chinesen lange schwer verständlich gewesen. Allerdings sind die Zeiten vorüber, wo officielle Schreiben „Mitleid mit der unwissenden Rohheit der Barbaren“ ausdrückten (1834), wo den englischen Bevollmächtigten ihre „verwirrten Eingaben“ uneröffnet zurückgeschickt wurden (1839), wo die für „vogelfrei erklärten“ Westländler „wie wildes Gethier gejagt werden sollten“, aber dennnoch haben die Chinesen von sich dieselbe Ansicht bewahrt, wie sie der größte Denker der Hellenen bei diesen aussprach, daß alle übrigen Völker auf der Erde ihnen untergeordnet seien, in ihren Augen nur als Barbaren gelten können. Ein Durchblättern der chinesischen Geschichte zeigt leicht, warum sich eine solche Ansicht bei ihnen bildete, ja bilden mußte, und ihr bisheriger Verkehr mit den überseeischen Fremden, mit brüsken Capitänen, mit scharf calculirenden Kaufleuten, mit Missionären, die ihre Catechisations-Fragen und Buchstabirbücher in die Sprache des Confucius übersetzten, konnten nicht Viel dazu beitragen, diese Abschätzung zu ändern, so brave und rechtschaffene Leute alle diese Repräsentanten europäischer Nationalität auch sein mochten (leider aber noch außerdem nicht immer waren). Obwohl die chinesische Diplomatie sich jetzt bequemt hat, in abgezwungenen Höflichkeitsphrasen zu reden, so wird der Stolz auf

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_516.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)