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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1

Zusammenhanges zwischen Recht auf Arbeit und Sozialpolitik zu fallen, denn er hat ja die sozialethischen Motive fur diese nicht verleugnet. Hier bezieht er sich zunächst auf das rationale Naturrecht, nach dem es ehemals, als es die Meinung noch für sich hatte, sich von selbst verstand, dass der Mensch nicht hungern dürfe. Das ethische Moment kommt aber in hoherem Grade zum Vorschein in dem Gedanken, dass es mit den ethischen Gefühlen der Menschen nicht verträglich sei, andere Menschen ohne ihre Schuld schweren Leiden unterworfen zu sehen. Betont wird noch, dass auch bei dem ökonomischen Liberalismus eine gewisse Reaktion gegen den Egoismus, der aus jenem zu folgen schien, sich ausgebildet und dass diese Reaktion in dem Schlagwort von der "Menschenwürde" sich kristallisiert habe. Auf die Rolle, die dieser Begriff in der deutschen Philosophie gespielt hat, geht der Verfasser nur so weit ein, dass er meint, er sei auch für die Auffassung massgebend gewesen, die der Bismarckschen Sozialreform zugrunde lag. Man darf wohl sagen, dass dies ein Irrtum ist. Denn der Gesichtspunkt, den dieser hervorhob, war immer der des "praktischen Christentums", also theologisch-ethisch und caritativ. Übrigens ist die ökonomisch-juridische Begründung bei Bosse durchaus rechtsphilosophisch und hangt an dem Begriffe des Eigentums, der neuerdings seine Absolutheit eingebüsst habe, besonders im Verhältnis zur Arbeit, und in ausgesprochener Weise mit Pflichten verbunden werde, die im "Institut" des Rechts auf Arbeit ihren Niederschlag finden würden, wie sie auch der germanischen, von O. Gierke so nachdrücklich geltend gemachten Auffassung entsprechen: es werde aber in den meisten neueren Gesetzgebungen diese "soziale Funktion" wie im kommunistischen Rechtssystem schon praktisch geltend gemacht; dabei handelt es sich aber immer nur um die Verfügung der Produktionsmittel, also um das organisierte Eigentum, und dies liege wieder auf der gleichen Linie mit dem Begriff Gesellschaft im Gegensatz zum Begriffe Gemeinschaft. Damit geschieht schon der Übergang zur soziologischen Begründung, die hier erneut und unter den Gesichtspunkt gestellt wird, dass das Kapital als soziale Funktion soziologische Gruppierung bewirkt. Wenn diese Wirkung schon sehr alt sei, so sei doch in der neueren sozialen Entwicklung wichtig, dass die auf Koalition begründeten Interessenverbände entstanden und vorhanden seien. In der sozialen Funktion sowohl des Kapitals als des Menschen liege die soziologische Begründung für das Recht auf Arbeit. Der einzelne Mensch ist in ein Zwangs-Milieu gesetzt, von dem er abhängig ist; diesem gemäss stattet die Rechtsordnung Interessengruppen mit Rechten als Machtmittel aus, von denen die Eigentumsrechte weitaus die bedeutendsten sind. Es bedarf

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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1. Librairie Felix Alcan, Paris 1935, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_-_Jahrgang_4_-_Heft_1.pdf/74&oldid=- (Version vom 16.10.2022)