Seite:Zeitschrift für Volkskunde I 089.png

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der Besatzung erschlug. Nur mit Mühe gelang es dem Schiffer, sich mit dem Rest der Mannschaft auf dem schwer beschädigten Schiff zu retten.


Die Schwanfrau.

Einstmals war der Sohn eines Grafen auf der Jagd und ging dabei das Ufer eines Flusses entlang. Auf dem Flusse schwammen drei Schwäne. Es waren wunderschöne Tiere und an ihrem Gebahren merkte er, dass es mit ihnen nicht seine Richtigkeit habe. Die Schwäne blickten sich nämlich ängstlich um, ob sie niemand sehe. Der Sohn des Grafen versteckte sich hinter einem Gebüsch, voll Neugierde, was geschehen werde.

Als die Schwäne niemand erblickten, wurden sie ruhiger und der eine von ihnen sprach: „Die Zeit ist um, während welcher der Zauber volle Macht über uns hat; wenn jetzt jemand käme, so könnte er unsere Erlösung leicht vollbringen.“ Kaum hatte der Sohn des Grafen diese Worte gehört, so trat er aus dem Gebüsch hervor auf die Schwäne zu und sprach: „Ich habe Eure Worte gehört und bin bereit, Euch zu erlösen. Was habe ich zu thun?“

Darauf entgegnete derselbe Schwan, welcher zuerst gesprochen hatte: „Da Du unsere Worte gehört hast, ohne dass wir daran schuld sind, so können wir Dir auch alles andre sagen, was zu thun ist, um unsre Erlösung zu vollbringen. Gehe immerfort in den nahen Wald hinein, bis Du an einen Quell kommst: dann fülle aus demselben einen Schlauch mit Wasser. Sodann suche im Walde einen hohen Stein von weisser Farbe, den besprenge mit dem Wasser. Ist das geschehen, so werden wir Dir sagen, was weiter zu thun ist.“

Darauf schwammen die Schwäne von dannen, der Sohn des Grafen aber drang in den düstern Wald ein. In den hohen Bäumen rauschte der Wind, die Schlingpflanzen streckten ihre Arme nach ihm aus, in der Ferne liess sich das Krächzen eines Raben vernehmen, aber keine Furcht beschlich den jungen Mann, er drang immer tiefer in den Wald ein. Endlich fand er einen Quell, welcher lustig am Stamm einer uralten Eiche aus der Erde emporsprudelte und sein klares Wasser im moosumsäumten Bett dem fernen Flusse zusandte. Sofort schöpfte der Sohn des Grafen einen Schlauch mit Wasser und ging aus, den hohen Stein von weisser Farbe im Walde zu suchen. Sobald er ihn gefunden hatte, goss er Wasser darauf: alsobald fing der Stein an zu zischen, das Wasser dampfte auf, und der Stein zerfiel zu Staub und Asche. An der Stelle aber, wo der Stein gelegen hatte, entstand eine grosse Oeffnung, welche tief in die Erde hinabführte. Kaum war dies geschehen, so standen die drei Schwäne vor dem Sohne des Grafen. Einer von den Schwänen sprach zu ihm: „Reibe Deinen Leib mit dem Staube und der Asche von dem Steine hier ein, dann steige in die Oeffnung hinab. Bald wirst Du an eine verschlossene Thür kommen. Klopfe dreimal daran und sage, dass Du Einlass begehrst der Schwäne wegen. Man wird Dir öffnen. Dann wird Dir ein Riese entgegentreten und Dich zum Kampfe herausfordern. Lass Dich dreist in den Kampf

Empfohlene Zitierweise:
Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_089.png&oldid=- (Version vom 21.7.2023)