Seite:Zeitschrift für Volkskunde I 225.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Sagen aus der Provinz Sachsen.
Mitgeteilt von
Frau Adler sen.
1. Das Verschwören Gottes.

Man weiss wohl, dass es Hexen gibt und manche Frau möchte es auch gern sein, aber sie weiss nicht, wie sie es werden soll: manche Frau hat aber schon als Kind Gelegenheit dazu gehabt, und ist es doch nicht geworden. So erzählte eine Bäuerin, wie sie schon als Kind eine Hexe hätte werden können. Ihre Grossmutter habe nämlich dazumal in einem kleinen Hause von dem Ausgedinge gelebt. Dieselbe sei oft zu ihrer Mutter auf das Bauerngehöft gekommen und habe sie dann gewöhnlich mit sich genommen. Waren sie nun in dem Häuschen der Grossmutter gewesen, so habe sich dieselbe erst mit ihr etwas erzählt, dann aber mit sich auf den Boden genommen. In der Mitte des Bodens habe ein grosser neuer Topf gestanden, derselbe sei aber umgestülpt gewesen. Die Grossmutter habe sie dann an die Hand gefasst, sei mit ihr immer im Kreise um den Topf herumgegangen und habe sie aufgefordert, ihr die Worte nachzusprechen:

„Ick verschwäre Gott
Un glöwe an disen neien Pott.“

Sie sei aber damals schon klug gewesen und habe die Worte nicht nachsprechen wollen. Wenn sie auch nicht gewusst habe, was das alles zu bedeuten gehabt hätte, so habe sie doch gemerkt, dass mit ihrer Grossmutter nicht alles richtig sei, und sie habe sich auch gefürchtet, Gott zu verschwören.

Ihre Grossmutter habe aber ihren Willen durchsetzen wollen, sie zu wiederholten Malen auf den Boden geführt und aufgefordert, Gott zu verschwören. Einstmals habe sie aber alles ihrem Vater erzählt. Der habe geantwortet: „Also is et doch war, wat die Lide von unse Mudder vertellen. Da wullen wie balle helpen. Wenn die Grossmudder Di wädder met up den Bodden nämmt, denn sägst Du:

„Ick verschwäre Ju un den neien Pott
Un glöwe an Gott.“

Empfohlene Zitierweise:
Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_225.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)