Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang | |
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Od dobrije’ konja otpadoše, 245. Istom viknu Mujagin Halile: – Posestrimo prigorkinjo vilo! 250. da ćeš mene sestro pomognuti! Istom pisnu vila iz oblakâ: 255. Kat to doču Gavran kapetane,odvšiše se silan uplašijo, 260. omahnu ga zdesna na lijevopa od zemlju šnjime udarijo. 265. Al je ljute rane zadobijo. Sjede momak pot tanku jeliku |
Sie huben an zu ringen in der Klamme 245. Urplötzlich schrie Halile Mustaphaga’s; – Wahlschwester, Vila von den Alpenlehnen, 250. so oft mich Not bedroht zu übermannen? Urplötzlich piepst die Vila aus den Wolken: 255. Kaum dass der Hauptmann Gavran dies vernommen,zu grosser Schreck ergriff den frechen Frevler, 260. er gab ihm einen Schwung von rechts nach links hinund schleuderte ihn hin zur Erde nieder. 265. Doch hat auch Halil manche wüt’geWunde. |
Wir haben das Lied von dem Guslaren Mehmed Dizdarević aus Rogatica. Wir zählen ihn zu unseren besseren Sängern, doch keineswegs zu den besten. Rogatica und noch mehr Višegrad hatten vor etwa hundert Jahren einige ausgezeichnet tüchtige Guslaren aus der Hercegowina, die dort Schule gemacht haben. Ich habe von einem Guslaren Namens Ibrâhim Džanko aus Rogatica eines der schönsten Epen meiner Sammlung und von Avdija Salijević, dem Jünger eines vor 55 Jahren verstorbenen namenlosen: pijevo Višegradlija (der Višegrader Sänger) sechs der allerherrlichsten Lieder aufgezeichnet. Unser Mehmed ist aber auch nicht zu unterschätzen. Wir haben von ihm schon zwanzigtausend Verse aufgenommen. Mehmed ist ein Gedächtnismensch ersten Ranges, doch durchaus kein Dichter und besitzt auch in unserem Sinne kein richtiges Urteil über die Schönheit und den Wert einzelner Lieder.
Sein Vater war bei einem Beg Gutsaufseher, sein Grossvater war Kadi und sein Urgrossvater Burgherr (Dizdar) in Rogatica. Nach letzterem, dem angesehensten Mitgliede der Familie, benannten sich die Nachkommen Dizdarevići. Unseren Mehmed hat Dragičević bei einem Beg unweit Rača als Knecht untergebracht. Mehmed zählt gegenwärtig 28–30 Jahre. Er ist hoch gewachsen und kräftig gebaut, brünett und schwarzhaarig. Wie fast jeder Mohammedaner in Herceg-Bosna, hat auch er eine Schule (medresa) besucht und kann zur Not ein wenig türkisch auch schreiben. Er ist frommen Gemütes, klug, anstellig, gesprächig, besonnen, treu und zuverlässig, doch auch sehr empfindlich. Man muss mit ihm sehr rücksichtsvoll umgehen. Einmal sagte Dragičević scherzend zu ihm: „du lügst!" Mehmed entfärbte sich
Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_281.png&oldid=- (Version vom 8.4.2024)