Seite:Zeitschrift für Volkskunde I 281.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.


     Od dobrije’ konja otpadoše,
odoše se nosit po bogazu.
Nosiše se dva puna sahata,
već ih mutne pjene obuzele.

245.
     Istom viknu Mujagin Halile:

– Posestrimo prigorkinjo vilo!
je da Bog da, nigje te ne bilo!
Je si li mi vjeru založila,
kadgod mene do nevolje dogje,

250.
da ćeš mene sestro pomognuti!

     Istom pisnu vila iz oblakâ:
Pobratime Hrnjičin Halile!
eto tebe tvog brata serdara.
Sat će Mujo tebi pomognuti!

255.
     Kat to doču Gavran kapetane,

odvšiše se silan uplašijo,
pa on gleda s obadvije’ strana,
odakle će dolećeti Mujo.
     Dokle Halil prevari Gavrana,

260.
omahnu ga zdesna na lijevo

pa od zemlju šnjime udarijo.
Kako ga je lahko udarijo,
pod glavom se kamen pridesijo,
sva mu prsnu glava ot kamena.

265.
     Al je ljute rane zadobijo.

Sjede momak pot tanku jeliku
te on grdne rane previjaše.
Pa posjede bijesna malina.
Pravo ode sentu na Kladušu.

     Sie huben an zu ringen in der Klamme
und schwangen sich herum zwei volle Stunden,
und trüber Schaum umfing schon ihre Leiber.

245.
     Urplötzlich schrie Halile Mustaphaga’s;

– Wahlschwester, Vila von den Alpenlehnen,
o wollte Gott, du wärest ausgerottet!
hast du mir nicht in Treuen zugeschworen
als Schwester Helferin mir beizuspringen,

250.
so oft mich Not bedroht zu übermannen?

     Urplötzlich piepst die Vila aus den Wolken:
– Wahlbruder Halil, Mustaphagas Bruder!
da naht ja schon dein Bruder Scharenführer,
gleich springt dir helfend bei dein Mustaphaga!

255.
     Kaum dass der Hauptmann Gavran dies vernommen,

zu grosser Schreck ergriff den frechen Frevler,
er schaute bang nach allen beiden Seiten,
von wo aus Mustaphaga nahen sollte.

So trog durch List den Gavran Kämpe Halil;

260.
er gab ihm einen Schwung von rechts nach links hin

und schleuderte ihn hin zur Erde nieder.

     Wie hat er ihn so weich und sanft gebettet!
Es kam ein Stein ihm unters Haupt zu liegen,
und an dem Stein zerschellte ganz der Schädel.

265.
     Doch hat auch Halil manche wüt’ge

Wunde.
265.
Er liess sich unter einer Tanne nieder,
verband sich da die grauenhaften Wunden
und schwang sich auf den tollen kleinen Zelter.

     Er ritt gerad zur Grenze nach Kladuša.

Erläuterungen.

Wir haben das Lied von dem Guslaren Mehmed Dizdarević aus Rogatica. Wir zählen ihn zu unseren besseren Sängern, doch keineswegs zu den besten. Rogatica und noch mehr Višegrad hatten vor etwa hundert Jahren einige ausgezeichnet tüchtige Guslaren aus der Hercegowina, die dort Schule gemacht haben. Ich habe von einem Guslaren Namens Ibrâhim Džanko aus Rogatica eines der schönsten Epen meiner Sammlung und von Avdija Salijević, dem Jünger eines vor 55 Jahren verstorbenen namenlosen: pijevo Višegradlija (der Višegrader Sänger) sechs der allerherrlichsten Lieder aufgezeichnet. Unser Mehmed ist aber auch nicht zu unterschätzen. Wir haben von ihm schon zwanzigtausend Verse aufgenommen. Mehmed ist ein Gedächtnismensch ersten Ranges, doch durchaus kein Dichter und besitzt auch in unserem Sinne kein richtiges Urteil über die Schönheit und den Wert einzelner Lieder.

Sein Vater war bei einem Beg Gutsaufseher, sein Grossvater war Kadi und sein Urgrossvater Burgherr (Dizdar) in Rogatica. Nach letzterem, dem angesehensten Mitgliede der Familie, benannten sich die Nachkommen Dizdarevići. Unseren Mehmed hat Dragičević bei einem Beg unweit Rača als Knecht untergebracht. Mehmed zählt gegenwärtig 28–30 Jahre. Er ist hoch gewachsen und kräftig gebaut, brünett und schwarzhaarig. Wie fast jeder Mohammedaner in Herceg-Bosna, hat auch er eine Schule (medresa) besucht und kann zur Not ein wenig türkisch auch schreiben. Er ist frommen Gemütes, klug, anstellig, gesprächig, besonnen, treu und zuverlässig, doch auch sehr empfindlich. Man muss mit ihm sehr rücksichtsvoll umgehen. Einmal sagte Dragičević scherzend zu ihm: „du lügst!" Mehmed entfärbte sich


Empfohlene Zitierweise:
Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_281.png&oldid=- (Version vom 8.4.2024)