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ungeheurer Stärke –, darauf den Pflug, dann stieg er selbst über und kam zu dem Bauer in die Stube.

„Na, Hans“, fragte ihn dieser, „hast Du tüchtig gepflügt? Wo sind die Ochsen? Hast Du sie in den Stall gebracht?“ „Ja“, sagte der Hans, „das ist solche Geschichte. Als Petersilie nach Hause lief, bin ich ihm mit den Ochsen gefolgt. Der Hund sprang über den Zaun, die Ochsen konnten das nicht, da habe ich sie totgeschlagen und über den Zaun geworfen. Das ärgert Euch doch nicht?“

„I bewahre“, antwortete der Bauer, „was soll mich das wohl ärgern?“

Ein andermal hiess der Bauer unsern Hans zwölf Schweine in die Stadt auf den Markt treiben und dort verkaufen. Hans aber schnitt unterwegs den Schweinen den Schwanz ab, dann verkaufte er sie möglichst gut auf dem Markte und steckte das Geld ein. Auf dem Heimwege musste er an einer Torfkaule vorbei. Da steckte er die sämtlichen zwölf Schweineschwänze hinein, dann ging er nach Hause.

Als er in die Stube trat, war das erste Wort des Bauers an ihn: „Na, Hans, hast Du die Schweine gut verkauft? Wo hast Du das Geld?“ „I“, sagte Hans, „Geld habe ich überhaupt nicht; die Schweine sind mir davongelaufen, immer in die Torfkaule hinein; da sind sie drin stecken geblieben und gucken nur noch mit den Schwänzen heraus. Ich habe immerzu an den Schwänzen gezogen, kriege die Schweine aber nicht mehr aus dem Torfe heraus.“

Der Bauer machte sich sogleich auf nach der Torfkaule mit Hans, und als er die zwölf Schwänze aus dem Torfmoore hervorragen sah, hielt er die Geschichte für wahr und glaubte, es sei nichts zu machen.

„Vater, Ihr ärgert Euch doch nicht?“ fragte Hans den Bauer. „I, wo sollte ich mich wohl darüber ärgern!?“ antwortete der Bauer. Aber er ärgerte sich doch im stillen.

Der folgende Tag war ein Sonntag. Der Bauer und die Bäuerin wollten in die Kirche gehen. Da sagte der Bauer zu Hans: „Wenn wir gegangen sind, so kannst Du alles besorgen. Geh in den Stall und hole Dir dort dasjenige Schaf heraus, welches Dich zuerst anglotzt. Dann schlachtest Du das Schaf, holst Petersilie und machst damit das Schaffleisch zurecht, damit wir ein ordentliches Mittagsessen haben. Wenn Du das Essen angesetzt hast, machst Du das Kind rein. Was Du nicht angesetzt hast, hängst Du über den Zaun.“

„Na gut“, sagte Hans, „das wollen wir schon machen.“

Sobald nun der Bauer mit seiner Frau in der Kirche war, ging Hans in den Stall, in welchem sich die Schafe befanden. Als er zur Thüre hineinkam, glotzten ihn alle Schafe im Stalle an, mit Ausnahme eines alten Jahlings, welcher sich kaum noch auf den Beinen zu halten vermochte. Alsobald machte sich Hans über die Schafe her und schlachtete eins nach dem andern, mit Ausnahme jenes alten Tieres. Darauf holte er den Hund Petersilie, tötete auch den und that ihn an das Schaffleisch. Darauf ging er nach dem Kinde und als ihn dieses gross ansah, tötete er dasselbe gleichfalls, nachdem er mit ihm zu einem Bruch gegangen war; darauf machte er es rein, dann hing er die Leiche über den Zaun.

Empfohlene Zitierweise:
Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_475.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)