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sich auch die kirchliche Praxis aus, darauf an, ob er mit Erlaubniss abwesend sei oder nicht. Im ersteren Falle müsse dessen Zustimmung eingeholt werden, wenn seine Entfernung vom Wahlorte nicht so bedeutend wäre, dass durch seine Befragung der Kirche ein grosser Nachtheil erwachsen könnte. Sei er aber ohne Erlaubniss abwesend, dann gelte sein Fernbleiben als nicht entschuldbar, und es sei seine Stimme wegen contumacia und contemtus nicht einzuholen[1]. Natürlich besass ein solcher auch keinerlei Anfechtungsrecht gegenüber der ohne sein Zuthun vorgenommenen Wahl.

Diese Gedanken wurden dann von Theorie und Gesetzgebung weiter ausgebaut. Gemäss der Auffassung, dass die Mitglieder für die juristische Person handeln, musste genau bestimmt werden, wann die Willensacte der Mitglieder für die juristische Person selbst bindend wären[2], und man erklärte, dass dies nur von jenen Beschlüssen gelte, die in solenner Versammlung zustandegekommen seien. Man entwickelte dann genauestens die einzelnen Merkmale, die eine solche Versammlung aufweisen müsse, verlangte Abhaltung am rechten Orte, zur rechten Zeit, gehörige Berufung, Anwesenheit eines bestimmten Theiles der Mitglieder, erklärte aber auch, und zwar im Anschlusse an die Lehre vom römischen Testamente, es müsse, damit der Beschluss als Wille der juristischen Person erscheine und in Anwendung auf Wahlen die Wahl als Wahl der juristischen Person gelten könne, die Handlung eine einheitliche sein, es müsse unitas actus vorliegen[3]; daher schloss man auch die nachträgliche Zustimmung etwa Abwesender völlig aus. In weiterer Ausführung dieser Grundsätze bestimmte man genauestens, wer von den an und für sich Wahlberechtigten überhaupt geladen werden müsse, verlangte aber, dass die gehörig Berufenen auch wirklich zur rechten Zeit und am rechten

  1. Bernhard v. Pavia im Tractat de electione a. a. O.: „cum autem sine licentia recessit, iam tamquam per contumaciam et contemtum absens videtur, et ideo non est arbitrium eius perquirendum“.
  2. Die Citate bei Gierke a. a. O. S. 312 ff.
  3. Gierke a. a. O. Note 175, 204 u. 206. Vgl. dazu in der Summa des Goffredus de Trano den Titel de electione c. 11 u. 12 und bei Hostiensis eod. tit. c. 11–13.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_179.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)