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die den nach freiem Ermessen entscheidenden Richter bei Prüfung der einzelnen Wahl leiten sollten.

Die in diesen Werken enthaltenen Grundsätze wurden auch von der päpstlichen Gesetzgebung gewürdigt und in der Praxis gehandhabt. Mehr als eine Decretale des Corpus iuris canonici spricht von Majoritätswahlen[1]. Aehnlichen Normen unterlagen auch alle anderen Corporationsbeschlüsse. Während aber einige behaupteten, dass durch ein bedeutendes Uebergewicht an sanioritas auch eine Minderzahl ohne Weiteres zur maior pare werden könne, ging die Entwicklung in Theorie und Praxis mehr und mehr dahin, dass zur Herstellung einer maior pars quantitatives und qualitatives Uebergewicht nothwendig sei. Dabei bildete die grössere Zahl an und für sich schon eine Rechtsvermuthung für die Existenz der sanioritas, die aber jederzeit durch einen „ex rationabili causa“ gefassten und dem zur Prüfung competenten Oberen vorgelegten Beschluss der Minderheit entkräftet werden konnte, und insofern wurde auch weiterhin – und darin lag eine Besonderheit der kirchlichen Wahlen – an dem Erfordernisse der sanioritas festgehalten. Dabei war, was die zur Giltigkeit der Wahl erforderliche Stimmenzahl betrifft, im Allgemeinen die absolute Majorität ausreichend, und nur für die Papstwahl verlangte man seit der Constitution Alexanders III., da hier eine Prüfung des Wahlergebnisses durch einen höheren Richter ausgeschlossen war, das Vorhandensein der eminenten Majorität[2].

  1. Vgl. den Titel „de electione et electi potestate“ in der Gregoriana.
  2. Gegenüber der herrschenden Lehre, dass durch die Bulle „Licet de vitanda“ die Zweidrittelmajorität eingeführt worden sei, hat Mühlbacher a. a. O. S. 171 dieser Decretale die Auslegung gegeben, dass die Worte „a duabus partibus“ auf zwei übereinstimmende Parteien zu deuten seien, deren Candidat dann gegenüber der dissentirenden Partei durchdringe, wobei freilich die zwei Theile die überwiegende Mehrheit bilden sollten. Diese Deutung, die die Bulle als eine Sanction, eine nachträgliche Legitimation der Wahl Alexanders III., aber zugleich als Norm für künftige Wahlen hinstellt, wurde jetzt auch von Langen, Geschichte der römischen Kirche von Gregor VII. bis Innocenz III. S. 540 aufgenommen. Ich halte sie jedoch nicht für richtig. Vgl. dazu schon die Bemerkung des Goffredus de Trano a. a. O. c. 13, wo bereits die Streitfrage ventilirt wird, ob der Gewählte
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_192.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)