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und Wirkungen der durch sie zu vollziehenden Wahl und erklärte demzufolge, dass auch eine nur mit absoluter Mehrheit der Stimmen vollzogene Wahl vollkommen giltig sei, wie dieses Princip eben damals nach der Doctrin der fremden Rechte, im Gegensatze zu den kirchlichen Wahlen, für die man wenigstens indirect noch an dem Vorhandensein der sanioritas festhielt, für weltliche Corporationen in allgemeiner Geltung stand[1]. Die Lehre vom Majoritätsprincip führten aber diese publicistischen Theorien im Anschlusse an das fremde Recht[2] auf jene Fiction zurück, kraft deren, was die Mehrheit in ordnungsmässiger Versammlung beschliessen würde, als einmüthiger Beschluss aller Corporationsmitglieder zu gelten hätte. So kam es, dass, wie uns dies Lupold von Bebenburg ausdrücklich sagt, jede mit absoluter Mehrheit

    Hostiensis die Kurfürsten als „singuli“ wählen lässt, erklärt bereits Lupold von Bebenburg a. a. O. c. 6 und 12 die Kurfürsten als Corporation und sagt, dass sie „communiter“ wählen.

  1. Jordanus von Osnabrück kennt in seinem ca. 1285 geschriebenen Tractat „de praerogativa Romani imperii“ noch nicht das Majoritätsprincip. Dagegen hebt Marsilius von Padua bereits im Defensor pacis a. a. O. II. Buch, cap. 26, also zu einer Zeit, wo er noch nicht am Hofe Ludwigs sich aufhielt, die Möglichkeit einer Majoritätswahl hervor, indem er von den Kurfürsten Folgendes sagt: Ignorat N. (scil. Iohannes XXII.) ipse, quae sit electionis virtus et ratio et propter quid in valentiore parte debentium eligere consistat potestas ipsius. Auch Lupold von Bebenburg spricht sich für die Giltigkeit der Majoritätswahl aus und führt die zwingende Kraft des Majoritätsvotums, wie schon die Glosse zum Corpus iuris civilis, auf die ratio naturalis zurück (quia cum homines ex natura sint faciles ad dissentiendum, ut D. de arbit. 1. item si unius § principaliter, nisi staretur in factis universitatum maiori parti, nihil posset per universitates perfici vel finiri, quod esset absurdum). Dieser Satz des ius gentium sei aber auch vom ius canonicum und vom ius civile gebilligt und anerkannt worden und gelte daher auch für die Königswahl. Den Ausgangspunkt für seine ganze Untersuchung bildet die Doppelwahl von 1198 und die Decretale: Venerabilem.
  2. So schon, wie vorhin gezeigt wurde, die römischen Juristen Scaevola und Ulpian (1. 19 D. 50. 1, 1. 160 § 1 D. 50. 17), auf ihnen fussend die Mehrzahl der Legisten und auch Lupold von Bebenburg c. 6, anders die canonistische Auffassung, die die universitas als schlechthin willens- und handlungsunfähig erklärt, und daher auch im collectiven Wollen und Handeln der Mitglieder nur die Thätigkeit von Repräsentanten sieht. Gierke a. a. O. Bd. III. S. 153, 220, 308 ff. und 461 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred von Wretschko: Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur Goldenen Bulle. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1899, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_fuer_Rechtsgeschichte_Germ._Abt._Bd_20_204.JPG&oldid=- (Version vom 1.8.2018)