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Schwerer aber wiegt, daß Karl IV. sein eigenes Gesetz öfter durchlöchert und bei Seite geschoben, als anerkannt und durchgeführt hat. Nur einmal beruft er sich auf sein Gesetz, um eine Vorschrift desselben gegen einen Verletzer aufrecht zu erhalten, indem er am 25. Mai 1361 auf Klage des Herzogs Rudolf von Sachsen-Wittenberg den Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg vorlud, sich zu verantworten, weil er sich gegen „unser keiserliches rechtbuch“ das Kurrecht und Erzamt angemaßt habe.[1] Diesem einen Falle der Aufrechterhaltung des Gesetzes stehen aber drei andere gegenüber, in denen durch kaiserliche Urkunden die Geltung einzelner Bestimmungen der Goldenen Bulle außer Kraft gesetzt werden sollten.

Den ersten Fall dieser Art bietet die bereits mehrfach erwähnte Stelle des Reichsfürstenprivilegs für die Burggrafen von Nürnberg[2] dar, in welcher eine freilich nur vermeintlich der Verleihung des Bergregals an die Burggrafen entgegenstehende Vorschrift der Goldenen Bulle hinsichtlich dieser Verleihung aufgehoben wird. Gerade die Leichtfertigkeit, mit der man hier eine Bestimmung des Gesetzes außer Kraft zu setzen bereit war, welche bei nur einigermaßen aufmerksamer Betrachtung gar nicht im Wege stand, ist charakteristisch für die geringe Scheu vor dem Gesetze. Mag es sich hier immerhin nur um eine Verfehlung eines kaiserlichen Rates oder eines Diktators der Reichskanzlei handeln, so zeigen zwei weitere Fälle, die nur auf Anordnungen des Kaisers selbst zurückgeführt werden können, wie wenig auch dieser Bedenken trug, sein für alle Zeiten gegebenes Gesetz um vorübergehender Zwecke und augenblicklicher Vorteile willen außer Kraft zu setzen. Am 10. August 1365 hob Karl IV. mit Zustimmung der Kurfürsten einer Anzahl elsässischer Reichsstädte gegenüber das in der Goldenen Bulle enthaltene Pfalbürgerverbot auf.[3] Galt diese Aufhebung nur einer doch mehr nebensächlichen Anordnung des Gesetzes und war sie beschränkt auf die genannten Städte, so betraf der letzte Fall der Aufhebung des eigenen Gesetzes eine dem eigentlichen

Kern der Goldenen Bulle angehörende Bestimmung. Zu den


  1. Böhmer-Huber Nr. 3699; wiederholt 29. August d. J., Böhmer-Huber Nr. 3740. Beide Stücke bei Sudendorf, Registrum 2, 193 und 194.
  2. S. oben S. 180.
  3. Böhmer-Huber Nr. 4200.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/246&oldid=- (Version vom 1.8.2018)