Seite:Zeumer Die Goldene Bulle.pdf/46

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Berichte der Königssaaler Chronik[1] wurde der Streit damals vom Könige nicht eigentlich entschieden, sondern in eigentümlicher Weise ohne prinzipielle Entscheidung beigelegt. Merkwürdig aber ist, was dieselbe Quelle über frühere Entscheidungen des Streites berichtet: a Romanorum imperatoribus diffinitum est saepe in retroactis temporibus, quod Maguntinus in Germaniae, Coloniensis in Italiae, Treverensis in Galliae partibus ad dextram sedere debeat principibus Romanis. Hier wird der Anschauung Ausdruck gegeben, daß jedem der drei geistlichen Kursfürsten innerhalb ihres Erzkanzlerbezirkes der Ehrensitz zustehe. Vielleicht liegt hier eine Erinnerung vor an das Privileg König Albrechts vom Jahre 1298, in welchem dem Erzbischof von Mainz als archicancellarius per Germaniam das Recht auf den ersten Platz zuerkannt wurde auf Grund seines Erzkanzleramtes (ratione archicancellariae), also nur für den Bereich dieses Amtes.[2] Es würde sich daraus etwa die von der Königssaaler Chronik ausgesprochene Regel folgern lassen, die aber sonst nicht begegnet und auch durch die Goldene Bulle nicht anerkannt wurde.

Diese Vorgeschichte des III. Kapitels der Goldenen Bulle zeigt recht deutlich, welche große Bedeutung der hier für alle Zeiten geregelten Frage der Sitzordnung beigelegt wurde, und wie verkehrt es ist, von modernen Anschauungen aus den Gesetzgeber zu tadeln, daß er sich bei solchen Kleinigkeiten und Äußerlichkeiten so lange aufgehalten habe. Es handelt sich hier um Dinge, welchen im Mittelalter weit mehr noch als heute die größte Bedeutung beigelegt wurde; kam doch durch sie fast ausschließlich nach außen hin die Bedeutung der staatsrechtlichen Stellung der ersten Fürsten des Reiches zum Ausdruck.

In unmittelbarem Anschluß an das vorhergehende Kapitel wird in § 1 des IV. Kapitels die Sitzordnung der weltlichen Kurfürsten geregelt, für alle Fälle, wo sie sich mit dem Kaiser zu feierlichen Sitzungen vereinigen, sei es im Rate, beim Mahle oder bei andern Anlässen. Den ersten Platz neben demjenigen Erzbischof, welcher zur Rechten des Kaisers sitzt, erhält der

Böhmenkönig, cum sit princeps coronatus et unctus, den nächstfolgenden


  1. Fontes rerum Austriacarum, SS. VIII, S. 272 f.
  2. Siehe oben S. 27 Anm. 4.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/46&oldid=- (Version vom 1.8.2018)