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– übersehen Sie den nicht, lieber Schraut!“ fiel er mir ins Wort und öffnete das mitgebrachte Päckchen. Es enthielt einen Zentrumsbohrer, eine Tube weiße Ölfarbe und – zwei frische Brötchen.

Ich machte zu diesen Einkäufen ein etwas erstauntes Gesicht. Harst nickte mir zu: „Etwas bunte Zusammenstellung, nicht wahr? – Nun – der Bohrer wird mir zu einem Guckloch in der Außentür meines Schlafzimmers verhelfen. Mit der gekneteten Brötchenkrume werde ich das Loch wieder füllen, und die Farbe wird diese kleine Sachbeschädigung dann vollends verdecken.“ Er schloß das Päckchen in seinen Koffer ein, kam dann zu mir an den Tisch zurück, setzte sich und meinte: „Wir sind auf dem besten Wege zum Erfolg. – Die Idee, Holzmüller hinzuzuziehen, habe ich aufgegeben. Ich brauche ihn nicht mehr. Ich weiß, wo der jüngere Reupert – den wirklichen Namen kenne ich noch nicht – sich zur Zeit befindet.“

Kein Wunder, daß mir der Atem stockte.

„Sie – Sie wissen?“ stammelte ich. „Woher denn? – Bitte, speisen Sie mich diesmal nicht mit Andeutungen ab. Sie können sich denken, wie sehr –“

„Sie sollen alles erfahren,“ unterbrach er mich und warf ein kleines, silbernes Handtäschchen auf den Tisch, dessen Kette zerrissen war. „Da ist des Rätsels Lösung. Das Täschchen gehört Gertrud Hold. Ich habe es vor etwa anderthalb Stunden auf recht rohe Art an mich gebracht, nämlich – ihr auf der Treppe zur Pension Pestell – geraubt. Sie schrie um Hilfe, und beinahe hätte man mich ergriffen. Es waren scheußliche Minuten, die dann aber vollauf durch den Inhalt des Briefes aufgewogen wurden.“ – „Sie meinen – Inhalt des Täschchens,“ gestattete ich mir ihn zu korrigieren. – „Nein – des Briefes, der in dem Täschchen jetzt noch liegt und den die Hold von der Expedition wieder unter KW 111 abholte, wobei ich sie beobachtete. Und – diesmal bekam sie dort vier Briefe ausgehändigt – beim Lesen des einen zitterten ihre Hände leicht, wurde sie erst blaß, dann rot. – Und

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/109&oldid=- (Version vom 1.8.2018)