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sehen lassen, Max Schraut. – Sind Sie krank gewesen? Ihr Gesicht ist inzwischen ja der reine Totenkopf geworden.“

„Sehr krank, Herr Assessor. Ich bin erst heute früh aus dem Krankenhaus entlassen worden, wo ich mit falschen Papieren wegen Lungenentzündung Aufnahme gefunden hatte. Ich habe deshalb auch der Beerdigung meiner Mutter nicht beiwohnen können. – Aber auch Sie sehen schlecht aus, Herr Assessor, – ganz verändert, ganz grau im Gesicht.“

Harst überlegte kurz. Dann forderte er den Taschendieb auf, mit in seine Wohnung zu kommen. Hier sagte er zu ihm: „Ich müßte Sie nun eigentlich der Polizeibehörde übergeben. Für die Gefängnisluft sind Sie jedoch noch zu elend. Sie sollten sich erst bei mir erholen, wo niemand Sie verraten wird. Ich stelle aber eine Bedingung. Meine Braut ist ermordet worden. Sie scheinen von diesem Verbrechen im Krankenhaus nichts gehört zu haben. Ich beabsichtigte, da der Täter bisher nicht entdeckt ist, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Sie und noch jemand, ein Knabe, sollen mir dabei helfen. – Wollen Sie’s tun?“

Komiker-Maxe begann vor Rührung zu weinen. „Ob ich will! Natürlich! – Herr Assessor, Sie sollen an mir einen treuen Gehilfen haben. Ich bin noch nicht so tief gesunken, um einem Manne wie Ihnen gegenüber undankbar zu sein.“

Max Schraut bezog eins der unbenutzten Erdgeschoßzimmer. Bereits nach einer Stunde fand dort zwischen ihm, Harst und Karl Malke eine längere Besprechung statt. Und noch an demselben Abend übernahm eine Berufspflegerin, die Harst bezahlte, die Wartung der kränklichen Witwe des früheren Kutschers.




Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)