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2. Kapitel.
Schraut wird noch klüger.

Halb zwölf abends. – Den Wartesaal 3. Klasse des Stettiner Bahnhofs in Berlin betrat ein recht bescheiden gekleideter buckliger Mann, der außer einem großen Pappkarton noch einen Violinenkasten[1] trug. Er setzte sich in eine Ecke, bestellte ein Glas Bier und sog an seiner Zigarre, die längst ausgegangen war. Dabei überlegte er so allerlei. – Daß Harst erst später ihm nach Szentowo folgen wollte und daß er nun dort allein zunächst das „Terrain sondieren“ sollte, gefiel ihm gar nicht. Er glaubte sich dieser Aufgabe nicht gewachsen. Anderseits sagte er sich aber, daß seines Herrn Vorschlag, er solle dort in der Verkleidung eines wandernden Musikanten auftreten, recht gut gewesen war. Nur erschien es ihm überflüssig, daß Harst verlangt hatte, er müßte das Haus in der Blücherstraße, in dem Frau Auguste Harst nun bereits ein Lebensalter wohnte, durch den Gemüsegarten und den hinteren Ausgang des Grundstückes verlassen. – Wozu diese Vorsicht? Das sah ja gerade so aus, als nähme sein Herr an, das Haus würde beobachtet!

Es wurde Zeit, sich ein Plätzchen in der vierten Klasse des Personenzuges nach Danzig zu sichern. Schraut-Schüler bezahlte das Bier, nahm Karton und Violinenkasten und schlurfte hinaus auf den Bahnsteig. Seine Maske war vorzüglich. Er war ja auch ein recht befähigter Schauspieler gewesen,

  1. Vorlage: Violinkasten siehe gleiche Seite, nächster Absatz.
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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/53&oldid=- (Version vom 1.8.2018)