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Spur, die zur Aufdeckung des Mordes führen könnte, gründlichst zu verwischen. Deshalb schrieb ich den Brief an jene Redaktion in Berlin und erfand zwei Bootsunfälle, um Sie abzuschrecken. Gewiß – ich hätte mich Ihnen anvertrauen können. Das wollte ich aber nicht, denn mein Onkel Erwin ist ganz fraglos zu diesem Verbrechen nur verführt worden. Ich wollte, falls Bollschwing und ich die Wahrheit an den Tag gebracht hätten, in aller Stille mit dem Paare abrechnen, um die gräfliche Familie nicht bloßzustellen, wollte eine Scheidung zwischen den beiden erzwingen, um dieses intrigante Weib nicht länger die Nachfolgerin meiner Tante sein zu lassen. – Mein Verdacht entstand damals sofort, als ich erfuhr, daß der Graf behauptete, seine erste Gattin wäre bei Nacht und Nebel davongelaufen und dann mittags darauf bei Köslin mitverunglückt, wo er sie nur an einem Brillantring an der linken, sonst halb verkohlten Hand wiedererkannt haben wollte. Ich bin überzeugt, er hat diesen Ring jener Leiche, die gerade am allermeisten durch das Feuer der brennenden Wagen gelitten hatte, nur übergestreift und auch ebenso dann in die Brandtrümmer, die noch glimmten, den Ehering und ein paar andere Schmucksachen hineingeworfen, um es noch glaubhafter zu machen, daß die sonst völlig unkenntlichen Reste die seiner Gattin wären. Gerade damals hatte er nämlich seine Geliebte hier in Malchin als Sommergast einquartiert, und ich habe festgestellt, daß er am Morgen nach der angeblichen Flucht meiner Tante aus dem Schlosse sehr bleich hierhin zu seiner Geliebten gefahren und nach Bekanntwerden der Eisenbahnkatastrophe und ihrer Einzelheiten – Köslin liegt ja nur zwei Stationen entfernt – sehr eilig nach Szentowo zurückkehrte, dann abermals hier nach Malchin kam und nun erst überall erzählte, er fürchte, seine Frau wäre bei der Katastrophe vielleicht mitverunglückt.“

Harst war jetzt anscheinend ein sehr unaufmerksamer Zuhörer. Irgend etwas Neues schien seine Gedanken völlig abzulenken. – „Ich wünschte, ich hätte meinen Stutzflügel hier,“ sagte er jetzt, als Blenkner schwieg. „Ich spiele sehr gern Klavier. Und beim Phantasieren über Wagnermotive – ich

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)