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habe ich mich bereits angebiedert. Er hält mich für durchaus echt als Heinrich Hinkel, das merkte ich, hält mich außerdem für einen harmlosen Schwätzer, der gern guten Kognak trinkt. – Übrigens unser Karl ist auch schon da. Er sieht in seiner Liftboy-Uniform mit angeklebtem Scheitel wie eine uniformierte Hopfenstange aus. Er hat jetzt Dienst und fuhr mit mir nach oben. Als ich mich ihm zu erkennen gab, war er nicht im geringsten überrascht, sagte nur: „Herr Harst, Sie müssen den Kopf gebückter tragen. Mit der Kopfhaltung sind Sie noch zu sehr Assessor. Ich habe Sie beide gleich erkannt, als Sie ankamen.“ – Ein tüchtiger Junge, sehr brauchbar. Er ist seit gestern hier in Stellung. Seine geringe Lohnforderung ließ ihn zwanzig Mitbewerber aus dem Felde schlagen.“

„Und unsere Sache – wie steht’s damit?“ fragte ich, denn ich konnte mir nicht gut denken, daß Harst all die Stunden erfolglos außerhalb unserer Zimmer zugebracht hätte.

„Hm – unsere Sache –, faul, oberfaul! Diesmal hat mir Kammler ein bemaltes Eisenstück als Nuß zum Knacken gegeben.“ – „Na, na – es wird schon werden,“ tröstete ich. „Sie haben doch die Anzeige zum Beispiel, die – fünf Preßburger, von denen Sie ja behaupten, es wäre die erste Spur.“

Er beschaute seine Fingernägel, die jetzt Hoftrauer zeigten, weil ein Heinrich Hinkel aus Neuhof bei Hamburg doch nicht gut mit tadellosen Nägeln herumlaufen konnte. – „Auch ein Eisenstück läßt sich schließlich breitschlagen,“ meinte er, immer im halben Flüsterton. „Das ist meine einzige Hoffnung jetzt, nachdem die erste Spur in nichts zerronnen ist.“ – „So? – Schade. Darf ich nicht Einzelheiten darüber hören?“ – „Gewiß. – Ich war auf der Zeitungsexpedition – vier volle Stunden. Um 3/46 kam eine junge Dame mit dem Ausweis und holte die eingelaufenen Offerten unter K W 111 ab. Es waren nur zwei. Mithin muß sie schon die Hauptmenge vorher geholt haben. Sie öffnete die beiden Briefe sofort im Expeditionsraum an einem der Schreibpulte, machte ein sehr enttäuschtes Gesicht und fuhr dann mit einem Omnibus bis zur Karlstraße, wo sie im Fremdenheim Pestell wohnt. Sie heißt Gertrud Hold und sieht auch recht

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/93&oldid=- (Version vom 1.8.2018)