Selbstbestimmungsrecht der Künstler

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Kurt Schwitters
Illustrator:
Titel: Selbstbestimmungsrecht der Künstler
Untertitel:
aus: Der Sturm, 10. Jahrgang, Heft 10 (Januar 1920), S. 140–141
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1920
Verlag:
Drucker:
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Blue Mountain Project
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[140] Selbstbestimmungsrecht der Künstler

Himmel welten Eisenzelte, Bahnhof und Paul Steegemann. Aus diesem Grunde entschloss ich mich zur Herausgabe dieser Sammlung meiner Gedichte, amen.

Was heisst dichten? 2×2=4, das ist noch kein Gedicht. (Die Luftlinie Syrakus, Butterbrot, Zentralheizung.) Es ist sehr schwer, eine Aussage dichterisch zu verwenden.

Stramm schlagen tausend, ja sogar Millionen. (Reinigungssalz findet Anwendung bei den verschiedensten Magenbeschwerden.) Stramm schlagen tausend, ja sogar Millionen. Stramm war der grosse Dichter. Die Verdienste des Sturm um das Bekanntwerden Stramms sind sehr. Die Verdienste Stramms um die Dichtung sind sehr.

Abstrakte Dichtung.

Die abstrakte Dichtung wertet Werte gegen Werte. Man kann auch „Worte gegen Worte“ sagen.

Das ergibt keinen Sinn, aber es erzeugt Weltgefühl und darauf kommt es an. (Der Gemeine muss jedem Offizier Achtung und Gehorsam erweisen.)

Übertragung der Kunstanschauung des Künstlers. (Hühneraugenmittel in der Friedensgesellschaft, Kriegsware.) Totalerlebnis grünt Hirn, jedoch auf die Formung kommt es an.

Reim, Rhytmus und Gedanken dürfen nie zur Manier werden. (Bei eintretender Dunkelheit werden dieselben gratis ergänzt, also nur einmalige Ausgabe.) Das ist die abstrakte Dichtung.

Die Merzdichtung ist abstrakt. Sie verwendet analog der Merzmalerei als gegebene Teile fertige Sätze aus Zeitungen, Plakaten, Katalogen, Gesprächen usw. mit und ohne Abänderungen. (Das ist furchtbar!) Diese Teile brauchen nicht zum Sinn zu passen, denn es gibt keinen Sinn mehr. (Das ist auch furchtbar.) Es gibt auch keinen Elefanten mehr, es gibt nur noch Teile des Gedichtes. (Das ist schrecklich!) Und Ihr? (Zeichnet Kriegsanleihe!) Bestimmt es selbst, was Gedicht und was Rahmen ist.

Anna Blume verdanke ich viel. Mehr noch verdanke ich dem Sturm. Der Sturm hat meine besten Gedichte zuerst veröffentlicht [141] und meine Merzbilder zuerst in Kollektion gezeigt.

Einen Gruss an Herwarth Walden!

Kurt Schwitters

Vorwort zu dem Gedichtband Anna Blume / Verlag Paul Steegemann / Hannover