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Sieben Jahre Fegefeuer

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Textdaten
Autor: Lili Grün
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Titel: Sieben Jahre Fegefeuer
Untertitel:
aus: Wiener Mode, 1932, Heft 4, S. 4
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1932
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Erscheinungsort: Wien
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Sieben Jahre Fegefeuer
Von Lili Grün

Als der Hofrat Ypsilon gestorben war, überlegte er auf seiner Fahrt durch den Weltenraum, daß im Himmel wahrscheinlich eine Unordnung ohnegleichen herrschen würde und daß es die höchste Zeit wäre hinaufzukommen, um Ordnung zu machen. Es berührte ihn daher sehr angenehm, sehr angenehm, als er ein durchaus anständiges Bürozimmer betrat, in dem ihn ein Schalterbeamter mit vielleicht etwas zu großer Höflichkeit begrüßt hätte, wenn es sich nicht um Hofrat Ypsilon handeln würde, dem gegenüber schließlich Höflichkeit verzeihlich ist. Der Schalterbeamte, den wir der Kürze halber Petrus nennen wollen, denn dieser wird seit undenklichen Zeiten für derartige Rollen mißbraucht, bat Herrn Hofrat Platz zu nehmen und begann ein klein wenig verlegen: „Vor allen Dingen eine unangenehme Neuigkeit. Der liebe Gott hat da eine Kleinigkeit angeordnet, die leider nicht umgangen werden kann.“ Petrus kramte umständlich zwischen den Akten und sagte dann sehr leise: „Verehrter Herr Hofrat, Sie können nicht so ohneweiters in den Himmel. Ich sehe da eine kleine Bemerkung: Vorerst sieben Jahre Fegefeuer!“ Der Herr Hofrat glaubte nicht recht gehört zu haben, aber es war schon so. Er wurde blaß, fragte aber mit beherrschter Stimme: „Darf ich wissen, nach welchem System hier pflichtgetreue Beamte degradiert und hm-hm … bestraft werden? Oder darf ich vielleicht, der Einfachheit halber, einen Blick in meinen Akt tun?“ „Aber bitte, Herr Hofrat — — warum denn nicht, Sie müssen sich das nicht so zu Herzen nehmen.“ Der Hofrat griff mit zitternder Hand nach seinem Akt und begann zu lesen:

„Geboren 1873 in Wien, evangelisch, verheiratet. Ständiger Wohnsitz, Wien XVIII. Scheibenberggasse 9. Betragen mustergültig, Streber. Das Wort herzlos ist von seinem Leben nicht zu trennen. Er schikanierte seine armen kleinen Stenotypistinnen, er ließ sie Überstunden machen, wenn er wußte, daß sie ein Rendezvous hatten. Er war unhöflich gegen alle Leute ohne Titel. Er tat keinen Schritt vom Weg, er nahm alles ernst und nichts war ihm heilig. Daher halte ich sieben Jahre Fegefeuer für unerläßlich.“

Der Hofrat las nicht weiter. „Famose Gesetze, das muß ich sagen. Ich erhebe natürlich Einspruch. Wo ist hier die Berufungsstelle? Gibt es wohl gar nicht, wie?“

„Aber bitte, Herr Hofrat … gleich hier nebenan der Schalter …“ Der Hofrat sah sich um. Eine endlos wirkende Menschenschlange stand andächtig vor dem Schalter 7. Der Hofrat stöhnte laut und verzweifelt auf. „Hier, hier soll ich …“

„Jawohl‚ Herr Hofrat“, unterbrach ihn Petrus eifrig, „dann werden Sie hinauf in den ersten Stock verwiesen, Schalter 23, und von dort fahren Sie mit dem Paternoster direkt in den 5. Stock, dort warten Sie bis ihr Name aufgerufen wird und von dort, Herr Hofrat, bemühen Sie sich bitte wieder zu uns ins Parterre!“

„Was, das soll ich alles durchmachen, ja, Herr, das dauert ja …“ „Sieben Jahre Fegefeuer“, sprach Petrus milde und schloß den Schalter.