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Skandale in Frankreich

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Titel: Skandale in Frankreich
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 23, S. 91–92.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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Skandale in Frankreich.

durch das Sakrilegien-Gesetz veranlaßt.

Durch das Gesetz kommt die Sünde! Die Wahrheit dieses Satzes sollte, wie es scheint, durch das berüchtigte Sakrileggesetz von dem so eben entlassenen Ministerium in Frankreich bewiesen werden. Die Frucht entsprach der ausgestreuten Saat. Die Heuchelei einer Partei, die sich anmaßte, von Beleidigungen der Majestät Gottes zu sprechen, und unter dem Schein dieses neu erfundenen Verbrechens, irdische Leidenschaften zu befriedigen, hat nicht die Frömmigkeit unter dem Volke wieder einführen oder verbreiten können; sie hat nur zu Skandalen Anlaß gegeben, wie es in der That nicht anders zu erwarten war. Man lese die Berichte über Prozesse wegen angeblicher Versündigungen gegen das Ansehen der Religion, und man wird mit Unwillen bemerken, daß dasselbe durch den Unverstand der Kläger, in den Augen des gemeinen Mannes gefährdet sehen mußte. Die Gerichtshöfe sahen sich häufig in die traurige Nothwendigkeit versetzt, öffentlich in Prozessen dieser Art zu entscheiden; die juridischen Zeitblätter verbreiteten diese Entscheidungen und die ihnen vorhergegangenen Verhandlungen durch ganz Frankreich, so daß jeder alberne Frevel, welcher ohne den Unverstand des Gesetzes nicht über den Wirkungskreis eines Mannes aus dem Pöbel hinausgegangen wäre, jetzt eine öffentlich Sache, und in den Augen der Verständigen eine bittere Satyre gegen die Verwaltung wurde. Zum Glück scheiterte die kleinliche, inquisitionsartige Verfolgungssucht einiger öffentlichen Ankläger an dem erleuchteten Sinn der französischen Magistrate, so daß die Absicht des Gesetzes, dem jesuitischen Einfluß zu Hülfe zu kommen, nicht erreicht werden konnte. Wenn aber auch die einzelnen Opfer, welche die Heuchelei sich erwählt hatte, dadurch der angedrohten Strafe entzogen wurden, so konnte doch der Nachtheil nicht aufgehoben werden, der aus der Bekanntwerdung [92] solcher Prozesse entstand. Ein einziges Beispiel mag hier, statt vieler, die wir anführen könnten, zur Bestätigung des eben Gesagten dienen. Vor dem Tribunale der Zuchtpolizei zu Poitiers wurde im vorigen Jahre ein Schuster, Namens Chebret, der Schmähung gegen die religiöse Moral angeklagt. Die nähere Bewandniß der Sache erhellet aus dem Urtheilsspruche selbst, dessen Anführung wir uns allein erlauben, weil er der offizielle Ausspruch einer konstituirten Behörde ist.

Dieses Urtheil lautet wörtlich, wie folgt:

„In Betracht, daß Chebret vor dem Tribunale angeklagt ist, sich eine öffentliche Schmähung gegen die religiöse Moral erlaubt zu haben, indem er den 13. Mai d. J. auf dem öffentlichen Platze zu Neuville vor einer großen Menge von Menschen ausrief: „sagt mir nichts von eurem Jesus Christus; es ist mir, wie wenn man mir den Rücken zerbläute, wenn ich von einem Beichtstuhle höre. Dieser Jesus Christus war nichts weiter als der Sohn eines Schuhflickers;

in Betracht, daß die Zeugenaussagen die Wahrheit des Geschehenen zwar bestätigen, es sich aber aus der Verhandlung ergibt, daß der Angeschuldigte diese Worte nur im Verlaufe eines Gesprächs mit dem Huissier Girault über eine ihn betreffende Amtshandung desselben vorbrachte;

in Betracht, daß sich ferner aus den Verhandlungen ergibt, daß er nicht eine Lehre aufstellen, und vor einer herbeigerufenen Menge von Menschen gleichsam predigen wollte, sondern sie ganz einfach der Person zur Antwort gabe, mit welcher er sprach und die zuerst den Namen Jesu Christi ins Gespräch zog, indem sie Chebret zum Vorwurfe machte, in Gleichnissen zu sprechen, wie Jesus Christus;

in Betracht, daß alles, was Chebret sagte, unter den obwaltenden Umständen zwar der Frömmigkeit und der Hochachtung zuwiderläuft, mit welcher alle Christen den Namen der Gottheit aussprechen sollen: daß aber eine solche Aeußerung Chebret’s gegen den Huissier Girault nicht die Eigenschaft einer öffentlichen Schmähung gegen die religiöse Moral hat, wie sie der Art. 8 des Gesetzes vom 17. Mai 1819 zur Begründung eines Vergehens fordert;

in Betracht, daß der Richter deßhalb, obgleich er ein solches Betragen des Angeschuldigten im höchsten Grade tadeln muß, keine Strafe auf eine Aeußerung erkennen kann, welche nach den Worten des gegen ihn angeführten Gesetzes kein Vergehen begründet:

so spricht das Tribunal Chebret kostenfrei von der Klage los.“

Noch an demselben Tage legte der Prokurator des Königs gegen dieses Urtheil Appellation ein.

Den 11. August v. J. wurde die Sache vor dem k. Gerichtshof zu Poitiers gebracht, wo sie bei verschlossenen Thüren verhandelt wurde.

Die Appellation wurde verworfen und das Urtheil erster Instanz bestätigt.

So sind die Früchte eines Gesetzes beschaffen, welches angeblich die Religiosität begründen soll, aber seiner Natur nach nur Aergerniß geben kann, und daher auch außerhalb Frankreich Bedauern, wenn nicht Unwillen und Verachtung erregen muß.