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Standesherrliche Rechtsverhältnisse (Großh Hess)(1820)

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Titel: Edict, die standesherrlichen Rechts-Verhältnisse im Großherzogthum Hessen betreffend.
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich: Großherzogtum Hessen
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1820 Nr. 17 S. 125-160.
Fassung vom: 17. Februar 1820
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 29. März 1820
Inkrafttreten: Zu verschiedenen Daten.
Anmerkungen:
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[125]

Edict, die standesherrlichen Rechts-Verhältnisse im Großherzogthum Hessen betreffend.


LUDEWIG von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. etc.

Um nach den Bestimmungen des XIV. Art. der deutschen Bundes-Acte das staatsrechtliche Verhältniß der Standesherrn Unseres Großherzogthums umfassend zu bestimmen, haben Wir schon vor einiger Zeit Unsere Standesherrn aufgefordert, Uns ihre Ansichten vollständig vorzutragen.

Wir haben die Anträge derselben einer sorgfältigen Prüfung unterworfen, und da Wir, indem Wir den Standesherrn Unseres Großherzogthums die Rechte und Vorzüge, welche ihnen die deutsche Bundes-Acte bewilligt, ferner einräumen, zugleich solche mit den, auf eben diese Bundes-Akte gegründeten gerechten Erwartungen Unserer übrigen Unterthanen in Uebereinstimmung zu bringen wünschen; so haben Wir zur näheren Erläuterung Unserer Declaration vom 1ten August 1807., und zur Begründung eines bleibenden Rechtszustandes Unserer Standesherrn, nachfolgendes verordnet:

A. Persönliches Verhältniß der Standesherrn.

§. 1.

Die Standesherrn haben als Staats-Bürger des Großherzogthums Uns und Unsern Nachkommen, auf Erfordern, die Huldigung persönlich zu leisten.
Wenn diese persönliche Huldigung von Uns nicht gefordert wird, so haben die Häupter der standesherrlichen Familien, so oft sich in der Person des Regenten, oder in der Person des standesherrlichen Familien-Hauptes eine Veränderung ereignet, eine schriftliche Erklärung dahin auszustellen:

[126]

daß sie, als Besitzer des, Unserer Souveränität untergebenen Fürstenthums (Grafschaft etc. etc.) Uns treu und gehorsam seyn, und alles dasjenige thun und abwenden wollen, wozu sie als getreue und gehorsame Standesherrn und Unterthanen, Uns und Unseren Nachkommen, als ihren rechtmäßigen Regenten, in Folge der bestehenden Grundgesetze und Verfassung verpflichtet sind.

§. 2.

Sie werden, ihrer Unterordnung ungeachtet, forthin zur Standesklasse des hohen Adels von Deutschland gerechnet, und behalten das Recht der Ebenbürtigkeit nach dem, im Staatsrecht des vormaligen deutschen Reichs damit verbundenen Begriffe.

§. 3.

Sie führen die Titel und die Benennungen von ihren Besitzungen, Grafschaften und Herrschaften fort, welche sie vor der Vereinigung mit dem Großherzogthum geführt haben; jedoch fallen alle jene Beysätze und Würden hinweg, welche entweder ein vormaliges Verhältniß zum deutschen Reich ausdrücken, oder welche sie als Regenten ihrer Herrschaften bezeichnen würden.
Diesem nach können sie :
a)
sich nicht mehr Reichsfürsten, Reichs-Grafen, sondern nur Fürsten, Grafen, nennen, und ihren Herrschaften das Beiwort „Reichs“ nicht mehr vorsetzen;
b)
in ihren Wappen die Zeichen nicht mehr führen, welche auf ihr vormaliges Verhältniß zum deutschen Reich Bezug haben;
c)
sich weder des Zusatzes „regierend“ noch des Prädicats „von Gottes Gnaden“ bedienen; endlich
d)
die Benennung „Wir“ nur in solchen Schriften und Handlungen brauchen, welche nicht direct an Uns oder Unsere Behörden gerichtet sind.
Die Häupter der standesherrlichen Familien werden in solchen Schriften zu dem Titel: Fürst, Graf, auch das Beywort „und Herr“ setzen.

§. 4.

Innerhalb der Standesherrschaften soll das Kirchengebet vorerst für Uns und Unser Großherzogliches Haus, und dann für den Standesherrn und dessen Familie verrichtet werden.

§. 5.

Bei Sterbfällen in den standesherrlichen Familien, soll innerhalb der betreffenden Standesherrschaft, das Trauergeläute:

[127]

1.)
für den Standesherrn und dessen Gemahlin 6 Wochen;
2.)
Für den präsumtiven Nachfolger eines Standesherrn und dessen Gemahlin 3 Wochen;
3.)
für die übrigen Mitglieder der standesherrlichen Familie, 14 Tage lang statt finden.
Während dieser Trauerzeit sollen innerhalb der Standesherrschaft, alle öffentlichen Lustbarkeiten eingestellt werden.
Eine eigentliche Landestrauer kann aber nur für den Souverain oder auf dessen besondere Anordnung statt finden.

§. 6.

In den Erlassen Unserer Landes-Collegien an die Häupter der standesherrlichen Familien, sollen dieselben sich der Anrede „Durchlauchtig Hochgebohrner Herr Fürst“ „Erlauchtig Hochgebohrner Herr Graf“ und im Context der Ausdrücke „Eure Durchlaucht“ „Euer Erlaucht“ bedienen.
Es versteht sich von selbst, daß die aus Unserem Auftrag von Unserm Geheimen Ministerium an die Standesherrn erfolgenden Erlasse in ihrer bisherigen Form verbleiben.
Die Standesherrn haben sich in ihren Schriften an Uns, Unser Staats-Ministerium und Unsere übrigen Landes-Collegien und Behörden nach denselben Curialien[WS 1] zu richten, welche im Allgemeinen beobachtet werden.

§. 7.

Den Standesherrn steht die Freiheit zu, ihren Aufenthalt in jedem, zum deutschen Bunde gehörigen, oder mit demselben im Frieden lebenden Staate zu nehmen – vorausgesetzt, daß sie nicht in Unserem Staatsdienste stehen.

§. 8.

Sie sind sowohl für ihre Personen als für ihre Familien von aller Militärpflichtigkeit befreit, und es ist ihnen gestattet, in jedem zum deutschen Bunde gehörigen, oder mit demselben im Frieden lebenden Staate Militär- oder Civildienste zu nehmen.

§. 9.

Die Unterthanen in den Standesherrschaften haben Uns, als ihrem Regenten, den gewöhnlichen Huldigungs-Eid abzulegen; gleichzeitig sollen dieselben dem Standesherrn eydlich versprechen:
daß sie ihm die gebührende Ehrerbietung, und den, nach der Verfassung schuldigen Gehorsam erzeigen wollen.

[128]

Die Abnahme dieses Gelübdes geschieht durch die standesherrlichen Beamten, welche jedoch für diesen Act keine besondere Gebühren zu beziehen haben sollen.

§. 10.

Die noch bestehenden Familien-Verträge der Standesherrn werden nach den Grundsätzen der früheren deutschen Verfassung aufrecht erhalten, und es wird ihnen die Befugniß zugesichert, über ihre Güter und Familien-Verhältnisse verbindliche Verfügungen zu treffen, welche Uns vorgelegt werden müssen.
Unsere Bestätigung ist zwar zur Gültigkeit solcher Familien-Verträge und Verfügungen nicht erforderlich; allein Unsere Gerichte können auf den Inhalt künftiger Familien-Verträge nur alsdann erkennen, wenn solche vorstehendermaaßen zu Unserer und Unseres geheimen Staats-Ministeriums Kenntniß bereits gebracht, und, insofern es sich dabei von Rechten und Verbindlichkeiten dritter Personen handelt, von dieser Unserer obersten Landesstelle öffentlich bekannt gemacht worden sind, hiernächst aber der Zeitraum verflossen ist, binnen dessen gesetzliche allgemeine Vorschriften in Wirksamkeit treten sollen.

§. 11.

Es ist den Standesherrn gestattet, aus Männern, welche ihre Militär-Pflicht gegen den Staat vollständig erfüllt haben, nach freiwilliger Uebereinkunft mit denselben, Ehrenwachen von 20 bis 30 Mann zum Gebrauch bei ihren Schlössern und Wohnungen zu halten, und ihnen eine willkührliche, jedoch von den Uniformen Unseres Militärs verschiedene Kleidung zu geben.

§. 12.

An ihren Wohnorten können die Standesherrn die Herausgabe von Wochen- und Intelligenz-Blättern veranstalten, welche sich jedoch auf diejenigen Gegenstände beschränken müssen, die den Inhalt des, in Unserer Residenz erscheinenden Wochenblatts ausmachen.

§. 13.

In Beziehung auf den Gerichtsstand der Standesherrn verordnen Wir Folgendes:
a)
in peinlichen Fällen genießen die Standesherrn, wenn sie nicht in Unserem Militär- oder Civil-Dienst wirklich stehen, das Recht, durch ein Gericht von Ebenbürtigen, oder durch Richter ihres Standes, gerichtet zu werden.
Die Untersuchung wird durch die, von Unserm Ober-Appellations-Gericht aus seiner Mitte zu ernennenden Commissarien geführt, welche alle Zuständigkeiten eines Untersuchungs-Gerichtes ausüben, und auch über die Statthaftigkeit einer provisorischen Verhaftung, welche Unterbehörden, mittelst Bewachung des Angeschuldigten, an einem anständigen Orte vorzunehmen, [129] sich allenfalls gesetzlich veranlaßt gefunden haben könnten, in kürzester Zeitfrist erkennen.
Das Standes-Gericht wird von Uns, nachdem die Untersuchungs-Commission nach geschlossener General-Untersuchung, oder, wenn bereits auf Special-Untersuchung erkannt worden wäre, nach vollständiger Beendigung derselben und des Vertheidigungs-Verfahrens, die Acten an Uns eingesendet hat, in Unserer Residenz angeordnet, und aus dem Präsidenten Unseres Ober-Appellations-Gerichtes oder dessen Stellvertreter, und sechs Richtern gleichen Standes mit den Angeschuldigten zusammengesetzt.
In Ermangelung einer erforderlichen Anzahl fähiger Ebenbürtiger, wird das Gericht aus Mitgliedern der ersten Cammer Unserer Landstände ergänzt.
Den Vorsitz und die Leitung hat der genannte Präsident Unseres Ober-Appellations-Gerichts. Zwei Ober-Appellations-Gerichtsräthe werden von dem Präsidenten zu Re- und Correferenten ernannt, welche jedoch nur eine beratende Stimme haben. Der erste Secretär des Ober-Appellations-Gerichts führt das Protocoll.
Das von den Gerichts-Beisitzern gefällte Erkenntniß, wird Uns mit dem Gutachten über die etwa vorhandenen Begnadigungs-Gründe, und den desfallsigen Anträgen der beiden Referenten zur Entschließung vorgelegt. Erfolgt keine Begnadigung, so wird das Urtheil auf gesetzliche Weise durch Unser Ober-Appellations-Gericht zum Vollzug gebracht.
Dieses Gericht von Standesgenossen kommt nicht nur den Häuptern der standesherrlichen Familien, sondern auch den ebenbürtigen Mitgliedern dieser Familien beiderlei Geschlechts zu statten. Alle diejenigen Mitglieder standesherrlicher Familien aber, welche sich in Unserem Militär- oder Civil-Dienst befinden, werden in peinlichen Fällen nach den allgemeinen gesetzlichen Formen gerichtet.
In Civil-Straf-Sachen ist Unser Ober-Appellations-Gerichte untersuchende und erkennende Behörde; es bildet für die Entscheidung derselben in erster Instanz einen Senat, und über das Rechtsmittel der Revision wird durch das ganze Gericht entschieden.
b.)
in Civil-Rechts-Streitigkeiten ist Unser Ober-Appellations-Gericht das forum der Standesherrn in Personal-Sachen.
Bei diesen, von Unserem Ober-Appellations-Gericht in erster Instanz zu entscheidenden Rechts-Sachen, tritt unter den, in Unserer Verordnung vom 3ten Juni 1812 enthaltenen näheren Bestimmungen das Rechtsmittel der Revision ein.
In allen Real-Sachen stehen aber die Standesherrn in erster Instanz unter den einschlägigen Gerichten.

[130]

Gegen ihre Verwaltungs-Behörden, als solche, kann keine Klage statt finden, sondern diese nur gegen den Standesherrn angebracht werden.
Im Real-Klag-Sachen sollen jedoch wie bisher, die standesherrlichen Verwaltungs-Behörden, zur Ausstellung gerichtlicher Vollmachten durch Special-Aufträge der Standesherrn ermächtigt werden können.
Denjenigen Unserer Standesherrn, deren Besitzungen unter der Hoheit mehrerer Souverains gelegen sind, die aber ihr Domicil nicht in Unserem Lande haben, wollen Wir die Indigenats-Rechte[WS 2] belassen, wogegen dieselben, so viel die persönlichen Klagen Unserer eingesessenen Unterthanen und Unseres Fiscus betrifft, für in Unseren Staaten wohnhaft angesehen, und vor der ihnen angewiesenen Gerichtsstelle belangt werden können.
Diejenigen Unserer Standesherrn, welche nach dem Rechtsbegriff des Domicils ein mehrfaches Domicil haben, können von Fremden sowohl als von Unseren Unterthanen, entweder vor Unseren, oder den Gerichten des anderen Wohnorts belangt werden, und Unsere Justizstelle hat, im Fall dieser Grundsatz in den andern Staaten ebenfalls angenommen worden ist, auf beigebrachte Bescheinigung der Prävention, die Klage ab- und an das prävenirte Gericht zu verweisen.
Auch wollen Wir geschehen lassen, daß in geeigneten Fällen die Anordnung eines universellen Gerichtsstandes in demjenigen Lande statt finde, in welchem der größte Theil des Vermögens sich befindet. Wir setzen jedoch voraus, daß dieser Grundsatz in den Staaten, welche hierbei concurriren, ebenfalls zur Richtschnur angenommen werde, widrigenfalls in Ansehung des, in Unserem Lande vorhandenen Vermögens das Erforderliche rechtlicher Ordnung gemäß besonders zu verfügen ist.
c.)
in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit stehen die Standesherrn und ihre Familien bis zur Ausführung der, durch Unser Staats-Ministerium am 1ten December 1817 bekannt gemachten Grundsätze über die künftige Justizverfassung, gleichfalls unter Unserem Ober-Appellations-Gericht.

§. 14.

In Hinsicht der Vormundsbestellung und der Pflichten der Vormünder, bestimmen Wir nachfolgendes:
a.)
es bleibt den Standesherrn unbenommen, durch Testamente oder Familien-Verträge Vormundschaften über die minderjährigen Glieder ihrer Familie anzuordnen, und festzusetzen, wie es mit der Verwaltung ihres Vermögens während der Minderjährigkeit ihrer Kinder gehalten werden und wer die Vormundschaften führen soll.

[131]

b.)
Hiernach gelten denn auch alle desfalls bestehenden älteren Testamente und Haus-Verträge, für die, etwa in der Folge vorkommenden Fälle.
c.)
In einem jeden Falle dieser Art hat jedoch derjenige, welcher zur Vormundschaft berufen ist, sobald der Zeitpunkt der Uebernahme seiner Function eintritt, sich bei Unserem Ober-Appellations-Gericht zu melden, die Titel seiner vormundschaftlichen Qualität in beglaubter Form zu überreichen, und um Bestätigung derselben, sowie um die Zulassung zum Vormunds-Eid, zu bitten.
d.)
Sind weder durch ein Testament noch durch Familien-Verträge Vormünder angeordnet, so tritt, wenn von der Bevormundung eines künftigen Familien-Hauptes die Rede ist, die Mutter, oder der nächste volljährige Agnat in das Recht der Vormundschaft. Sind aber in dem vorausgesetzten Falle Nachgeborne zu bevormunden, so bleibt die Wahl des Vormundes dem großjährigen Familien-Haupte überlassen. In beiden Fällen hat der Vormund ebenfalls alsbald um seine Bestätigung und Verpflichtung nachzusuchen, und seine Legitimation beizubringen.
e.)
Unser Ober-Appellations-Gericht untersucht auf eine solche Anzeige, ob der gebetenen Bestätigung kein erhebliches Hinderniß entgegen stehe; und wenn sich kein Grund zeigt, die Bestätigung zu verweigern, so wird der Vormund nach einer, zu diesem Ende von gedachtem Gerichte zu entwerfenden Formel, welche alle Geldaufnahmen, Veräußerungen und Verpfändungen von Immobilien ohne obervormundschaftlichen Consens untersagt, eidlich verpflichtet.
Der Vormunds-Eid kann übrigens jedesmal durch einen besonders dazu Bevollmächtigten Stellvertreter abgelegt werden.
f.)
Wenn die Mutter des Minderjährigen die Vormundschaft vermöge eines Testaments oder Hausgesetzes zu führen hat, so muß sie, vor der Zulassung zum Vormunds-Eid, noch auf eine anderweite Vermählung und auf die, ihr zu statten kommenden Rechtswohlthaten des weiblichen Geschlechts, nachdem sie hierüber gehörig belehrt seyn wird, ausdrücklich Verzicht leisten. Schreitet sie dennoch zur zweiten Ehe, so hat sie hievon alsbald Anzeige zu machen, und es kann ihr alsdann zwar wohl die Beibehaltung der Vormundschaft verwilligt werden, wenn davon kein Nachtheil für die Minderjährigen zu fürchten ist; jedoch ist ihr auf diesen Fall ein Mitvormund aus den nächsten Agnaten oder Standesgenossen von Unserem Oberappellations-Gericht beizuordnen, welchem sie dann, vor ihrer weiteren Vermählung, über ihre bisherige Verwaltung Rechnung abzulegen hat.
g)
Nach geleistetem Vormunds-Eide ertheilt Unser Oberappellations-Gericht die nachgesuchte Bestätigung in solenner[WS 3] Form und unter dem größeren Gerichts-Siegel.

[132]

h)
Der, auf solche Art ernannte, Vormund übt alsdann alle vormundschaftlichen Rechte sowohl in Ansehung der Personen als des Vermögens seiner Pflegbefohlenen aus. Bei allen, auf das ihm anvertraute Vermögen sich beziehenden Verfügungen, handelt er im eigenen Namen, unter ausdrücklicher Bemerkung seiner vormundschaftlichen Eigenschaft. Er nimmt sämmtliche, zur Verwaltung des gedachten Vermögens angestellte Räthe und Beamten in seine Pflichten, läßt sich von diesen jährlich Rechnung ablegen, ist aber selbst, nur nach geendigter Vormundschaft, und zwar seinem ehemaligen Pflegbefohlenen, auf dessen Verlangen, zur Rechnungs-Ablegung verbunden; es sey denn, daß er wegen übler Verwaltung angeklagt würde.
Findet eine solche Klage statt, oder würde Unser Oberappellations-Gericht auf andere Weise im amtlichen Wege von Mängeln in der vormundschaftlichen Verwaltung in Kenntniß gesetzt, so hat dasselbe vorerst sämmtliche, ihm zugekommene Anzeigen der Vormundschaft zu ihrer Rechtfertigung vollständig mitzuteilen, und – jedoch mit Vorbehalt der, für das Intresse des Minderjährigen etwa erforderlichen conservatorischen Maasregeln – nur dann, wenn es diese Rechtfertigung unzureichend finden sollte, mittelst förmlichen Beschlusses eine obervormundschaftliche Untersuchung anzuordnen, bei welcher die Vorlage der gewöhnlichen Verwaltungs-Rechnungen, und, nach Umständen, förmliche Rechnungs-Ablage über die bisherige vormundschaftliche Verwaltung verlangt werden kann.
Anonyme Anzeigen und Beschwerden über Mängel in der vormundschaftlichen Verwaltung hat Unser Oberappellations-Gericht niemals zu berücksichtigen.
i)
Findet sich ein gegründeter Anstand bei der Bestätigung des testamentarischen oder vertragsmäßigen Vormunds, weil dieser in irgend einer Hinsicht offenbar unfähig ist, die Vormundschaft zu führen, oder wenigstens sie allein zu bestreiten, so hat Unser Oberappellations-Gericht entweder einen andern Vormund aus der Klasse der Standesgenossen zu ernennen, oder, nach Befinden, dem ernannten einen Mitvormund aus derselben Klasse beizuordnen.
k)
Eben dieses ist der Fall bei der tutela legitima[WS 4], wenn dem, zur Vormundschaft berechtigten Agnaten erhebliche Ausstellungen entgegenstehen.
l)
In dergleichen Fällen hat übrigens Unser Oberappellations-Gericht, bei der Anstellung eines neuen oder Mitvormundes, vorzüglich auf die nächsten dazu qualificirten Verwandten der Minderjährigen Rücksicht zu nehmen, und diese nur aus erheblichen Gründen zu übergehen.

[133]

m)
Ist endlich kein tutor pactitius, testamentarius oder legitimus vorhanden, so haben die, zur Verwaltung des standesherrlichen Vermögens angestellten Behörden, von dem Falle, welcher die Anordnung einer Vormundschaft nöthig macht, Unserem Oberappellations-Gericht unverweilt Anzeige zu thun, und dieses hat alsdann, nach den eintretenden Umständen, aus der Zahl der inländischen Standesgenossen den Vormund zu ernennen und zu verpflichten, auch alle deshalb weiter erforderliche Vorsehung zu treffen, damit die Obsorge über die Minderjährigen, deren Erziehung und die Verwaltung ihres Vermögens, nicht versäumt werde.
n)
Alle diese Grundsätze und Vorschriften sind auch auf diejenigen standesherrlichen Minderjährigen anwendbar, deren ehemals reichsständische Besitzungen nur zum Theil unter Unserer Souveränität gelegen sind, wenn auch solche Minderjährige unter fremder Souveränität ihren Wohnsitz haben, indem über ihr, in Unseren Landen befindliches Vermögen, kein auswärtiger Souverain die obervormundschaftlichen Rechte ausüben kann.
Wir sind indessen bereit, Uns in dieser Beziehung mit den betreffenden Regierungen über ein allgemeines, auf den Grundsätzen vollkommener Reciprocität beruhendes Princip zu vereinigen, um die Unbequemlichkeiten geteilter Vormundschaften zu vermeiden.

§. 15.

In Verlassenschafts-Sachen gestatten Wir dem Haupt der standesherrlichen Familie, die desfallsigen Verhandlungen und Auseinandersetzungen – insolange als hierüber kein Rechtsstreit entsteht – auf eine legale Weise vornehmen zu lassen.

§. 16.

Die im Besitz einer Standesherrschaft sich befindenden Häupter der standesherrlichen Familien Unsers Großherzogthums, sind nach den Prinzen Unseres Großherzoglichen Hauses, die vordersten gebornen Stimmführer auf dem Landtage. Ihr Sitz- und Stimm-Recht ruht auf ihren Besitzungen, und die Art und Weise der Ausübung desselben soll durch Unsere Verfassungs-Urkunde näher bestimmt werden.

§. 17.

Wir bestätigen hiermit die, den Standesherrn des Großherzogthums in Unserer Verordnung vom 5ten Juni 1815 bewilligte Befreiung ihrer Wohnungen von den Einguartierungen.

§. 18.

Die Standesherrn haben für ihre Person alle Unsere Polizei-Gesetze zu beobachten, sie stehen jedoch in Polizei-Sachen für sich und ihre Familien, in ihrem standesherrlichen [134] Bezirk unmittelbar unter Uns, außerhalb desselben, unter Unseren Regierungen, oder da, wo besondere Polizei-Behörden angeordnet sind, unter diesen.
Sobald jedoch ein Gegenstand nach den bestehenden gesetzlichen Normen zur Cognition des Richters geeignet ist, soll derselbe von Unserem Ober-Appellations-Gericht, als dem, den Standesherrn als Beklagten angewiesenen persönlichen Gerichtsstand, rechtlicher Ordnung nach behandelt, und darüber entschieden werden.

B. Auswärtige Verhältnisse.

§. 19.

Die repräsentative Gewalt gegen andere Staaten steht allein Uns, als dem Souverain, zu. Den Standesherrn ist daher nicht gestattet, an auswärtige Regierungen Agenten mit diplomatischem Character abzusenden, oder solche von Auswärtigen, bei sich anzunehmen, um mit ihnen wegen Staatsangelegenheiten zu unterhandeln.
Ihre Privatangelegenheiten sowohl bei Uns und Unseren Staatsbehörden, als wie bei auswärtigen Regierungen, können jedoch die Standesherrn durch selbstgewählte Bevollmächtigte nach Gutfinden besorgen lassen.
Diese Bevollmächtigte können jedoch nie einen öffentlichen Character annehmen, und überhaupt können die Standesherrn ihre etwaigen Beschwerden und Recurse über ihr inländisches staatsrechtliches Verhältniß, ohne Verletzung ihrer Pflichten gegen den Staat, blos im bundesverfassungsmäßigen Wege anbringen.

C. Recht der Gesetzgebung und allgemeinen Oberaufsicht.

§. 20.

Das Recht der Gesetzgebung steht Uns, als Souverain, zu.
Ebenso gebührt Uns allein das Recht der Oberaufsicht über die Vollziehung aller gesetzlichen Anordnungen, für welche alle, innerhalb der Standesherrschaften angestellten Beamten Uns verantwortlich sind.
Die Publikation Unserer landesherrlichen Gesetze geschieht in den Standesherrschaften auf die in Unseren übrigen Landen übliche Weise, oder wie Wir solches weiter zu verordnen für gut finden werden.

§. 21.

Den Standesherrn bleibt überlassen, Anordnungen und Verfügungen über Gegenstände zu erlassen, welche die Verwaltung ihres Eigenthums betreffen. Diese Anordnungen [135] und Verfügungen dürfen jedoch Unseren allgemeinen Landesgesetzen nicht entgegen seyn, und sich nicht auf Gegenstände der Justiz-Verwaltung, hinsichtlich der Polizei-Verwaltung aber nur auf dasjenige erstrecken, was in dieser Beziehung in §. 38. und 39. dieses Edicts verordnet ist.

§. 22.

Die Gesetzgebung sowohl, als die Formen der öffentlichen Verwaltung und der öffentlichen Anstalten innerhalb der Standesherrschaften, sollen mit denen in den übrigen Theilen des Staatsgebietes in Uebereinstimmung gebracht werden.
Dieß soll jedoch immer mit Rücksicht auf die bundesverfassungsmäßigen wesentlichen Rechte der Standesherrn geschehen, und Wir werden solche durch neue Verwaltungs-Einrichtungen weder verletzen, noch zu ihrem Nachtheil erschweren lassen.

§. 23.

Wir sichern den Standesherrn Unseres Großherzogthums Unsern Schutz und Unsere Garantie für die ungekränkte Ausübung und den ungestörten Besitz aller derjenigen Rechte und desjenigen Eigenthums zu, welche ihnen nach der deutschen Bundes-Acte und Unseren, in Folge derselben erlassenen gesetzlichen Bestimmungen des gegenwärtigen Edicts zustehen. Wenn wegen unvermeidlicher Collision zwischen Gemein- und Privat-Wohl, oder wegen dringender Noth, oder aus staatswirthschaftlichen Gründen und zur Beförderung des allgemeinen Besten, die Abänderung oder Verwandlung gewisser Gattungen von Privat-Eigenthum oder Privat-Berechtigungen für nothwendig erachtet, und in landesverfassungsmäßiger Weise gesetzlich angeordnet wird, so sollen diese Abänderungen oder Verwandlungen niemals eher zur Ausführung gebracht werden, als bis man mit den Einzelnen, welche dadurch betroffen werden, über die, ihnen in jedem solchen Falle zukommende vollständige Entschädigung entweder gütlich übereingekommen ist, oder, insofern diese Uebereinkunft nicht erzielt werden kann, der competente Richter über den Betrag derselben entschieden hat.
Grundgesetzliche, den Standesherrn als solchen ausschließlich zustehende Berechtigungen, sollen jedoch ohne ihre Einwilligung niemals, selbst nicht gegen Entschädigung, aufgehoben werden können.

D. Gerichtsbarkeit der Standesherrn.

§. 24.

Die Obergerichtsbarkeit in ihrem ganzen Umfange, und die Aufsicht und Leitung der niedern Gerichtsbarkeit in den Standesherrschaften, steht Uns, als dem Souverain, zu, den [136] Standesherrn verbleibt die Ausübung der Gerichtsbarkeit in erster Instanz durch Local-Beamte, und die Ausübung der Gerichtsbarkeit in zweiter Instanz durch Justiz-Canzleien unter nachfolgenden näheren Bestimmungen, und vorbehaltlich der Uns zustehenden Befugniß, in außerordentlichen Fällen, und wo die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung solches erheischt, besondere Commissionen anzuordnen, oder besondere Gerichte für einzelne Gegenstände zuständig zu erklären.

§. 25.

Die Verwaltung der den Standesherrn zustehenden Civil-Gerichtsbarkeit in erster und unterster Instanz, sowohl der willkührlichen als der streitigen, geschieht, soviel die amtssäßigen Sachen betrifft durch Justiz-Beamte, welche mit den Justiz-Beamten in Unseren Domainen-Aemtern vollkommen gleiche Zuständigkeit haben, allein auch wie diese, nur Uns und Unsern Staatsbehörden verantwortlich sind.
Die Vereinigung der willkührlichen und streitigen Gerichtsbarkeit in der Person desselben Beamten hört auf, wenn die von Uns beschlossene anderweite Justiz-Verfassung zur Ausführung gebracht wird.
Den Standesherrn selbst steht in die Amtsführung dieser Justiz-Beamten so wie der Justiz-Canzleien keine Einwirkung zu. Indessen können sie sich von denselben über die Anzahl und Dauer der anhängig gewordenen und erledigten Prozesse, über den Zustand des Hypotheken- und Vormundschaftswesens so wie über den Stand der gerichtlichen Depositen, allgemeine Uebersichten vorlegen lassen.

§. 26.

Die standesherrlichen Justizbeamten üben in erster Instanz innerhalb ihres Amtsbezirks und unter der Benennung „Großherzoglich Hessisches Fürstlich, Gräflich- z. B. Solmsisches Amt“ auch die Forstgerichtsbarkeit aus. Die in §. 92. Unserer organischen Forst-Ordnung von der Entscheidung der Justizämter eximirten und Unserem Oberforstcolleg zur Entscheidung in erster Instanz zugewiesenen Fälle, sollen künftig ebenfalls von den standesherrlichen Justiz-Aemtern, vorbehaltlich des Recurses an Unser Oberforstcolleg, entschieden werden.
In dem Fall aber, welcher nach dem angeführten §. 92. Unserer organischen Forst-Ordnung zur Entscheidung Unserer Hofgerichte vorbehalten ist, und in dem Fall des Nr. 4. dieses §. sollen künftig innerhalb der Standesherrschaften die standesherrlichen Justiz-Canzleien in erster Instanz, mit Vorbehalt der Rechtsmittel an die höhere richterliche Behörde, zu entscheiden haben.
Bei den gewöhnlichen periodischen Forst-Buß-Sätzen, sowie überhaupt bei den Verhandlungen über Untersuchung und Bestrafung der Forstfrevel, richtet sich das Verfahren [137] des Justiz-Beamten nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Standesherrliche Forstbeamte können, wie bisher die Unsrigen, diesen Gerichts-Sitzungen nur in der Eigenschaft als Denuncianten oder als Sachverständige, um etwa in technischer Hinsicht ihr Gutachten abzugeben, keineswegs aber als Mitrichter beiwohnen. Der Justiz-Beamte entscheidet unabhängig und unter eigener Verantwortlichkeit.
Hinsichtlich der Berufung von Erkenntnissen der standesherrlichen Forstgerichte an Unser Ober-Forst-Colleg, als oberste Behörde in Forst-Straf-Sachen, soll es wie in Unseren Domainen-Aemtern gehalten werden.

§. 27.

Die Ausübung der Gerichtsbarkeit über amtssäßige in zweiter Instanz, und in erster Instanz über schriftsäßige Personen, sowie der Criminal-Gerichtsbarkeit, steht in den Standesherrschaften den standesherrlichen Justiz-Canzleyen in demselben Umfange zu, wie solche Unseren Hofgerichten in Unsern übrigen Landestheilen übertragen ist.
Die Justiz-Canzleyen müssen förmlich constituirte, aus gesetzmäßig für fähig erkannten, an dem Sitz der Justiz-Canzleyen ihre beständige Wohnung habenden Mitgliedern, und den nöthigen Subalternen zusammengesetzte Collegien bilden, und sich in ihren Ausfertigungen der Benennung "Großherzoglich Hessische, Fürstlich (Gräflich) z. B. Solmsische Justiz-Canzley" bedienen.
Wir bestätigen die, unter Unserer Genehmigung bereits erfolgten Vereinigungen verschiedener standesherrlicher Häuser zu Errichtung gemeinschaftlicher Justitz-Canzleyen, deren Wirkungskreiß jedoch, ohne Unsere besondere Zustimmung weder eingeschränkt noch erweitert werden darf, und bestimmen hiermit, daß jede Justiz-Canzley wenigstens aus einem Director und entweder drei Räthen, oder zwei Räthen und einem Assessor bestehen soll, wobey Wir Uns vorbehalten, bei denjenigen Justiz-Canzleyen, wo nach dem Ermessen Unseres Oberappellations-Gerichtes die Geschäfte mit dieser geringsten Anzahl von Richtern nicht ordnungsmäßig erledigt werden können, die Anstellung eines größeren Personals besonders anzuordnen.

§. 28.

Eine solche standesherrliche Justizcanzlei soll von Unseren Staatsbehörden in dem Geschäftsgang nach allen Beziehungen ebenso behandelt werden, wie Unsere Hofgerichte, und mit denselben gleiche Zuständigkeit und gleichen Geschäftskreis haben.
Von dieser Regel finden nur folgende Ausnahmen statt:
a)
in den gesetzlich bestimmten Fällen, wo gegen ein Urtheil der Justizcanzlei das Rechtmittel der Revision eingewendet wird, haben die Justiz-Canzleien zwar auch in der [138] Revisions-Instanz das Verfahren zu leiten; wenn sie aber nicht so viele Mitglieder zählen, um die Revision durch drei, bei dem vorigen Urtheil nicht mitgewirkt habende Räthe besorgen lassen zu können, so haben sie die geschlossenen Verhandlungen, nach Art und Weise einer Acten-Versendung, an das Hofgericht der Provinz mittelst Communication abzugeben, welches alsdann, wenn es nicht vorher sich veranlaßt findet, das Verfahren bei sich zu vervollständigen, das Erkenntniß zu fällen, und solches nebst den Acten, ebenfalls im Wege der Communikation, der Justiz-Canzley zur Eröffnung und Vollstreckung zuzusenden hat.
Beschwerden über Verzögerung des Revisions-Verfahrens bei den Justiz-Canleyen, oder über Verweigerung der Revision, sollen nur bei Unserem Oberappellations-Gericht angebracht werden können, und die Justiz-Canzleyen in Revisions-Sachen den Hofgerichten nicht untergeordnet seyn.
b)
Die Mitglieder der Justiz-Canzleyen selbst, stehen vor der Hand in den, sie persönlich betreffenden streitigen Rechts-Sachen, in erster Instanz unter dem Hofgericht der Provinz.
c)
In Hinsicht der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Pupillenwesens[WS 5], bleibt es, bis zu der bevorstehenden neuen Gesetzgebung, bei den bisherigen Einrichtungen.

§. 29.

Die Criminal-Gerichtsbarkeit ist von den standesherrlichen Justiz-Canzleyen und Justiz-Aemtern nach Unseren jetzigen und künftigen Gesetzen und Verordnungen auf eben die Weise und in eben dem Umfange zu verwalten, wie solche von Unseren Hofgerichten und Justiz-Aemtern in den übrigen Theilen des Staatsgebiets verwaltet werden wird.
Das Begnadigungs- und Strafverwandlungs-Recht in peinlichen Fällen steht Uns allein zu. Die Standesherrn haben alle in Criminal-Fällen angesetzte Geldstrafen zu beziehen.
Hinsichtlich der Criminal-Kosten bleibt es, bis zu etwaiger allgemeiner anderweiten Anordnung hierüber, bei den bisherigen Einrichtungen.

§. 30.

In allen den Fällen, in welchen Unsere Justiz-Beamten in den Domainen-Aemtern die competenten Richter in fiscalischen Sachen sind, wollen Wir auch in den Standesherrschaften die standesherrlichen Justiz-Aemter als zuständig erkennen.
Ebenso ist den standesherrlichen Justiz-Canzleyen die Entscheidung der fiscalischen Sachen in den Standesherrschaften in gleicher Art, wie Unseren Hofgerichten in Unseren übrigen Landestheilen überlassen.

[139]

§. 31.

Die Ernennung der Justiz-Canzley-Directoren, Räthe und Assessoren, sowie der Justiz-Beamten, verbleibt den Standesherrn unter Vorbehalt Unserer Bestätigung.
Zu diesen Stellen können in der Regel nur Inländer angestellt werden, welche nach den bestehenden Landesgesetzen von den betreffenden Behörden geprüft und zu dergleichen Stellen für fähig erkannt worden sind.
Denjenigen Standesherrn, deren Besitzungen mehreren Souverains untergeordnet sind, soll jedoch unbenommen seyn, solche ihrer Diener, welche ihnen in den auswärtigen Bestandtheilen ihrer Standesherrschaften wenigstens schon fünf Jahre lang gedient, und ihre Qualification Uns hinreichend nachgewiesen haben, in Unser Staatsgebiet zu versetzen.

§. 32.

Die Subalternen bei den standesherrlichen Justiz-Canzleyen und Justiz-Aemtern, sowie solche Justiz-Canzley-Advokaten oder Procuratoren, deren Praxis auf den Umfang des standesherrlichen Gerichtssprengels beschränkt ist, werden von den Standesherrn ernannt, ohne daß eine Bestätigung derselben erforderlich wäre. Allein auch in Ansehung dieser Diener sind glaubhafte Bescheinigungen ihrer Qualification jedesmal gleichzeitig mit ihrer Einweisung zu den Acten zu bringen, und an Unser geheimes Staats-Ministerium nebst einer Abschrift der Anstellungsdecrete einzusenden, oder nach Befinden um Anordnung der gesetzlichen Prüfung nachzusuchen.
Hinsichtlich der Justiz-Canzlei-Räthe, Assessoren, Justiz-Beamten und Advokaten sind Unsere Hofgerichte, hinsichtlich der Subalternen aber die Justiz-Canzleyen selbst diejenigen Behörden, welche in Gemeinschaft mit Unsern Regierungen, die, nach Unseren Gesetzen, dem Facultäts-Examen folgenden Prüfungen vorzunehmen haben.

§. 33.

Die Justiz-Canzley-Räthe, Assessoren und Justiz-Beamten in den Standesherrschaften, sind, sowie auch alle Subalternen, durch den Director der Justiz-Canzley, Uns, als dem Souverain, zu verpflichten, und die, über solche Handlungen aufgenommene Protokolle sind an Unser Staats-Ministerium einzusenden. Die Verpflichtung des Directors der Justiz-Canzley geschieht durch Unser Staats-Ministerium.
Den Standesherrn bleibt verstattet, sich von sämmtlichem, hier bemerkten Dienstpersonale, ebenfalls den Diensteid leisten zu lassen.

[140]

§. 34.

Die Entlassung der standesherrlichen Justiz-Beamten jeden Grades, kann, wenn nicht um dieselbe besonders nachgesucht wird, nur in denselben Formen, wie bei Unseren übrigen Staats-Beamten geschehen, und muß jedesmal Uns sofort angezeigt werden.

§. 35.

In Ansehung der Appellationen und der Gerichtsbarkeit Unseres Oberappellations-Gerichts in höchster Instanz bleibt es bei den bisherigen Bestimmungen.

§. 36.

Die Inspection und Direktion des ganzen Justizwesens gehört in eben dem Maase, wie in Unseren übrigen Landen, in den Geschäftskreis Unseres Staats-Ministeriums. :Wenn diese Behörde Visitationen der standesherrlichen Justiz-Canzleyen nothwendig findet; so soll Unser Oberappellations-Gerichz solche durch eine Commission aus seiner Mitte vornehmen zu lassen beauftragt werden. Die ernannte Commission hat alsdann die Visitations Acten, wenn solche geschlossen sind, den Standesherrn mitzutheilen, und sie zur Abgabe ihrer etwa nöthig findenden Erklärung aufzufordern, worauf solche sofort an Uns zu Entschließung eingesendet werden sollen.
Die Visitationen der standesherrlichen Justiz-Aemter sollen der Regel nach durch die Justiz-Canzleyen vorgenommen werden. Wir behalten Uns jedoch vor, solche Visitationen nach Befinden auch außerordentlicher Weise durch Commissionen aus anderen Staatsdienern anzuordnen, in welchem Falle aber dem betreffenden Standesherrn nicht nur die Beweggründe zu einer solchen außerordentlichen Visitation mitgetheilt, sondern auch die Visitations-Acten, wenn solche geschlossen sind, zur Einsicht und allenfallsigen Erklärung vorgelegt werden sollen.

E. Standesherrliche Polizey-Verwaltung.

§. 37.

Die Polizey-Gewalt im Allgemeinen und die Ausübung der obern Polizey und der polizeylichen Oberaufsicht insbesondere, steht auch in den Standesherrschaften, Uns, als dem Souverain, zu. Den Standesherrn verbleibt nach Art. XIV. Nro. 4. der deutschen Bundes-Acte die Ansübung der Local-Potizey durch ihre Beamten.
Wir wollen den landesherrlichen Polizey-Beamten nicht nur denselben Wirkungskreis einräumen, welchen Unsere Polizey-Beamten in Unseren Domainen-Aemtern zu respiciren haben, sondern auch die Stellen Unserer Hoheits-Regierungs-Beamten, einschließlich [141] der Hoheits-Schultheisen aufheben, und bestimmen, damit diese Maasregel ausführbar werde folgendes:

§. 38.

Die standesherrlichen Polizey-Beamten sind an alle Unseren landesgesetzlichen Vorschriften gebunden, und für deren Befolgung Uns und Unseren Staatsbehörden verantwortlich.
Die Standesherrn können sie schriftlich an die Erfüllung ihrer Amtspflichten und an die Befolgung vorhandener landesgesetzlicher Vorschriften erinnern, auch von denselben allgemeine Uebersichten über die Resultate ihrer Amtsführung einfordern, nicht aber in diese ihre Amtsführung selbst einwirken und denselben in andern, als den nachbemerkten Fällen, Befehle oder Instructionen ertheilen.
Nachfolgende Geschäftsgegenstände werden nemlich zur eigenen Entschließung der Standesherrn vorbehalten, und es haben die Potizey-Beamten hierüber an die Standesherrn zu berichten:
1.) Gesuche um Aufnahme in eine standesherrliche Gemeinde nach den im §. 45. enthaltenen Bestimmungen.
2.) Gesuche um Aufnahme in eine Zunft.
3.) Gesuche um Gestattung einer Lokal-Gewerbs-Concession.
4.) Gesuche um Straferlaß oder Strafverwandlung, insofern den Standesherrn hiezu die Befugniß zusteht.
5.) Wiederbesetzung solcher Dienststellen, zu welchen der Standesherr zu ernennen und zu präsentiren hat; endlich
6.) überhaupt alle die Fälle, wo von Ausübung der, durch gegenwärtiges Edikt den Standesherrn selbst vorbehaltenen Rechte die Rede ist.
Gegen deßfallsige Entschließungen der Standesherrn – welche dieselben dem Polizey-Beamten durch ihre Domainen-Canzleyen oder durch Special-Commissarien zufertigen lassen können – findet der Recurs an Unsere Staatsbehörden statt. Unsere Regierungen und Hofkammern sollen jedoch diese Beschlüsse der Standesherrn nur alsdann abändern können, wenn solche einer vorhandenen, bestimmten gesetzlichen Vorschrift zuwider sind. Ist dieses der Fall nicht, und waren diese, Unsere Mittel-Behörden, dennoch der Meinung, daß der standesherrliche Beschluß abgeändert werden müsse, so haben sie ihre Ansicht Unserem Staats-Ministerium vorzutragen, welches nach vorheriger nochmaliger Vernehmung des Standesherrn, alsdann über den Fall entscheiden wird.

[142]

In allen obenbemerkten Gegenständen, rücksichtlich welcher den Standesherrn eine Einwirkung und unmittelbarer Einfluß auf die Polizey-Verwaltung vorstehendermaßen eingeräumt ist, haben dieselben das Recht, ihre Polizey-Beamten zu Befolgung ihrer Befehle auch nötigenfalls durch Geldstrafen anzuhalten. Solche Strafen dürfen jedoch den Betrag von 5 – 10 fl. nicht übersteigen, und es bleibt den betreffenden Beamten der Recurs dagegen an Unsere Staatsbehörden vorbehalten.

§. 39.

Die, im vorstehenden §. bemerkten 6. Fälle ausgenommen, hat die Einwirkung Unserer Regierung und anderer höheren Staatsbehörden auf die Amtsführung der standesherrlichen Polizey-Beamten in allen den Beziehungen statt, in welchen diese Einwirkung auf Unsere Polizey-Beamten in den Domainen-Aemtern statt findet.
Sollten jedoch die Standesherrn sich veranlaßt finden, in Rücksicht auf örtliche Polizey-Anstalten oder zu treffende Einrichtungen, Unserem Staats-Ministerium Anträge oder Beschwerden vorzulegen, so soll diese Behörde entweder diesen Anträgen entsprechen, und die Standesherrn davon benachrichtigen, oder, wenn dieses nicht sollte geschehen können, ihnen die Gründe der Weigerung schriftlich mitteilen.

§. 40.

Noch zur Zeit und bis zur Ausführung der, in Folge der Bekanntmachung vom 1ten Dezember 1817 bevorstehenden neuen Einrichtung der künftigen Justiz-Verfassung, kann die Polizey in den Standesherrschaften von den Standesherrlichen Justiz-Beamten verwaltet werden.
Da, wo besondere Polizey-Beamten angestellt sind, finden, in Hinsicht ihrer Ernennung, Verpflichtung und Entlassung die nemlichen Bestimmungen Anwendung, welche oben, in Beziehung auf Justiz-Beamte gegeben sind.
Alle unteren Polizey-Bedienten bei den Aemtern, haben die Standesherrn zu ernennen, und die Ernennungen Unseren Regierungen blos durch die Beamten anzeigen zu lassen.

§ 41.

Da die bereits vorläufig von Uns angeordnete Trennung der Justiz von der Polizei-Verwaltung, die Bildung und Einrichtung größerer Amtsbezirke nothwendig macht, und dabei die örtlichen Verhältnisse besondere Berücksichtigung erheischen: So werden Wir zwar, – wenn gleich eine solche Eintheilung des ganzen Staatsgebiets zur Erleichterung und Vereinfachung der Staatsverwaltung, lediglich Unserem Gutfinden unterliegt und unterliegen bleiben muß, hierüber mit Unsern Standesherrn noch vor der Ausführung [143]
dieser Maaßregel nähere Rücksprache nehmen lassen; bestimmen jedoch, um Unsere Absicht, durch solche Landes-Einrichtungen Unsern Standesherrn die Mittel zu Ausübung der ihnen verbleibenden Rechte und Befugnisse, soweit nur immer die höhere Rücksicht auf das Ganze solches zuläßt, eher zu erleichtern als zu erschweren, voraus Folgendes:
1.)
Wo ein Landraths- oder Landgerichtsbezirk ganz aus standesherrlichen Besitzungen gebildet wird, da verbleibt auch, mit Vorbehalt Unserer Bestätigung die Ernennung des Landraths, des Landrichters und der Landschreiber dem oder den Standesherrn, aus deren Besitzungen ein solcher Landrathsbezirk gebildet ist, und haben diese Landräthe und Landrichter mit allen übrigen Landräthen und Landrichtern gleichen Geschäftskreis, wie solches in den Bestimmungen dieses Edicts hinsichtlich der Justiz-und Polizeibeamten bereits näher ausgesprochen ist.
Finden es Unsere Standesherrn angemessener, aus einem solchen, ihre Besitzungen umfassenden Landrathsbezirk mehrere Landgerichte zu bilden, und sonach mehrere Landrichter aufzustellen, oder beizubehalten, so kann dieß – jedoch immer nur unter der Bedingung geschehen, daß die Verwaltung der Justiz von der der Polizei getrennt, und somit nicht beide Verwaltungszweige demselben Beamten übertragen werden. Auch muß es alsdann hinsichtlich der Besoldung dieser Beamten nach den Bestimmungen dieses Edicts gehalten werden.
2.)
Da wo ein Landrathsbezirk zu ungefähr gleichen Theilen aus standesherrlichen Besitzungen und Domanial-Aemtern besteht, werden wir den Standesherrn bewilligen, bei der Ernennung des Landraths, vorbehaltlich der Bestätigung, mit Uns abzuwechseln, wenn sie nicht vorziehen, zur Ausübung der ihnen verbleibenden Local-Polizei, eigene Local-Polizei-Beamte zu ernennen. Die Ernennung zu den Landrichter- und Landschreiberstellen für die in diesem Fall dem Landrathsbezirk zugeteilten standesherrlichen Besitzungen verbleibt den Standesherrn.
3.
Sowohl in dem Nro. 2. bemerkten Fall, als wie dann, wenn nur einzelne standesherrliche Orte in dem Landrathsbezirk gelegen sind, oder überhaupt der Landrathsbezirk nur zum geringeren Theil aus standesherrlichen Besitzungen besteht, steht es Unseren Standesherrn frei, die Verwaltung der ihnen verbleibenden Gerichtsbarkeit und Polizei, dem, von Uns bestellten Landrichter und Landrath zu übertragen, und sollen in einem solchen Falle diese Beamten zu dem Standesherrn, nach Inhalt dieses Edicts, ganz in dasselbe Dienstverhältniß treten, und dieselben eidlichen Dienstverpflichtungen auf sich nehmen, auch derselben Aus- und Unterfertigungsformel bei Besorgung standesherrlicher Geschäftsgegenstände sich bedienen, wie, wenn sie von ihm eigends bestellt wären.

[144]

Ein Gleiches behalten wir Uns im entgegengesetzten Falle vor.
Sollten jedoch Unsere Standesherrn in diesem, sowie in dem sub Nro. 2. bemerkten Falle eigene Local-Polizei-Beamten aufzustellen vorziehen, so soll ihnen auch dieses unbenommen seyn.
Diese Local-Polizei-Beamten werden alsdann in den Fällen, welche §. 38. dieses Edicts zur eigenen Entschließung der Standesherrn vorbehalten sind, in demselben Verhältniß zu dem Standesherrn verbleiben, welches dieses Edict festsetzt.
In Ansehung aller übrigen Geschäfte aber, soll der Umfang ihres Wirkungskreises und ihr Verhältniß zu dem Landrath, alsdann mit steter Rücksicht auf die, den Standesherrn, nach den Bestimmungen dieses Edicts, verbleibenden Rechte noch genauer bestimmt werden.

§. 42.

Die standesherrlichen Polizeibeamten können in Polizeisachen bei Legalstrafen[WS 6] auf die, durch das Gesetz bestimmte Summe – bei arbiträren[WS 7] Strafen aber bis zu 15 fl. einschließlich, oder auf eine 14tägige Arreststrafe erkennen.
Bei arbiträren Strafen steht den Standesherrn die Strafverwandlung in der Maase zu, daß, wenn nicht von der erkannten Arreststrafe bessere Wirkung und belehrendes Beispiel zu erwarten ist, sie für einen Tag Einthürmung einen Gulden Geldstrafe und umgekehrt ansetzen können.
Auch können sie arbiträre Strafen bis zur Hälfte erlassen. Strafnachlässe bei Legalstrafen stehen ihnen aber nicht zu.
Bei Vollziehung von Arreststrafen gegen Personen, welche eine amtliche Function in Unserem Dienste zu besorgen haben, z. B. Chausséewärter, Acciser u. s. w., haben die standesherrlichen Polizeibeamten zuvor die Einwilligung derjenigen Unserer höheren Behörden einzuholen, unter welcher diese Diener stehen.

§. 43.

Die Vormundschaftspolizei über die Gemeinden, Localstiftungen und Zünfte verbleibt, so lange nicht etwa in Beziehung auf die Gemeindeverfassung eine allgemeine, mit dieser Berechtigung unverträgliche gesetzliche Bestimmung erfolgt, unter Vorbehalt der höheren Aufsicht und Leitung Unserer Behörden, den standesherrlichen Aemtern, welche hierin gleiche Amtsbefugniß mit den Beamten in den Domanialämtern haben sollen. Den Standesherrn steht die Befugniß zu, die Ortsschultheißen und übrigen Ortsvorgesetzte [145] zu ernennen, oder bei städtischen Vorstandsbestellungen, wenn der Vorschlag dazu nach dem Herkommen von den Magistraten geschieht, die Bestätigung zu ertheilen. Von diesen Ernennungen oder Bestätigungen haben sie jedesmal Unseren Regierungen Anzeige zu thun, welche, insofern sie bei den gewählten Personen erhebliche Anstände finden sollten, deßfalls an Unser Staatsministerium zu berichten haben.
Ueberzeugt sich diese Unsere höchste Staatsbehörde davon, daß die getroffene Wahl nicht geeignet sey, so hat sie den Standesherrn zu Ernennung eines andern Subjects aufzufordern, und der Standesherr ist alsdann dieser Aufforderung zu entsprechen verbunden.

§. 44.

Hinsichtlich der Ernennung zu den Stellen der dermalen bestehenden Physicats- und andern Local-Sanitäts-Beamten, bleibt es bei dem § 5. des Nachtrags zu Unserer Declaration vom 1ten August 1807. Sollten Wir Uns veranlaßt finden, die Anstellung mehrerer Amts-Aerzte, Amts-Wund-Aerzte oder Thierärzte anzuordnen, so steht ihre Ernennung nur alsdann den Standesherrn zu, wenn sie die Besoldung derselben übernehmen, oder solche aus öffentlichen Stiftungs-Gütern entnommen wird, welche unter der Disposition der Standesherrn stehen. Jedenfalls können die Standesherrn zu den bemerkten Local-Sanitäts-Beamten-Stellen nur solche Subjecte ernennen, welche von Unseren Behörden auf gesetzliche Weise geprüft und für fähig erklärt worden sind; auch haben sie desfalls Unsere Bestätigung einzuholen.

§. 45.

Die Standesherrn haben unter Beobachtung Unserer Landesgesetze das Recht, eingeborne Unterthanen in die Gemeinden ihrer Standesherrschaften aufzunehmen, oder deren Aufnahme zu verweigern; beides unter Vorbehalt des an Unsere höhere Behörden zu nehmenden Recurses. Ebenso können die Standesherrn, jedoch unter ihrer Verantwortlichkeit, fremden Personen auf höchstens ein Jahr, und ohne weitere Verlängerung, temporären Aufenthalt gestatten, und Unterthanen, welche in einen andern Theil Unserer Lande überziehen wollen, aus dem Gemeinde-Verband entlassen. Die Aufnahme von Ausländern in standesherrliche Gemeinden, sowie die Aufnahme von fremden Juden, können die Standesherrn bewilligen, jedoch unter dem Vorbehalt, daß die Aufzunehmenden zuvor bei Unseren Staats-Behörden das Staats-Indigenat[WS 8] erhalten. Die Entlassung von Gemeinde-Gliedern in's Ausland können die Standesherrn nur alsdann bewilligen, wenn der auswandern Wollende die Entlassung aus dem Unterthanen-Verband bei Unseren Behörden ausgewirkt hat.

[146]

Einheimische Juden können die Standesherrn, wenn die gesetzlichen Erfordernisse vorhanden sind, nur alsdann recipiren[WS 9], wenn
a.)
entweder durch diese Aufnahme die Anzahl der, in einem Ort wohnenden jüdischen Familien nicht vermehrt wird, und z. B. der Sohn an die Stelle des Vaters tritt, oder:
b.)
wenn der aufzunehmende Jude nicht vom Handel, sondern von einem andern bürgerlichen Gewerbe leben will, und sich zur Aufnahme in die Bürgerschaft eignet.

§. 46

Die Standesherrn haben das Recht, unter Voraussetzung der gesetzlichen Erfordernisse, in schon bestehende Zünfte aufzunehmen, und die nach Unseren gesetzlichen Bestimmungen noch erforderlichen Concessionen zu Betreibung von Local-Gewerben zu ertheilen, oder zu verweigern, beides unter Vorbehalt des Recurses an Unsere Staats-Behörden. Von jeder Aufnahme in eine Zunft und von jeder ertheilten Gewerbs-Concession haben die Standesherrn Unsere betreffende Behörde durch die Beamten benachrichtigen zu lassen.
Die bei solchen Gelegenheiten etwa zur Sprache kommenden Dispensationen von leserlichen Vorschriften, sind bei Unseren Staats-Behörden nachzusuchen.

§. 47.

Den Standesherrn überlassen Wir ferner das Recht der unbeschränkten freien Benutzung und Bewirtschaftung ihrer eigenthümlichen Waldungen mach den Bestimmungen Unsrer Verordnung vom 3ten August 1819.
Ausrodung von standesherrlichen Wäldern, mit Ausnahme für sich bestehender Walddistrikte von höchstens 10 Morgen, und Benützung des Waldbodens zu anderen Zwecken, kann nur nach vorher eingeholter Genehmigung Unserer Staats-Forst-Behörde erfolgen.

§. 48.

Hinsichtlich der Forst- und Jagd-Polizei in den, innerhalb der Standesherrschaften liegenden Waldungen von Gemeinden und Corporationen verordnen Wir Folgendes:
a.)
Alle Functionen, welche nach Unserer organischen Forstordnung vom Jahr 1811 §. 28. Unseren Oberförstern oder Forstinspectoren zugewiesen sind, sollen in den [147] bemerkten Waldungen durch einen, von dem Standesherrn zu ernennenden Forst-Beamten, welcher den Titel – Forstmeister – führen kann, ausgeübt werden.
b.)
Dieser Beamte wird von Unserer Staats-Forst-Behörde und zwar, wenn er nicht bereits längere Zeit in gleicher Dienstfunction gestanden hat, nach vorgängigem Beweis seiner Befähigung, auf diese seine Function verpflichtet, erhält von derselben seine allgemeine Dienst-Instruction, und ist derselben für seine Amtshandlungen, als Forst-Polizei-Beamte, in den erwähnten Gemeinde- und Stifts-Waldungen verantwortlich.
c)
Diese standesherrlichen Forst-Polizey-Beamten stehen zu den Standesherrn im Allgemeinen in demselben Verhältniß wie nach §. 38. alle übrigen Polizey-Beamten. Den Standesherrn steht daher das Recht zu, sich ebenfalls von dem Forst-Polizey-Beamten die Erfüllung der ihm übertragenen Amtspflichten durch einen Diensteid versprechen, auch sich von ihm über seine amtliche Wirksamkeit allgemeine Uebersichten vorlegen zu lassen; denselben an die Befolgung dieser seiner Amtspflicht zu erinnern, und ihn wo nöthig zu deren Erfüllung, wie die übrigen Polizey-Beamten, nach dem Inhalt des §. 38. durch Geldstrafe anzuhalten; nicht aber können sie sich in einzelnen Fällen in seine Amtsführung durch abändernde Befehle oder Weisungen einmischen.
d)
Die Standesherrn können zwar diesem Forst-Polizey-Beamten gleichzeitig die Administration eigentümlicher Waldungen übertragen, er kann aber in solchem Falle, ohne Beobachtung aller gesetzlichen Formen, weder in der einen noch der andern Qualität suspendirt oder vom Amte entfernt werden.
e)
Die Besoldung dieses Forst-Polizey-Beamten liegt ausschließend den Standesherrn ob; Er soll jedoch von den Gemeinden und Corporationen die nemlichen Diäten und Gebühren zu beziehen haben, welche Unseren Forst-Inspectoren bewilliget sind, so lange hierüber keine allgemeine gesetzliche Abänderung erfolgt.
f)
Die Anstellung der Revierförster zu Ausübung der Polizey in den, innerhalb der Standesherrschaften gelegenen Gemeinde- und Corporations-Waldungen, aus den von Unseren Staats-Forstbehörden geprüften Subjecten, bleibt den Standesherrn überlassen. Sie haben jedoch von solchen Anstellungen die Anzeige bei Unserer Staats-Forst-Behörde zu machen, und die Qualifikation der angestellten Individuen , sowie deren Verpflichtung auf Unsere Forst-Polizey-Gesetze durch den Justiz-Beamten, nachweisen zu lassen. Sollte von den Standesherrn, in Bildung und Einteilung der Forst-Reviere, soweit solche [148] Gemeinde- und Corporations-Waldungen betreffen, Abänderungen getroffen werden wollen, so sind solche zuvor Unserer Staats-Forst-Behörde zur Beurtheilung und Genehmigung vorzulegen.
g)
Die Revierförster sollen künftig ausschließlich ausschließend von den Standesherrn besoldet, von den Gemeinden und Corporationen aber, nach Vorschrift Unserer Verordnung vom 3ten August 1819 bis zu anderweiter gesetzlicher Bestimmung die bisherigen Beiträge zu diesen Besoldungen alsdann geleistet werden, wenn der, von dem Standesherrn für die Gemeinde etc. Waldungen angestellte Revier-Förster, nicht auch zugleich in eigentümlichen standesherrlichen Waldungen amtliche Verrichtungen zu besorgen hat.
In letzterem Fall soll von den Gemeinden und Corporationen zu diesen Besoldungen nur soviel, und zwar in fixer Summe jährlich beigetragen werden, als dieselben vor der Vollziehung der Forst-Organisation von 1811 für die Ausübung der niederen Forst-Polizey in ihren Waldungen, an die Revier-Förster an Gebühren und Diäten im Durchschnitt jährlich entrichtet haben. Das Quantum dieser jährlichen Beiträge, soll in solchen Fällen, durch beiderseitige Commissarien genau eruirt werden.
h)
Auch in Beziehung auf die Wirksamkeit der standesherrlichen Revier-Förster ist es Regel, daß bei erfolgenden gesetzlichen Veränderungen, hinsichtlich der Forst-Polizey und Forst-Administration in den übrigen Bestandtheilen des Großherzogthums, das Verhältniß derselben gleichförmig verändert werden müsse. Die standesherrlichen Revier-Förster stehen in der gehörigen Unterordnung unter den standesherrlichen Forstmeistern, wie dieser in Beziehung auf die Forst-Polizey in Gemeinde- und Corporations-Waldungen unter Unserer staatsherrlichen Oberforst-Behörde, welche nach Gutfinden jährliche oder periodische Besichtigungen und Visitationen in diesen Waldungen anordnen und die nöthig findenden Vorschriften ertheilen kann.
i)
Diejenigen, in den Standesherrschaften dermalen befindlichen Forst-Inspectoren, welche ausschließend in Unserem Staats-Dienste stehen, sollen von Uns zu andern Diensten verwendet werden; diejenigen aber, welche zugleich im Dienste von Standesherrn sind, werden auch in Hinsicht ihrer, dermalen aus Unserer Staats-Casse zu beziehenden Besoldungen, von den Standesherrn übernommen.

[149]

k)
Sollte den Gemeinden und Corporationen, hinsichtlich der Bewirthschaftung ihrer Waldungen, durch allgemeine gesetzliche Bestimmungen eine größere als die bisherige Befugniß eingeräumt werden, so wird auch, wie sich von selbst versteht, die forstpolizeyliche Befugniß der standesherrlichen Forst-Beamten hiernach modificirt.

§. 49.

Das Jagd- und Fischerey-Recht verbleibt den Standesherrn überall, wo sie es bisher auszuüben hatten, vorbehaltlich des Uns hierüber zustehenden Gesetzgebungs-Rechts und der staatsherrlichen Oberaufsicht.

F. Standesherrliche Gerechtsame in Kirchen-Sachen.

§. 50.

Den Standesherrn Unseres Großherzogthums verbleibt die Aufsicht in Kirchen- und Schul-Sachen und über milde Stiftungen, jedoch nach Vorschrift Unserer Landes-Gesetze.
Auch sollen sie das, ihnen bereits früher zuständig gewesene und belassene allgemeine Präsentations-Recht bei Besetzung der, in ihren standesherrlichen Bezirken erledigt werdenden Pfarr- und Schulstellen, fernerhin ausüben, und die Verwalter von Kirchen-Kasten, Schulfonds und milden Stiftungen, nach Inhalt Unserer früheren Verordnung vom 20. Juni 1808 bestellen.

§. 51.

Zu Ausübung dieser Aufsicht in Kirchen- und Schulsachen, sowie über milde Stiftungen, haben die Standesherrn unter der Benennung – Großherzoglich Hessisches, z. B. Fürstlich und Gräflich Solmsisches Consistorium – eigene Behörden aufzustellen, welche wenigstens aus einem Director, einem geistlichen Rath – welche Stelle der jedesmalige geistliche Inspector des Bezirks, wo das Consistorium seinen Sitz hat, bekleidet – und einem weltlichen Rath bestehen sollen. Die weltlichen Mitglieder der Consistorien sind Uns zur Bestätigung zu präsentiren, und durch den Director des Consistoriums in Dienstpflichten zu nehmen. Der Director selbst wird durch Unseren Kirchen- und Schul-Rath verpflichtet.
In Erledigungsfällen einer geistlichen Inspectoratsstelle werden Wir die Vorschläge Unserer Standesherrn zu deren Wiederbesetzung jederzeit gerne vernehmen. [150]
Das erforderliche Canzleipersonal wird von den Standesherrn bestellt, die geschehene Bestellung aber, mit dem Nachweis über die Qualification Unserem Kirchen- und Schul-Rath durch das Consistorium angezeigt.
Es ist Unsere Intention, daß da, wo es die Verhältnisse zulassen oder nöthig machen, mehrere Standesherrn zusammen, ein gemeinschaftliches Consistorium errichten, und Wir behalten Uns überhaupt die näheren Vorschriften über die Bildung solcher gemeinschaftlichen Consistorien, nach Anhörung Unserer Standesherrn, bevor.

§. 52.

In den Geschäftskreis der Consistorien gehört:
a.) Die Anordnung der Pfarrverweser bei Erledigungsfällen von Pfarrstellen nach zuvor eingeholter Entschließung der Standesherrn.
b.) Die Erstattung der Anträge auf Wiederbesetzung erledigter Pfarr- und Schul-Stellen an Unsere Kirchenraths-Collegien, ebenfalls nach vorher eingeholter Entschliessung der Standesherrn.
c.) Die Aufsicht über das gesammte geistliche Bauwesen.
Bei neuem Bauwesen ist die Genehmigung Unseres Kirchen- und Schulraths einzuholen, und von Reparaturen, welche den Kostenbetrag von 50 fl. übersteigen, haben die Consistorien den Standesherrn berichtliche Anzeige zu thun.
d.) Die Aufsicht über Kirchen und Schulzucht und die Verfügung schriftlicher oder mündlicher Warnungen und Verweise gegen nachlässige oder ihre Amtspflicht vergessende Kirchen- und Schuldiener.
e.) Die unmittelbare Leitung und Aufsicht über die, dem Zweck und der Stiftung angemessene Verwaltung des Kirchen- Schul- und milden Stiftungsvermögens, sowie die Revision und Abhör der darüber aufgestellten Rechnungen, insofern letztere nicht dritten Personen zusteht.
f.) Von den in Unseren früheren Verordnungen und Instructionen den geistlichen Inspectoren überhaupt zugewiesenen Geschäften, verbleibt denselben in den Standesherrschaften zunächst:
1) Die Aufsicht über die Lehre, Amtsführung und das Privatleben der, in ihrem Bezirke angestellten Pfarrer und übrigen Kirchen- und Schuldiener, so wie über die Aufführung und das Predigen der noch nicht angestellten Candidaten der Theologie.

[151]

2) Die Vorstellung und Einführung der neubestellten oder von einem Kirchspiel in das andere versetzten Kirchen- und Schuldiener mit Zuziehung des einschlägigen Beamten.
3) Die ordentlichen und außerordentlichen Schulprüfungen und Visitationen.
4) Die Revision der Kirchenbücher, solange über die Führung derselben keine abändernde gesetzliche Verfügung erfolgt.
Alle übrigen, nach Unseren früheren Verordnungen einem geistlichen Inspector zugewiesenen Geschäfte, kommen dem Consistorium zu, an welches auch der Inspector, als geistliches Mitglied, seine Anzeigen und Anträge hinsichtlich der Amtsführung und des Privatlebens der Kirchen- und Schuldiener und der Candidaten zu solchen Stellen, sowie seine Relation und sein Gutachten über die Schulvisitationen, zu Behuf weiterer Collegialberathung und Berichtserstattung an Unseren Kirche- und Schulrath, zu bringen hat.

§. 53.

Alle diese Geschäfte haben die Consistorien unter der Aufsicht Unserer Kirchenraths-Collegien verfassungsmäßig auszuüben[WS 10]. Sie sind schuldig, die, von den Kirchenraths-Collegien erforderten, oder, nach obigem, an dieselben zu erstattenden Berichte pünctlich zu erstatten, die hierauf ihnen zugehenden Weisungen und Entschließungen genau zu vollziehen, und den Kirchenraths-Collegien alljährlich genaue Uebersichten über das Kirchen- Schul- und Stiftungsvermögen vorzulegen, auch, auf deren Weisung, die Rechnungen selbst zur Einsicht oder Oberrevision einzusenden. Für eine solche Oberrevision soll jedoch keinerlei Geschäftsgebühr oder Taxe gefordert werden.

§. 54.

Die Standesherrn sind nicht nur berechtigt, in den, oben ad a. und b. bemerkten Fällen, ihren Consistorien Berichte abzufordern und Befehle und Entschließungen zu ertheilen, sondern sie können sich auch von denselben über die geschehene Erfüllung ihrer gesammten Amtspflichten Berichte und Ausweise geben lassen und sie an die Erfüllung dieser ihrer Pflichten erinnern.

§. 55.

Hinsichtlich derjenigen milden Anstalten, welche von Unseren Standesherrn oder ihren Vorfahren selbst gestiftet worden sind, gestatten wir denselben, was die Verwendung der Einkünfte betrifft, in so lange freie, stiftungsmäßige Dispositionsbefugnis, als nicht eintretende Mißbräuche die Dazwischenkunft Unserer Landesbehörden erforderlich machen. Es dürfen also durch diese Verwendungen weder die Capitalfonds der Stiftungen angegriffen, noch andere [152] auf den Einkünften verfassungsmäßig ruhende Lasten und Ausgaben benachtheiligt werden.
Was aber die übrigen, unter oben bemerkte Categorie nicht gehörigen Stiftungen, sowie die Kirchen- und Schulfonds betrifft; so bleiben alle verfassungsmäßig dabei vorkommenden Gnadensachen, namentlich die Bewilligung von Besoldungszulagen, die Bewilligung von solchen Stipendien, deren Verleihung vor der Vereinigung mit dem Großherzogthum Unseren Standesherrn als Landesherrn, zugestanden hat, ,und alle sonstigen Unterstützungen an Geld und Naturalien, als Ausflüsse der höchsten Staatsgewalt, Uns vorbehalten.
Wir werden jedoch auf deßfallsige Verwendungen und Anträge Unserer Standesherrn jederzeit thunlichst Rücksicht nehmen.

§. 56.

Die gewöhnlichen Kirchenvisitationen werden, sowie in Unsern übrigen Landestheilen, von Unsern Kirchen- und Schulraths-Collegien angeordnet.
Zur Visitation der standesherrlichen Consistorien werden wir Commissionen ernennen, welche in gleicher Art wie die zur Visitation von Justiz- Canzleien bestimmten Commissionen zu verfahren haben, und die Standesherrn sind verbunden, die etwaigen Mängel in der Einrichtung der Consistorien, welche sich bei diesen Visitationen ergeben, abzustellen.

G. Standesherrliches Eigenthum und Einkünfte.

§. 57.

Den Standesherrn verbleiben außer ihren eigenthümlichen Gebäuden, Gütern, Waldungen, Mühlen, Höfen, Brauereien, Brennereien, Schäfereien, Activlehen[WS 11] und Erblehen, Bergwerken, Grundzinsen und Gülten[WS 12], Zehnden, Jagden und Fischereien, Waidgangs-Gerechtigkeiten, Flößereien, eigentümlichen Wirthschafts-Gerechtigkeiten und andern Gegenständen des Privat-Eigenthums, annoch folgende Einkünfte:
a.) die, an die Stelle der Leibeigenschafts-Gefälle tretenden bereits regulirten oder noch zu bestimmenden Reluitions-Gelder.
b.) die gesetzlichen Receptions-Taxen[WS 13] in den Fällen, in welchen ihnen die Receptionen zustehen.

[153]

c.) die jedesmal gesetzlichen Concessions-Gelder in den Fällen, wo die Standesherrn oder ihre Behörden die Concessionen zu ertheilen haben.
d.) die jedesmaligen gesetzlichen und herkömmlichen Zunftgelder, insoweit solche nicht die Natur von Gewerbssteuern haben.
e.) die von den standesherrlichen Justiz-Canzleien, Justiz- oder Polizei-Aemtern, Consistorien und Forstbehörden, vermöge ihrer jedesmal gesetzlichen Befugniß angesetzten Geldstrafen, jedoch mit Ausnahme der Strafen, welche zur Aufrechthaltung der Uns vorbehaltenen Rechte und Einkünfte, angesetzt worden sind.
f.) die, nach Unsern jedesmaligen landesgesetzlichen Bestimmungen für diejenigen Geschäfte, welche die standesherrlichen Justiz-Canzleien, Justiz- und Polizei-Aemter, Consistorien und Forstbehörden zu besorgen haben, zu entrichtenden Sporteln, oder die, dafür nach der Bekanntmachung vom 1ten December 1817. künftig gegeben werden sollende Entschädigungs-Summen, welche sie den Beamten zum unmittelbaren Bezug aus Unserer Staats-Casse in partem salarii anweisen können; – und endlich überhaupt alle Einkünfte und Nutzungen, welche mit dem, ihnen zukommenden Antheil an Ausübung der Justiz- und Polizei gesetzlich verbunden sind.
g.) die bisher in die standesherrlichen Cassen geflossenen Weg- und Brücken- Gelder von Vicinalwegen, unter der Verbindlichkeit, diese Einnahme ausschließend zur Unterhaltung der befragten Wege und Brücken zu verwenden, für welchen Zweck nur insofern Umlagen auf die Gemeinden von Unserer Regierung angeordnet werden können, als die Weg- und Brücken-Gelder nicht zureichen und als die Last der Unterhaltung den Standesherrn, gegen Bezug dieser Gelder nicht nach Herkommen oder Vertrag ausschließend obliegt.
h.) die, nach erfolgter Ausscheidung der Staatsfrohnden, ihnen von den Unterthanen zu leistenden gutsherrlichen Frohnden oder dafür bestimmte Frohnd-Gelder.
i.) die Nachsteuer[WS 14] vom dem Vermögen der auswandernden Unterthanen, insofern solche nach den bestehenden oder künftigen Gesetzen und Freizügigkeits-Verträgen noch statthaft ist und seyn wird.
k.)die jetzigen Concessions-Gelder für das Schornsteinfegen nach Verhältnis der in den Concessionen begriffenen standesherrlichen Bezirke.
Die innerhalb der Standesherrschaften von Unserem Fiscus bisher bezogenen Noval-Zehnden[WS 15] sollen künftighin zum Vortheil der Zehndpflichtigen nicht [154]
mehr bezogen werden. Dagegen soll aber auch von den Standesherrn kein Zehnden mehr von künftigen Neubrüchen gefordert werden können. Der hergebrachte Wald-Markzehnden soll jedoch unter dem Novalzehnden nicht begriffen seyn.

§. 58.

Hinsichtlich dieser standesherrlichen Einkünfte ertheilen Wir folgende nähere Bestimmungen.:
Wenn in verfassungsmäßigem Wege allgemeine gesetzliche Anordnungen erfolgen, durch welche die, in vorstehendem §. verzeichneten nutzbaren Rechte und Gefälle der Standesherrn, zu Staats-Zwecken in Anspruch genommen, vermindert, ganz oder theilweise abgelößt, oder der Form nach verwandelt werden, so soll dies nach der, in §. 23. dieses Unseres Edictes enthaltenen Zusicherung, nicht anders als gegen gleichzeitige, vollständige Entschädigung der Standesherrn geschehen können. Alle übrigen, in den andern Abschnitten dieses Edicts, den grundgesetzlichen Bestimmungen der deutschen Bundesacte gemäß, näher bezeichneten sowohl persönlichen als wie die Ausübung der Justiz und Polizei umfassenden standesherrlichen Berechtigung, sind aber unter diejenigen zu rechnen, welche, ohne Einwilligung der Standesherrn, denselben, nach besagtem §. 23., selbst gegen Entschädigung, nicht entzogen werden können.

§. 59.

Alle diejenigen Abgaben, Berechtigungen und Auflagen, innerhalb der Standesherrschaften, welche den rechtlichen Charaeter directer oder indirecter Steuern an sich tragen, sind Uns, als Landesherrn, zugefallen, und werden von Uns entweder fort erhoben, oder, insofern solche mit Unseren allgemeinen Steuergesetzen nicht verträglich sind, zur Gleichstellung der Unterthanen gänzlich aufgehoben.

§. 60.

Wenn Zweifel darüber entstehet: ob irgend ein Einkommen der Standesherrn von privatrechtlicher Natur und Folge einer gutsherrlichen Berechtigung sey, somit von Unseren Unterthanen neben ihren, den Staatscassen schuldigen directen und indirecten Steuern, an dieselben fortentrichtet werden müsse, oder, ob solches als eine, von den Unterthanen ihrem vormaligen Landesherrn geleistete Staatsabgabe anzusehen, und daher ohne die Standesherrn für ihren Verlust zu entschädigen, aufzuheben sey; so wollen Wir vorerst durch Unsere Staatsbehörden die Sache prüfen, und, mit Zuziehung der Standesherrn und der betheiligten Unterthanen eine gütliche Vermittlung versuchen lassen. Findet solche nicht statt, so soll für jeden einzelnen Fall dieser Art, zwischen den Standesherrn auf der einen, und den betheiligten Unterthanen auf der andern Seite, welchen letztern Wir nach Umständen Unsern Fiscal zur Assistenz beigeben lassen werden, vor der [155] competenten Gerichtsstelle ein rechtliches Verfahren eingeleitet, und, mit Vorbehalt der jedem Theile zustehenden Rechtsmittel, darüber entschieden werden.
Der Besitzstand der Standesherrn soll jedoch in solchen Fällen von Unseren Administrativ-Behörden nicht factisch gestört sondern auch hierüber nur von dem Richter entschieden werden.

§. 61.

Da in Unserer Verordnung vom 8. April 1819 mehrere Frohnddienste für Staats-Frohnden erklärt, und aufgehoben worden sind, welche Unsere Standesherrn als Grundherrn, und vermöge gutsherrlicher Berechtigung, bisher besessen zu haben behaupten, so soll dieses Verhältnis alsbald durch von Uns zu ernennende Commissarien, mit Zuziehung standesherrlicher Bevollmächtigter, näher untersucht, und für diejenigen Frohnden, welche sich nach ihrem bisherigen Forderungs- und Leistungsgrunde, als gutsherrliche Frohnden darstellen, eine billige Entschädigung festgesetzt, und aus allgemeinen Staatsmitteln den Standesherrn in Form einer jährlichen Rente geleistet werden. Einstweilen und bis dieses geschehen, soll es hinsichtlich der Herbeifuhr von Naturalbesoldungs-Gegenständen der Justiz- und Polizeibeamten, sowie der Mitglieder der Justizkanzleien in den Standesherrschaften, eben so gehalten werden, wie in Unseren übrigen Landestheilen.

§. 62.

Den Standesherrn verbleibt nicht nur das Eigenthum und das Einkommen der von ihnen bereits eröffneten Bergwerke, sondern auch das vorzugsweise Recht der Benutzung der, sich innerhalb ihrer Standesherrschaften künftig vorfindenden Mineralien und Fossilien, zu deren, nach bergrechtlichen Grundsätzen vorzunehmenden Bau und Aufsuchung sie keiner Concession von Uns bedürfen.
Da indessen dem Staate daran gelegen ist, daß Naturproducte dieser Art nicht unbenutzt bleiben, und eine desfallsige Concurrenz nicht ausgeschlossen werde, so kann die Ertheilung der Erlaubniß, nach Erz zu schürfen, die Concession zum Bergbau und zur Anlegung von Hütten- Schmelz- und Hammer-werken, von Unseren Staats-Behörden auch in den Standesherrschaften an Privat-Personen alsdann ertheilt werden, wenn die Standesherrn zuvor erklärt haben, daß sie den intendirten Bergbau nicht selbst übernehmen wollen.
Als ein factisch erklärtes Nichtwollen wird es angesehen, wenn der betreffende Standesherr, auf eine amtliche Benachrichtigung und Aufforderung Unserer Behörden, während dreier Monate nach dem Empfang dieser Aufforderung keine Erklärung giebt.

[156]

Erklärt sich der Standesherr dahin, daß er von der nachgesuchten Concession selbst Gebrauch machen wolle, so muß derselbe während der nächsten drei Jahre dieser Erklärung wirklich entsprechen, und wenn dieses nicht geschieht, so kann, nach Ablauf dieser Frist, die nachgesuchte Concession von Unsern Staats-Behörden jedem Dritten ertheilt werden.

H. Standesherrliche Steuer-Verpflichtung.

§. 63.

Die Standesherren haben von den, nach Unsern Gesetzen steuerbaren Objecten, welche sie besitzen, nach dem Verhältnis ihrer Steuer-Capitalien, alle und jede ordentliche und außerordentliche Steuern und Abgaben zu entrichten, welche zum Behuf der Staatsbedürfnisse für Unsere Staats-Cassen, oder zum Behuf von Landesanstalten und Provinzial-Bedürfnissen innerhalb der Provinzen nach dem Steuerfuße ausgeschrieben werden, und ihre bisherige Befreiung von den Beiträgen zu solchen Steuern, welche zu gewissen bestimmten Bedürfnissen der Provinzen erhoben worden sind, sowie von den Ober-Einnehmerei-Geldern, findet vom 1ten Juli 1819 an nicht mehr statt.

§. 64.

Um die, von mehreren Standesherrn Unseres Großherzogthums angebrachten Beschwerden über zu hohen Ansatz ihrer Steuer-Capitalien gründlich zu erledigen, und solche in ein gerechtes und billiges Ebenmaas mit den Steuer-Capitalien Unserer andern Unterthanen zu bringen, wollen Wir, auf Ansuchen derselben, für jede Standesherrschaft einen Commissarius ernennen, welcher die Steuer-Capitalien in Beisein und nach Anhörung eines standesherrlichem Beamten revidiren und, nach Vorschrift Unserer allgemeinen Steuergesetze, berichtigen soll.

§. 65.

An allen zum Behuf der Staats- und Provinzialbedürfnisse aufgebracht werdenden ordinären directen Steuern sollen in Folge der, den Standesherrn Unseres Großherzogthums hinsichtlich der direkten Steuern bisher bewilligten und durch die deutsche Bundes-Acte bestätigten Begünstigung, vom 1. Juli 1820 an, drei Achttheile des Betrags in Abzug gebracht, und nach diesem verminderten Maasstab, der standesherrliche Beitrag zu allen und jeden ordentlichen directen Steuern geleistet werden. Diese Verminderung beschränkt sich jedoch auf diejenigen steuerpflichtigen Objecte, welche die Standesherrn schon bei der Vereinigung mit dem Großherzogthum steuerfrei besessen haben, und dauert überhaupt [157] nur so lange fort, als das besteuerte Object sich im Eigenthum einer standesherrlichen Familie befindet.
Zu allen außerordentlichen Steuern, haben dagegen die Standesherrn nach dem vollen Betrag Ihrer Steuer-Capitalien beizutragen, jedoch ertheilen Wir denselben die Zusicherung, daß in Beziehung auf Sie, die Beiträge zu solchen Staats- und Provinzial-Bedürfnissen, welche bisher in ordinario aufgebracht worden sind, nicht als extraordinäre Steuerbeiträge angesehen werden sollen.

§. 66.

So lange bis nach §. 64. die Berichtigung der standesherrlichen Steuer-Capitalien, welche auf Ansuchen unverzüglich vorgenommen und binnen 6 Monaten erledigt werden soll, erfolgt ist, haben die Standesherrn die laufenden und rückständigen Steuern, nach dem bisherigen Ansatz fortzuentrichten. Nach erfolgter Berichtigung soll alsdann dem Standesherrn das, was auf den Grund des bisherigen Steuerkapitals etwa zuviel bezahlt worden ist, den gesetzlichen Bestimmungen gemäß, durch Abrechnung vergütet werden.

§. 67.

Die Standesherrn genießen die Zollbefreiung von allen zu ihren eigenen Hausbedürfnissen erforderlichen Consumtibilien, jedoch müssen sie sich den Verfügungen gemäß benehmen, welche zur Verhütung von Unterschleifen getroffen werden.
Auch sind sie für sich und ihre Familien von der Entrichtung der Chaussée-Gelder innerhalb ihrer Standesherrschaften befreit.
Zu allen Consumtions-Auflagen und andern indirecten Abgaben, haben sie, gleich jedem Andern, beizutragen.

§. 68.

Um die Beschwerden zu beseitigen, welche von den Standesherrn hinsichtlich ihrer Concurrenz zu den, nach dem Steuerfuße ausgeschrieben werdenden Beiträgen zu den Amts- und Gemeinde-Bedürfnissen und Schulden, vorgetragen worden sind, werden Wir bei der ersten Versammlung Unserer getreuen Landstände den Entwurf einer allgemeinen Verordnung zur Berathung vorlegen lassen, wodurch die Beitragspflicht der Forensen zu den Amts- und Gemeinde- Bedürfnissen für die Zukunft bestimmt werden soll.
Bis dahin soll bei solchen Amts- und Gemeinde-Umlagen provisorisch nach folgenden Grundsätzen verfahren werden:
1)
Zu eigentlichen Amts- und Gemeinde-Bedürfnissen, welche durch die speciellen gesellschaftlichen Zwecke der Gemeinden oder Aemter bedingt, oder zu Steuer-Abschlägen, welche durch solche veranlaßt worden sind, haben die Standesherrn nur insofern beizutragen, als sie an den Nutzungen des Gemeinde-Vermögens [158] betheiligt sind, oder von den öffentlichen Anlagen, welche durch den Steuer-Ausschlag bezweckt werden, Vortheile genießen.
2)
So oft ein Gemeinde-Kriegs-Kosten-Ausschlag innerhalb der Gemeinde von den Ortsvorständen berathen wird, soll ein standesherrlicher Bevollmächtigter zu diesen Berathungen beigezogen werden.
3)
Wenn zu Herstellung oder Verbesserung öffentlicher Wege oder Brücken innerhalb der Gemeinden Steuer-Ausschläge erfolgen, so soll vorerst das Weg- und Brücken-Geld, welches die Gemeinden seither etwa bezogen, und zu andern eigentlichen Gemeinde-Bedürfnissen verwendet haben, von denselben restituirt und nur das, was aus diesem Fonds nicht bestritten werden kann, zur Vertheilung gebracht werden.

§. 69.

Als Ehrenvorzug bewilligen Wir den Standesherrn die Befreiung von allen etwaigen Personal-Stenern.

I. Verhältniß der standesherrlichen Diener.

§. 70.

Die standesherrlichen Justiz-Canzlei-Directoren, Justiz-Canzlei-Räthe, Justiz-, Polizei- und Sanitäts-Beamten, sowie die Mitglieder der standesherrlichen Consistorien, die Forst-Polizei-Beamten für die standesherrlichen Gemeinde-Waldungen, und sämmtliche Subalternen haben mit Unsern Staats-Dienern, gleicher Categorie, gleichen Rang.
Sie müssen gegen Leistung der gesetzlichen Antritts-Gelder, Jahres-Beiträge und Sterbe-Quartale, Unseren Civil-Wittwen-Instituten beitreten, und ihre Wittwen und Kinder haben sodann aus dem Fonds der Wittwen-Casse dieselbe Unterstützung zu erwarten, wie Unsere Staats-Diener gleicher Classe.

§. 71.

Die Standesherrn sind verbunden, die Mitglieder der Justiz-Canzleien, sowie die Justiz- Sanitäts- und Polizei-Beamten und die Subalternen mit Unsern Staats-Dienern gleicher Categorien auch in den Besoldungen insoweit gleichzusehen, als nicht etwa die Verhältnisse der Orte, an welchen die Justiz-Canzleien ihren Sitz haben, einige Verminderung rechtfertigen.
Ebenso sind den, von den Standesherrn ernannten Mitgliedern der Consistorien, welche diese Function neben andern Dienst-Stellen bekleiden, nicht nur in dieser Eigenschaft angemessene Zulagen zu bewilligen, sondern auch, insofern sie nicht an dem Orte wohnen, wo die Sitzungen der Consistorien gehalten werden, die Reisekosten zu vergüten.
Naturalien, gesetzlicher Sporteln-Bezug, freie Wohnung und andere Dienst-Emolumente, können auf diese Besoldungen in Aufrechnung gebracht werden.

[159]

Die Mitglieder der Justiz-Canzleien, sowie die Justiz- und Polizei-Beamten können, wie sich von selbst versteht, von den Standesherrn durch Uebertragung von Geschäften, welche ausser ihrem, durch gegenwärtiges Edict bezeichneten amtlichen Wirkungskreise liegen, von der pünktlichen Erfüllung ihrer Amtspflichten nicht abgehalten werden.

§. 72.

Die Correspondenz zwischen Unsern andern Staats-Mittel-Behörden und den standesherrlichen Justiz-Canzleien wird in derselben Form geführt, wie die Korrespondenz jener Mittel-Behörden unter sich.
An die Justiz- und Polizei-Beamten bedienen sich die ihnen vorgesetzten Staatsbehörden der Rescriptsform, und diese Beamten haben sich ihrer Seits, sowie die Justiz-Canzleien, in allen Fällen nach denselben Formen zu achten, welche Unseren Behörden gleicher Categorie vorgeschrieben sind.

§. 73.

Die Standesherrn können zu Verwaltung ihrer Güter, Einkünfte und Waldungen, Rentmeister, Kammerräthe und Kammerdirectoren, Förster, Oberförster und Forstmeister ernennen, auch unter der Benennung – Rentkammer oder Domainen-Canzlei – collegialisch vereinigte Verwaltungs-Behörden bilden. Auch können sie die, an ihren Höfen bisher üblich gewesenen Hofwürden ertheilen. Wenn dieselben ihren Dienern höhere Titel verleihen wollen, so muß hiezu Unsere Genehmigung nachgesucht werden.

§. 74.

Die standesherrlichen Rentkammern oder Domainen-Canzleien haben sich in ihren Vorstellungen an Unsere Staats-Behörden der allgemein üblichen Curialien zu bedienen. Die Resolutionen sollen in der einfachen Form einer Signatur an die standesherrlichen Rentkammern erlassen werden.

K. Ausscheidung der Schulden, Diener und Pensionen.

§. 75.

Hinsichtlich der Ausscheidung der standesherrlichen Diener und Pensionen, verbleibt es bei den vorliegenden gesetzlichen Bestimmungen, und den, in Folge derselben bereits geschehenen Ausscheidungen. Die noch abzutheilenden standesherrlichen Kammerschulden sollen nach dem Verhältniß der, den Standesherrn verbleibenden, und der, Uns aus ihrem Kameral-Vermögen zufallenden Einkünfte, abgetheilt, somit die ordinären Steuern, welche die Standesherrn aus ihrem Kameral-Vermögen an Unsere Staatskassen entrichten, den standesherrlichen Einkünften abgeschrieben, und denjenigen Einkünften , auf welche die Schulden von Unsern Staats-Cassen zu übernehmen sind, zugerechnet werden.

[160]

Wenn bei bereits erledigten Schulden-Abtheilungen auf diese Grundsätze nicht Rücksicht genommen worden ist, so wollen Wir die betreffenden Standesherrn dafür auf andere Weise billig entschädigen, insofern nicht besondere Verhältnisse oder besondere Verträge dabei eintreten.

Lehns-Verband.

Hinsichtlich der standesherrlichen Aktiv- und Passiv-Lehen verbleibt es bei den Bestimmungen Unserer Declaration vom 1. August 1807.

Allgemeine Bestimmungen.

§ 77.

Unser gegenwärtiges Edict derogirt allen früheren von Uns erlassenen Verordnungen und Verfügungen über die standesherrlichen Verhältniße, insoweit solche mit dem Inhalt desselben nicht übereinstimmen. Alle übrige gesetzliche Bestimmungen, welche mit dem Inhalt dieses Edicts vereinbarlich sind, bleiben in ihrer gesetzlichen Kraft. Ebenso bleiben die besonderen Verträge in ihrer Gültigkeit, welche Wir mit einzelnen Standesherrn Unseres Großherzogthums hinsichtlich der Bestimmung ihrer Verhältniße zu dem Staat bereits abgeschlossen haben, oder noch abschließen werden.

§. 78.

Es soll daher dieses Edict einen integrirenden Bestandteil der Verfassung Unseres Großherzogthums bilden, und dessen Inhalt sowohl von Unseren sämmtlichen Landes-Collegien und übrigen Behörden, als wie von den Standesherrn selbst, und Unseren sämmtlichen Unterthanen genau befolgt werden.
Urkundlich Unsrer eigenhändigen Unterschrift und des beigedruckten Staats-Siegels.
Gegeben Darmstadt den 17. Februar 1820.
LUDEWIG.
von Grolman.


Indem das vorstehende Edict einstweilen zur allgemeinen Kenntniß gebracht wird, behält sich das Geheime Staats-Ministerium bevor, über die, spätestens am 1. Juni dieses Jahrs beginnende Anwendung desselben, in einer weiteren Bekanntmachung nach der Allerhöchsten Absicht zu verfügen.
Darmstadt den 27. März 1820.
Aus Allerhöchstem Auftrag.

Großherzoglich Hessisches Geheimes Staats-Ministerium.

von Grolman.  Jaup.  Hofmann.
Hoppé

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Eingangs- und Schlussfloskeln der Schreiben von Kanzleien, die Titel und Ehrenformeln enthalten.
  2. Recht auf Anwendung der Gesetze des Heimatstaates.
  3. in feierlicher
  4. Gesetzlicher Anspruch auf die Vormundschaft. Der Vormund hatte in gewissen Grenzen die Nutznießung des Mündelvermögens.
  5. Pupille = Minderjährige Person, oft Waise unter Vormundschaft.
  6. Legalstrafen = Strafen, der Maaß gesetzlich festgelegt ist.
  7. arbiträr = Nach Ermessen.
  8. Staats-Indigenat = Einbürgerung.
  9. recipiren = Als Bürger aufnehmen.
  10. Vorlage: anszuüben
  11. Lehen, das ein Lehensherr verleiht.
  12. Naturalabgaben und Kreditzinsen.
  13. Gebühr für die Einbürgerung.
  14. Abgabe bei Wegzug.
  15. Zehnt von durch Rodung neu entstandenem Ackerland.