Streifereien in Nord- und Südamerika/2

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Autor: Julius von Wickede
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Titel: Streifereien in Nord- und Südamerika/2
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 174–177
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[174]
Streifereien in Nord- und Südamerika.
Aus den Tagebüchern eines früheren schleswig-holsteinischen Hauptmanns.
Mitgetheilt von Julius v. Wickede.
II.
Schleswig-Holsteiner in Amerika. – Eine Katastrophe. – Die Geschichte eines deutschen Ehepaares. – Weiteres Unglück. – New-Orleans. – Eine Fahrt unter dänischer Flagge. – Das Cap Horn. – Ankunft in San Francisco. – Schnelle Execution an einem Mörder. – Der Hauptmann als Kärrner.

Bevor ich nach Californien ging, beschloß ich noch, die Vereinigten Staaten etwas zu durchreisen, und mich dann in New-Orleans einzuschiffen. Was ich auf dieser dreimonatlichen Reise in Nordamerika, bei der ich fast alle einzelnen Staaten berührte, sah und hörte, bestärkte mich auf’s Neue, nicht in denselben eine bleibende Stätte zu suchen. Geld konnte ich freilich daselbst verdienen [175] und meine Erfahrungen in New-York waren mir trefflich zu Statten gekommen. Aber die Zustände in den Sclavenstaaten hatten für mich zu viel des Ekelhaften, als daß ich mich hätte entschließen können, länger, als eben nöthig, dort zu verweilen. Ich komme vielleicht später auf dieses Thema zurück.

Bei diesen Kreuz- und Querfahrten traf ich übrigens noch manche Angehörige der schleswig-holsteinschen Armee. Einzelnen ging es äußerlich sehr gut, sie erwarben viel Geld; manchen so ziemlich erträglich, mehreren aber nur schlecht, so daß sie bei harter Arbeit nur eben die nothwendigsten Lebensbedürfnisse befriedigen konnten. Am besten waren stets alle die daran, die irgend ein Handwerk trieben, am schlechtesten aber die, welche nur eine theoretische Wissenschaft gelernt hatten. Einen unserer Artillerie-Officiere, der in Schleswig-Holstein sich gerade nicht durch sonderlich platonischen Lebenswandel ausgezeichnet hatte, traf ich in Boston als Lehrer der Naturwissenschaften in einem großen, berühmten Mädcheninstitut, und im Begriff, die Vorsteherin desselben, eine schon etwas ältliche Engländerin, die mehr Dollars wie körperliche Reize besaß, zu heirathen. Der dicke, lustige Hauptmann N., der stets ein so großes gastronomisches Talent bewiesen, war in New-Orleans Inhaber einer Delikatessenhandlung, und verdiente nach seiner eigenen Aussage viel Geld; eben so waren in letzterer Stadt einige unserer früheren Militairärzte sehr beschäftigt, während ein junger früherer Artillerie-Lieutenant als Matrose auf einem Paketboot nach England fuhr, mir aber selbst sagte, daß er Aussicht habe, es noch zum Steuermann, ja selbst bis zum Capitain zu bringen.

Auf einem dieser liederlichen amerikanischen Flußdampfer, die von Louisville nach New-Orleans auf dem Mississippi fahren, wäre ich übrigens beinahe mit in die Luft geflogen. Ich war mit meinem treuen Hansen noch nicht fünf Minuten vom Schiffe, als der überheizte Kessel sprang, und das Schiff in Trümmer zerriß. Ueber vierzig Personen verloren bei dieser Gelegenheit das Leben, noch mehr aber erhielten bedeutende Verletzungen, und das Ganze bot ein furchtbares Schauspiel dar, fast eben so schrecklich, wie das, welches uns im August des Unglücksjahres 1850 traf, als in Rendsburg das große Laboratorium in die Luft flog, das so viel Unheil anrichtete. Es kamen auf dem Mississippi bei dieser Explosion furchtbare Scenen vor, die ich für mein ganzes ferneres Leben niemals wieder vergessen werde.

Ich war die ganze Nacht, denn das Unglück geschah gerade in der Mitternachtsstunde, mit meinem Hansen und noch einigen Deutschen beim Retten mit beschäftigt, und wir haben gewiß einige Dutzende von Menschen aus den schmutzigen Wellen dieses mächtigen Stromes herausgezogen und dadurch gerettet. Manche hatten sich auf Baumstämme geflüchtet, die im Flusse herumschwammen, und mußten auf diesen schwankenden Sitzen, den halben Oberleib im Wasser, mehrere Stunden verharren, bis es uns gelang, sie Alle zu retten. Dabei kamen manche schauerliche Fälle vor, die recht deutlich zeigten, wie schwer das Schicksal einzelne Menschen prüft. So war auf dem Dampfer eine deutsche Familie gewesen, mit der ich mich auf der Fahrt von Louisville her vorzugsweise gern unterhalten hatte. Der Mann, eine jugendlich schöne, kräftige, ungemein anziehende Persönlichkeit, hatte sich im Jahre 1849 mehr aus Unbesonnenheit, wie aus planmäßiger Ueberlegung, an den Unruhen in Baden betheiligt, und war in Folge dessen flüchtig geworden. Seine Braut, eine der ansprechendsten Frauenerscheinungen, die ich jemals sah, hatte ihn im Unglück nicht verlassen wollen, und sich gegen den Willen ihrer Eltern in London mit ihm trauen lassen, und war dann dem Manne ihres Herzens über das Meer gefolgt. Obgleich das junge Ehepaar den höchsten Ständen angehörte, hatte es sich in Louisville ungemein kümmerlich durchschlagen müssen. Die junge, verwöhnte Frau hatte für Geld genähet und Putzsachen gemacht, der Mann war Zeitungsausträger, dann Lehrer in einer Volksschule und zuletzt Corrector in einer Zeitungsexpedition gewesen. Nur in ihrer gegenseitigen Liebe hatte das Ehepaar Glück und Trost in allem diesem Ungemach gefunden, und die Geburt eines Töchterleins hatte dann noch mehr dazu beigetragen, der Frau Alles, was sie im alten Vaterlande zurückgelassen, vergessen zu machen. Jetzt endlich schien das Glück ihnen zu lächeln. Der Mann hatte durch Verwendung einflußreicher Verwandten Amnestie und Erlaubniß zur Rückkehr in sein Vaterland erhalten, und auch sein Schwiegervater war endlich erweicht worden, hatte der Tochter verziehen und sich bereit erklärt, dem Ehepaare eines seiner Landgüter abzutreten, damit es daselbst in ländlicher Stille sich so recht seines eheliches Glückes erfreuen könne.

Der freudigsten Hoffnung voll, hatte sich dies schöne Paar mit uns in Louisville auf dem Dampfer eingeschifft, um von New-Orleans aus die Fahrt nach Deutschland anzutreten. Besonders die junge Frau, ihr Töchterlein, ein liebliches kleines Mädchen von zwei und ein halb Jahren, auf dem Schooße, war überglücklich, in ihr Vaterland zurückkehren zu dürfen, und daselbst an der Seite ihres Mannes, den sie über Alles liebte, ein ruhiges Leben führen zu können. Sie schwelgte förmlich in Hoffnungsplänen, und lud mich ein, später, wenn ich einmal wieder nach Deutschland zurückkehren sollte, sie auf ihrem Gute zu besuchen. Und alles dies Glück zerstörte nun die Explosion des Dampfkessels, lediglich durch die frevelhafte Ruchlosigkeit des Capitains, der eine Wette gemacht hatte, ich weiß nicht mehr, in wie viel Stunden nach New-Orleans zu fahren. Der Ehemann wurde, förmlich in Stücken zerrissen, an das Ufer geschleudert, und wir fanden seinen Kopf später an einem Baumaste; dem kleinen Kinde war ein Fuß abgerissen worden, es schrie die ganze Nacht furchtbar und starb am andern Morgen im Arme der Mutter, die mehrere Stunden auf einem im Flusse treibenden Baumstamme sich angeklammert hatte, bis es uns gelang, sie zu retten. Als sie am Morgen, beim anbrechenden Tageslicht, den abgerissenen Kopf ihres Gatten, den sie bis dahin noch immer wiederzufinden gehofft hatte, erblickte, wurde sie wahnsinnig, und wollte sich in den Mississippi stürzen, so daß sie gebunden und streng bewacht werden mußte. Sie verfiel in Tobsucht und starb einige Tage darauf an einem Gehirnschlage im Hospital zu New-Orleans.

Auch sonst kamen in dieser Schreckensnacht noch mehrere derartige Scenen vor, namentlich war das Geschrei der Kinder nach ihren Eltern und umgekehrt das Rufen der Eltern nach ihren Kindern entsetzlich. Die von dem heißen Wasser des zersprungenen Kessels förmlich abgebrühten Maschinenleute jammerten vor unerträglichem Schmerz, und einer derselben, ein junger Deutscher, dem das Eingeweide förmlich aus dem Leibe heraushing, zog mit letzter Kraft eine Pistole aus seiner Tasche und erschoß sich selbst. Diese ganze schaurige Scene ging dazu in einem dicken Urwald, der von beiden Seiten den mächtig rauschenden Strom umgab, vor sich und brennende Holzstöße, die wir angezündet hatten, um den Schauplatz des Unglücks besser sehen zu können, wie auch die aus dem Wrack des Schiffes herausschlagenden Flammen erhellten das Ganze.

Die Mannschaft eines amerikanischen Flachbootes aus dem fernen Westen, das grade unfern des Dampfers geankert hatte, echte, tüchtige Hinterwäldler, und dann 4–5 Deutsche, die auf einer Station zum Holzeinnehmen wohnten, bei der ich mich fünf Minuten zuvor hatte aussetzen lassen, um einen frühern schleswig-holsteinschen Officier in der Nähe zu besuchen, wurden nebst meinem Hansen und mir die Hauptretter der im Flusse herumschwimmenden und treibenden Passagiere. Ich möchte fast sagen, leider, retteten wir auch den schuftigen Capitain, der auf einem großen Baumstamme saß und sich mit echt nordamerikanischer Kaltblütigkeit schon wieder eine Cigarre angezündet hatte. Hätte ich gewußt, daß es der Capitain sei, ich wäre mit meinem Kahne vielleicht an dem Baumstamme vorbeigerudert, wenigstens hätte der Kerl bis zu allerletzt warten sollen, bevor an ihn die Reihe des Rettens gekommen. Das viele Unglück, was sein ruchloser Leichtsinn angestiftet hatte, schien diesen Menschen wenig zu betrüben, und er bedauerte besonders nur, daß auch die Kasse des Schiffs mit in den Mississippi gefallen sei.

In New-Orleans, was gegen New-York gehalten, eigentlich sehr ärmlich aussieht, dabei aber schon eine ungemein südliche Charakteristik zeigt, herrschte während meiner Anwesenheit gerade das gelbe Fieber in der größten Heftigkeit. Zu Hunderten starben die Menschen hin und es waren bisweilen kaum Kräfte genug vorhanden, um die vielen Leichen so schnell, wie es nöthig war, zu begraben. Besonders mehrere hundert arme deutsche Auswanderer – wenn ich nicht irre, aus Rheinhessen, die man hier ohne Weiteres an das Land gesetzt hatte, starben fast sämmtlich. Es waren die Armen einiger Gemeinden, die man auf öffentliche Kosten hieher befördert hatte. Ohne Geld, ohne der Sprache im Mindesten mächtig zu sein, halb verhungert und verkümmert und von Schmutz starrend, lagen diese Armen obdachlos auf einem [176] öffentlichen Platze am Flußufer und suchten ihr elendes Dasein durch Betteln noch um einige Tage zu fristen.

Ich blieb trotz des gelben Fiebers an sieben Wochen in New-Orleans und verdiente ziemlich viel Geld, indem ich bei einem großen Pferdehändler, dessen Stallmeister gestorben war, während dieser Zeit junge Pferde zuritt und zufuhr. Ich hätte immer hier bleiben können, aber nicht für einen Gehalt von monatlich 1000 Dollars wäre ich dazu bereit gewesen, so widerlich war mir der Ort und das ganze Getreibe, was in demselben herrscht. Ich bin überzeugt, es giebt in der ganzen Welt keine zweite Stadt von gleicher Größe, in der eine solche Menge von Schuften aller Art leben und eine so grenzenlose Immoralität herrscht wie gerade in New-Orleans. Die wilde Leidenschaftlichkeit der Südländer und die kalte berechnende Herzlosigkeit der Yankee’s vereinigen sich hier und geben ein Ganzes was nicht im Mindesten anlockend ist.

Ich war daher herzlich froh, daß ich endlich ein Fahrzeug fand, was direct nach San Francisco fuhr, und ließ gern meinen guten Verdienst bei dem Pferdehändler, einem wahren Gauner, der auch noch ein Spielhaus für junge Leute höherer Stände hielt, in Stich, und schiffte mich mit meinem Hansen ein. Das Fahrzeug, was uns trug, war ein dänisches und die dänischen Farben, die ich drei Jahre lang bekämpft hatte, flatterten jetzt über meinem Kopfe. Nur gezwungen führte der wackere Schiffscapitain eben diese dänischen Farben, denn er wie seine gesammte Mannschaft waren gute Schleswig-Holsteiner von der Westküste, die nichts weniger wie Vorliebe für Dänemark hegten. Eine gar wackre Schiffsmannschaft war dies aber und daß unsere norddeutschen Seeleute die besten sind, welche die Welt nur besitzt, konnte ich bei unserer ungemein stürmischen und gefährlichen Fahrt um das Cap Horn wieder so recht erkennen. Möglich, daß die Engländer und besonders auch Irländer oft noch verwegener und tollkühner sind, dafür saufen die Matrosen dieser Nation ungemein stark und sind auch sonst sehr nachlässig. Kann ein nordamerikanischer Kapitain norddeutsche Matrosen an Bord bekommen, so zieht er solche allen übrigen und selbst seinen eigenen Landsleuten vor. Dies ist eine Thatsache, die Jeder, der längere Zeit in nord- und südamerikanischen Häfen gelebt hat, bestätigen wird.

Eine wildere, rauhere Gegend wie das Cap Horn gibt es gewiß auf Gottes weiter Erde nicht mehr. Furchtbar zerrissene und zerklüftete Felsenmassen, ohne die mindeste Spur irgend einer Vegetation, starren in den hier stets mit dunklen grauen Wolken bedeckten Himmel hinein. Dabei herrschen hier fast beständig die heftigsten Stürme, die das Meer in hohen Wellen aufbäumen lassen und die Schifffahrt gefährlich machen. – Ein alter Capitain eines amerikanischen Wallfischfängers, der als Passagier mit an Bord war, sagte uns, er habe das Cap Horn schon siebzehn Mal in seinem Leben umfahren und stets rauhe und stürmische Witterung daselbst gefunden. Da sich mir Gott Neptun stets sehr ungnädig zeigt, so ließ er es bei meiner jetzigen Fahrt an Sturm und Unwetter auch wieder nicht fehlen. Hagelschauer, Schneegestöber und heftige Windstöße wechselten über acht Tage lang unaufhörlich, die Sturmwellen schlugen über das Verdeck, daß es eine Art hatte, und unsere Matrosen, die Tag und Nacht nicht aus den nassen Kleidern kamen, mußten ununterbrochen arbeiten. So eine Fahrt um das verrufene Cap ist für den Seemann fast immer eine harte Prüfungszeit, in der er zeigen kann, daß er aus tüchtigem Stoffe gebildet ist.

Eine nordamerikanische Brigg, die uns in übermüthiger Weise vorbeisegeln wollte und deshalb trotz des Sturmes zu viel Segel beigesetzt hatte, schlug einige hundert Schritte vor uns um und sank mit Mann und Maus augenblicklich in die Tiefe des Meeres unter, so daß an Rettung der Mannschaft gar nicht mehr zu denken war. Auch wir erlitten beträchtliche Havarie, und unser Leck war so groß geworden, daß selbst wir Kajütenpassagiere einige Tage lang an den Pumpen arbeiten mußten, bis es uns gelang, das Leck zu verstopfen. Als wir erst in das Weltmeer gekommen waren, legte sich auch allmählich das Unwetter mehr; jetzt konnten wir erst die Schäden wieder ausbessern und langten nun in sehr rascher Fahrt und ohne weitere Ereignisse glücklich bis an die Küste von Californien.

Als wir am Abend vor San Francisco die Anker warfen, stand gerade ein großes Quartier dieser leicht gebauten Stadt in vollen Flammen und die Gluth röthete den Horizont. Feuersbrünste waren damals etwas sehr Gewöhnliches und fast keine Woche verging, wo nicht eine oder mehrere stattfanden. Sehr häufig geschahen dieselben durch absichtliches Brandanlegen, wie denn gerade zu jener Zeit die öffentliche Sicherheit auf das Aergste gefährdet war und Raubanfälle, Mordthaten und Brandstiftungen zu den gewöhnlichen Begebenheiten gehörten. Später hat das sogenannte „Vigilance-Comité,“ dem ich selbst angehörte, etwas mehr unter diesen Verbrechern aufgeräumt und wir haben wenigstens ein Dutzend solcher Kerle, die auf frischer That ergriffen wurden, ohne Weiteres an den ersten besten Baum aufgeknüpft. Ich selbst habe später einmal eine derartige Execution, die leider dazu noch an einem Deutschen vollführt werden mußte, geleitet und dem Verbrecher selbst den Strick um den Hals gelegt. Derselbe hatte seinen Kameraden, der mit ihm in einem Goldloche gearbeitet und in einem Zelte geschlafen, heimtückischer Weise ermordet, um sich des Vermögens desselben zu bemächtigen. Die Sache ward am anderen Tage – ich weiß nicht mehr durch welchen Zufall – entdeckt; wir machten nun Jagd auf den Kerl, der sich indessen geflüchtet hatte, und holten ihn auch glücklich ein. Eine Jury aus zwölf Steinarbeitern und Fuhrleuten, denen ich präsidirte, trat zusammen; der Schuldige konnte sein Verbrechen nicht leugnen und ward deshalb einstimmig zum Erhängen verurtheilt. Ein Strick wurde genommen, ein früherer Matrose machte eine gute Schlinge daraus, ich legte sie dem Verurtheilten, dem Hände und Füße gebunden waren, um den Hals; darauf ward das Ende des Strickes über den Ast eines Baumes geworfen und dann von drei bis vier Mann schnell und kräftig angezogen – und der Verbrecher war nach einigen Augenblicken schon eine Leiche. Diese ließen wir zur Warnung am Baume hängen, nachdem ihr ein Bogen Papier, auf dem in englischer und deutscher Sprache der Grund der Strafe und der Art ihrer Vollziehung stand, an der Brust befestigt worden war. Gewiß eine schnelle, dabei freilich etwas formlose Handhabung der Justiz, die sich aber für die californischen Zustände, wie sie nun einmal waren, trefflich eignete.

Ich komme noch einmal auf meine Ankunft in San Francisco zurück. – Es sah daselbst am Morgen nach dem Ausbruche des großen Brandes schaurig aus. Ganze Straßen lagen in Schutt und Asche und überall schlugen noch die hellen Flammen aus den Brandhaufen heraus. Trotz dieser Verwüstung fing man aber schon wieder an, neue Häuser zu bauen, und besonders die Besitzer der Spielbanken konnten es gar nicht erwarten, daß ihre Locale wieder bereit standen, um auf’s Neue die thörichten Spieler auszuplündern. Hier war für zwei rüstige, kräftige Männer, die arbeiten wollten und konnten, etwas zu verdienen, das sah ich sogleich ein. Um zu faullenzen, waren wir, Hansen und ich, wahrlich nicht nach San Francisco gekommen, und den nordamerikanischen Wahlspruch „Zeit ist Geld“ hatte ich mir wohl gemerkt. Am Morgen waren wir gelandet und am Nachmittage desselben Tages hatte ich mir schon einen starken Lastwagen und drei tüchtige Zugpferde mit Geschirr für die Summe von 450 Dollars von einem Amerikaner, der in seine Heimath zurückkehren wollte, gekauft. Der Wagen diente uns auch des Nachts als Schlafstätte, indem wir uns, in unsere dicken Wolldecken gehüllt, zwischen seine Räder legten und vortrefflich schliefen, während die Pferde, an der Deichsel angebunden, aus den vorgehängten Futtersäcken ihren Mais verzehrten.

Schon am nächsten Tage fing die Arbeit an und ich unternahm es, Ziegelsteine aus einer eine halbe Meile von der Stadt entfernten Ziegelei für den Bau der Häuser zu fahren. Mein Hansen und ich mußten die Ziegelsteine auf- und abladen und aufstellen, erhielten dann aber für jede Fuhre sieben Dollars. Wenn wir recht fleißig waren, konnten wir an einem Tage vier Fuhren machen und hatten dann 28 Dollars verdient. Für drei Dollars per Tag konnten wir uns reichlich beköstigen, vier Dollars kostete die Fourage für die drei Pferde und ein bis zwei Dollars gingen für sonstige Nebenausgaben auf, so daß uns ein reiner Gewinn von fünfzehn Dollars täglich übrig blieb. Davon erhielt Jeder von uns fünf Dollars und die übrigen fünf kamen noch auf mein Theil als das Verdienst des Gespannes, was mir gehörte. Wir arbeiteten übrigens anstrengend und gönnten uns nur des Sonntags Ruhe. Wie mancher Schweißtropfen floß da bei der Arbeit über meine gebräunte Stirn, während meine Hände von dem steten Anfassen der rauhen Ziegelsteine so hart und schwielig wurden, daß sie in Glacehandschuhe wahrlich nicht mehr [177] gepaßt hätten. Nun, Arbeit ist hier keine Schande, und wenn ich auch die ganze Woche über unermüdet Ziegelsteine gefahren hatte, so konnte ich mich doch des Sonntags ohne Scheu unter die vornehme Welt mischen – wenn überhaupt von einer solchen hier die Rede sein kann. – Lachen mußte ich übrigens doch mitunter, wenn ich mich jetzt mit meinen großen Wasserstiefeln, blauer Blouse und einem runden Wachstuchhute auf dem Kopfe als Fuhrmann erblickte, während ich sonst als eleganter Tänzer auf so manchem Hofballe figurirt hatte.