Streifereien in Nord- und Südamerika/3

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Autor: Julius von Wickede
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Titel: Streifereien in Nord- und Südamerika/3
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aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 334-336
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[334]
Streifereien in Nord- und Südamerika.
Aus den Tagebüchern eines früheren schleswig-holsteinischen Hauptmanns.
Mitgetheilt von Julius v. Wickede.
III.

Das Treiben in Francisco zu schildern, wäre eine sehr schwere Arbeit und doch wieder in mancher Hinsicht eine sehr leichte. Geld zu verdienen, nur recht viel Geld zu verdienen in möglichst kurzer Zeit, ist das einzige Streben der 40–50,000 Einwohner aus allen möglichen Ländern des Erdballes, die in dieser wunderlichen Stadt versammelt sind. Dabei herrscht eine Regsamkeit und ein Unternehmungsgeist im Vorwärtsstreben, leider aber auch im Schwindeln und in der Gewissenlosigkeit, in der Anwendung aller nur möglichen[WS 1] Mittel, daß selbst New-York, welches doch sonst in dieser Hinsicht viel leistet, hierin zurückbleiben muß.

Was hier übrigens Alles in der größten Schnelligkeit entsteht, ist wunderbar, und Sachen, zu denen man in Deutschland lange Monate gebraucht, wurden in Wochen, ja selbst Tagen ausgeführt. So waren noch nicht zwei Monate nach der großen Feuersbrunst vergangen, als die abgebrannten Quartiere glänzender und solider wie vorher, wieder aufgebaut dastanden und man kaum noch Spuren des Brandes bemerkte. Jetzt ward auch der Verdienst mit dem Ziegelsteinfahren etwas geringer, und zuletzt wollte man mir nur noch sechs Dollars für die Fuhre geben. Das behagte mir nicht, und da auch San Francisco nicht das geringste Anziehende für mich hatte, so beschloß ich, mich mehr in das Innere des Landes, in die eigentlichen Golddistricte, die Californien auf so schnelle Weise berühmt gemacht haben, zu begeben. Eigentlicher Goldgräber wollte ich nicht werden, sondern auch dort als Fuhrmann oder Handlanger mir Geld zu verdienen suchen. Mein Gespann in Francisco verkaufte ich für den gleichen Einkaufspreis, den es mir gekostet hatte, und verließ die Stadt nach fast dreimonatlicher Anwesenheit in derselben, fast mit 400 Dollars mehr im Vermögen, als ich dahin gebracht. Dabei hatte ich, wie auch mein Hansen, materiell recht gut gelebt, und täglich zwei sehr reichliche warme Mahlzeiten, außerdem zum Frühstück noch Thee mit Zucker zu mir genommen. Eine feste Wohnung hatten wir Beide in dieser ganzen Zeit niemals gehabt, sondern stets unter dem Plandache meines Wagens, den wir als Zelt brauchten, gelebt. Einige dicke wollene Decken bildeten für uns abgehärtete Naturen ein treffliches Bett, während der Tränkeimer der Pferde uns zugleich als Waschbecken dienen mußte. Die Nahrung nahmen wir in einem Gasthofe ein, kochten oder brieten uns aber auch oft einige Gerichte an einem Feuer neben unserem Wagen, den wir alsdann auf freiem Felde unweit der Stadt hinfuhren. So sparten wir die Kosten für die ebenso schlechten wie theuren Quartiere; denn unter sechs Dollars wöchentlicher Miethe konnte man auch die elendeste Kammer, die oft schlechter war, wie bei uns in Deutschland ein Hundestall, nicht zur Schlafstelle bekommen, und war dann noch allen möglichen Betrügereien und Unannehmlichkeiten ausgesetzt.

Um mir das Leben in den Goldminen etwas näher anzusehen, besuchte ich zuerst den Sacramento-Fluß und die umliegenden Gegenden. Ein merkwürdiges Treiben herrscht in diesen Golddistricten, und obgleich ich für alles Gold, welches schon in ihnen entdeckt worden ist, nicht mein ganzes Leben daselbst zubringen möchte, so ist ein Besuch derselben doch ungemein interessant. Aus der ganzen Welt sind die Goldsucher hier vereinigt, jedes Land, jeder Stand hat sein Contingent dazu gestellt. Jeder frühere Rang, jede Nationalität hört hier völlig auf; die Erde zu durchwühlen, das Gold in möglichster Eile aus derselben loszukratzen und dann den Ort wieder zu verlassen, ist das Bestreben Aller. Was man hier für Originale sieht, welche Masse der verschiedensten Charaktere man auf engem Raum zusammengedrängt findet, ist wirklich oft wunderbar. Dabei ist das Goldgraben, so schwer die Arbeit auch ist, wirklich eine Art Hasardspiel, denn es ist fast unmöglich, mit nur einiger Gewißheit vorher zu bestimmen, welchen Ertrag die Grabungen geben werden.

Ich habe mit meinem Hansen vier Wochen lang täglich an zwölf Stunden ununterbrochen in einer Grube gearbeitet, und wir gewannen in dieser ganzen Zeit kaum für achtzig Dollars Gold, so daß wir unsern Lebensunterhalt nicht damit bestreiten konnten. Unmittelbar neben uns arbeitete eine Gesellschaft, die aus einem Deutschen, ehemaligem Schauspieler, einem stets halb betrunkenen holländischen Dragoner-Corporal und einem preußischen Candidaten der Theologie bestand, und diese waren so glücklich, in einer einzigen Woche über 2000 Dollars zu gewinnen. Der Holländer vertrank seinen Antheil in wenigen Wochen, der Schauspieler verbrachte denselben mit einer sehr hübschen, aber eben so liederlichen Französin, die sich in den Minen umhertrieb; der Theologe hielt ihn aber fest und ging nach San Francisco, wo er einen Wurstladen etablirte. Als ich Californien verließ, ging sein Geschäft sehr gut und er hatte die Aussicht, in drei bis vier Jahren ein wohlhabender Mann zu sein. So wie er das geworden, wollte er dies Land verlassen und sich im Thüringischen ein kleines Landgut kaufen. Dies war seine einzige Hoffnung. So geht es hier aber stets bei diesen Goldgräbern. Manche gewinnen viel und vergeuden das Gewonnene nur zu bald wieder im Spiele und Trunk und nur Einzelne sind so vernünftig, das Gold, welches sie verdient haben, auch sicher zu behalten. Lange hier den Goldgräber bei schwerer Arbeit und geringem oder doch wenigstens sehr unsicherem Verdienst zu machen, fühlte ich aber nicht die geringste Neigung. Nachdem ich einige Wochen in den Minen gearbeitet, und mir überhaupt alle Verhältnisse in denselben recht genau angesehen hatte, ging ich wieder zurück und kaufte mir vier starke Maulesel, nahm einen Mexicaner als Treiber an, und transportirte Mehl, Fleisch und andere Gegenstände von Sacramento-City in die Golddistricte. Das Geschäft, mit mancherlei Mühseligkeiten, ja selbst Gefahren verbunden, war in pecuniärer Hinsicht ganz einträglich. Drei oder vier Touren hatte ich wohl erst gemacht, so konnte ich die Zahl meiner Thiere schon verdoppeln, ja allmählich selbst verdreifachen, so daß ich zuletzt zwölf Maulesel und zwei recht gute Reitpferde besaß, und drei mexicanische Knechte und zwei Deutsche, von denen der eine ein früherer schleswig-holsteinischer, der andere aber [335] ein preußischer Soldat war, in meinen Diensten hatte. Mein Freund Hansen, dem ich einen gewissen Antheil am Geschäft gab, war gewöhnlich bei den Goldgräbern selbst und besorgte den Verkauf der von mir transportirten Lebensmittel, während ich selbst stets auf den Wegen mich umhertrieb. Viel Geld verdiente ich auch damit, daß ich den Transport von Goldstaub aus den Golddistricten nach Sacramento, ja zuletzt selbst bis nach Francisco besorgte. Freilich hatte ich großes Risiko dabei, denn auf meinen Thieren lag oft für 5–6000 Dollars Goldstaub, den ich gekauft und der nun auf meine eigene Rechnung und Gefahr ging. Tag und Nacht mußte ich wachsam sein, damit mir mein Schatz nicht auf heimliche oder gewaltthätige Weise geraubt wurde. Die Unsicherheit auf den Wegen war nur zu groß, und Raubanfälle gehörten nicht zu den Seltenheiten, wie ich denn innerhalb des Jahres, das ich dies Transportwesen betrieb, dreimal habe zu den Waffen greifen müssen, um mein Eigenthum gegen freche Räuber zu vertheidigen. Sowohl ich wie Hansen und meine beiden deutschen Gehülfen waren zu diesem Zwecke auch stets schwer bewaffnet, und glichen viel mehr Räubern, wie friedlichen Reisenden. Lange Stiefeln mit den großen mexikanischen Sporen, eine blaue Blouse, die durch einen breiten Ledergurt, in dem ein Paar sechslaufige scharfgeladene Revolvers steckten, zusammengehalten wurden, außerdem noch einen guten deutschen Hirschfänger an der Seite, dazu einen Matrosenhut auf dem Kopfe und eine treffliche Büchsflinte, den einen Lauf mit einer Spitzkugel, den andern mit Rehposten geladen, so saß ich im Sattel meines zwar kleinen, aber starken, feurigen und ausdauernden mexicanischen Hengstes. War schlechtes Wetter in der Regenzeit, so wurde ein dicker chilenischer Poncho, in der Art wie die baierischen Postillone den Kopf durch eine Oeffnung ihrer wollenen Decken stecken, über das Ganze gezogen. Eben so gekleidet und schwer bewaffnet waren auch meine übrigen deutschen Gehülfen, und so konnten wir einen Kampf mit den Straßenräubern schon aufnehmen.

Das erste Mal, daß ich zu den Waffen greifen mußte, um mich und mein Eigenthum gegen freche Räuber zu vertheidigen, war dies noch dazu gegen zwei mexicanische Maulthiertreiber, die in meinen eigenen Diensten standen. Ich war mit den Schuften, die vier nur halbbeladene Thiere trieben, ganz allein, während ich vorne in den Satteltaschen auf meinem Pferde für 2000 Dollars Goldkörner hatte. Diese Gelegenheit schien den Kerlen günstig, um mich zu ermorden und auszuplündern. Auf einer einsamen Stelle des Weges, wo auf Meilen weit kein menschliches Wesen zu erwarten war, und ich ruhig einige Schritte voraus ritt, um die beste Stelle in dem sehr tiefen Schmutz auszukundschaften, wirft Einer dieser Mexicaner mir plötzlich hinterrücks die Schlinge seines Lasso um den Hals, um mich so aus dem Sattel zu ziehen und zu erwürgen. Es wäre ihm dies auch entschieden gelungen, wenn mir die Natur nicht glücklicher Weise eine große Körperkraft und eine ziemliche Kaltblütigkeit verliehen hätte. Zufällig trug ich an dem Tage ein dickes rothes Tuch um den Hals gewunden, so daß die Schlinge des Lasso mir denselben nicht sogleich zuwürgen konnte, wie sonst bei bloßem Halse geschehen wäre. Dies rettete mich, denn trotz des heftigen Ruckes, den ich durch den stark angezogenen Lasso fühlte, konnte ich mich doch noch so lange im Sattel erhalten, um meinen sehr scharfen Hirschfänger zu ziehen. Mit aller Kraft führte ich nun rückwärts einen Hieb gegen den Lasso-Riemen, und obgleich ich mich selbst dabei an der Schulter etwas verletzte, so glückte es mir doch, denselben zu durchhauen. So wie dies nun geschehen war, konnte ich mich als gerettet betrachten und warf meinen Hengst auf der Stelle herum, um meine heimtückischen Angreifer zu verfolgen. Der eine Mexicaner feuerte noch seine Pistole auf mich ab, verfehlte mich aber, dann liefen die beiden Kerle so schnell wie sie ihre Füße nur tragen konnten, davon. Ich jagte ihnen zu Pferde nach und es glückte mir, den einen Kerl einzuholen und unter der Androhung, ihm augenblicklich eine Kugel durch den Kopf zu jagen, was ich auch entschieden gethan haben würde, zum Stehen zu bringen. Er warf sich auf die Knie nieder, flehte mich im Namen aller möglichen Heiligen um Gnade an und wollte alle Schuld auf seinen Gefährten, der davon gelaufen war, schieben. Dem Schuft nun immer die Mündung meines Revolvers dicht vor den Kopf haltend, stieg ich ab und legte meinem Gefangenen die Schlinge seines eigenen Lasso um den Hals, so daß er mir wie ein störrischer Hund folgen mußte. So brachte ich ihn nach einigen in der Nähe stehenden Eichen, band zuerst mein Pferd an einen und dann meinen bittenden und winselnden Gefangenen mit den Händen an einen andern jungen Baum, so daß er sich gar nicht wehren konnte. Nachdem dies geschehen war, wusch ich mir erst selbst meine Wunde an der Schulter mit etwas Branntwein aus der Flasche des Mexicaners aus, zündete mir dann ruhig meine Pfeife an und schnitt einen recht schlanken geschmeidigen Eichenstock von der Dicke eines Fingers ab. Mit diesem bearbeitete ich nun den Rücken meines Gefangenen, der bloß mit einem Hemde bekleidet war, denn seinen Poncho hatte er schon bei seiner Flucht verloren, so lange ich meinen Arm nur rühren konnte, ohne mich um sein klägliches Geschrei nur im Geringsten zu bekümmern.

Nachdem dies geschehen war, frühstückte ich ruhig und holte nur die vier Maulesel, die sich einige tausend Schritte verlaufen hatten, wieder zusammen, worauf mein Gefangener dann eine zweite Auflage von Hieben, die aber diesmal nicht so stark wie die erste war, erhielt. Ich zerbrach ihm nun seine Waffen, band ihn los und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt auf den H… zum Abschied, worauf er dann laufen konnte, um sich seinen Galgen selbst zu suchen. Sehr viel Mühe machte es mir nun, die vier störrischen Maulesel allein vorwärts zu treiben, und da mich auch meine Schulter schmerzte, so war ich froh, endlich in Stockton, denn einige englische Meilen hiervon geschah dieser Angriff, anzukommen. Den andern Mexicaner traf ich einige Monate später zufällig in einem Spielhause in San Francisco. Er drückte sich aber gewaltig schnell, als er mich erblickte, und ich fand weiter kein Behagen daran, ihm nachzusetzen oder gar ihn der Obrigkeit anzuzeigen. Das Gerichtswesen war im Jahre 1848 mit sehr geringer Ausnahme in einer so scheußlichen Verfassung in ganz Californien, daß eigentlich Niemand seine Zuflucht zu demselben nahm. Ich wenigstens hätte nie eine Klage bei einem Gerichte in San Francisco angebracht, und der Grundsatz: „Hilf Dir selber“ ist hier stets von mir befolgt worden.

Diese Mexicaner, die sich zu vielen Tausenden in Kalifornien umhertreiben, sind größtentheils mit das schuftigste Gesindel, was nur auf Gottes weiter Erde herumkriecht, und das will wahrlich viel sagen. Ein großer Theil der Mordthaten und Raubanfälle, die in Californien geschehen, fällt auf Rechnung dieser Mexicaner, und wenn diese Kerle nicht so sehr feig wären, würden sie noch mehr Unfug anstiften. So kann man sie durch Energie ziemlich leicht im Zaume halten, und wenn sie nicht in weit überlegener Anzahl sich befinden, so wagen sie selten einen offenen Angriff. Ich hätte niemals solche Kerle in meinen Dienst genommen, allein sie verstehen es vortrefflich, mit den oft sehr störrischen Mauleseln umzugehen, und haben namentlich auch eine ganz besondere Geschicklichkeit darin, die Ladung auf die Packsättel der Thiere richtig zu vertheilen, so daß diese nie gedrückt oder beschädigt werden. So sind sie als Knechte und Treiber bei einem Geschäft, wie ich es hatte, unentbehrlich und so gern ich auch gewollt, wäre ich mit vier deutschen Arbeitern dabei nicht ausgekommen. Auch sind diese Mexicaner sehr mäßig und ausdauernd und wenn sie auch sonst nur so geringe Körperkräfte besitzen, daß mein Hansen einst mit leichter Mühe ein Faß, was drei Mexicaner nicht von der Stelle fortbewegen konnten, ganz allein fortschob, so haben sie doch eine große Zähigkeit und Gewandtheit und sind auf der Landstraße die besten Knechte, die man nur wünschen kann. Dies sind aber auch ihre einzigen guten Eigenschaften und ich habe gewiß an zwanzig verschiedene mexicanische Knechte gehabt, von denen der eine noch immer ein größerer Schuft als der andere war und die nur durch die wachsamste Aufsicht in Ordnung gebracht werden konnten. Ich machte stets sehr kurzen Proceß mit diesen Leuten, bezahlte sie sehr gut, strafte aber jede Schurkerei von ihrer Seite auf der Stelle und zwar mit dem Stocke, indem ich sie gehörig durchhieb und dann fortjagte. Wenn sie auch noch so viel fluchten und sich wie toll gebährdeten und mit ihrer Rache drohten, sobald ich mein Prügeln begann, ich kehrte mich nicht im Mindesten daran und hieb desto kräftiger darauf los. Dies brachte mich bei den Kerlen in Ansehen und ich hatte zuletzt eine sämmtliche Autorität bei diesen mexicanischen Maulthiertreibern, die freilich nur so lange währte, als ich, mit den Revolvern im Gürtel und dem Stocke in der Hand, mich mitten unter ihnen befand.

Auch der zweite Anfall, dem ich ausgesetzt war, geschah von Mexicanern, und zwar mit offener Gewalt in der Nacht. Es war eine förmliche Räuberbande, gut beritten und bewaffnet, wohl 12–14 Köpfe stark, die uns in der Nacht angriff. Ich hatte [336] über 16,000 Dollars Gold bei mir, und das war den Kerlen wahrscheinlich von meinen eigenen Treibern, von denen zwei mit ihnen verbunden zu sein schienen, denn nach dem mißglückten Angriff liefen sie uns noch in derselben Nacht fort, verrathen worden. Glücklicher Weise waren aber mein Hansen, die beiden deutschen Gehülfen und noch drei heimkehrende Goldgräber, ein Deutscher, ein Franzose und ein Irländer, sämmtlich gut bewaffnet, bei mir, so daß wir unser sieben Mann stark waren und so es schon vollkommen mit 14 Mexicanern aufnehmen konnten. Die Räuber hatten uns heimlich in der Nacht, als wir um unser Bivouakfeuer lagen, überfallen wollen, allein die Wachsamkeit eines kleinen Dachshundes, den ich besaß, vereitelte ihre Absicht. Mit wildem Geschrei kamen sie nun auf uns losgaloppirt und schossen ihre Flinten in der Entfernung von einigen zwanzig Schritten ab, wobei der eine Deutsche am Fuße verwundet und mir ein sehr guter Maulesel getödtet wurde. Die Kerle hatten geglaubt, daß wir ebenfalls eine so feige Natur wie sie selbst hätten und, von ihrer Ueberzahl erschreckt, davon laufen würden, wie dies auch meine sämmtlichen mexicanischen Treiber thaten. Sie kamen aber diesmal an unrechte Leute, holten sich blutige Köpfe und mußten mit leeren Händen wieder abziehen. So wie die Räuber ihre erste Salve abgefeuert hatten, rief ich meinen Leuten zu, aus dem Scheine des Feuers fortzuspringen, da wir, von demselben beleuchtet, gute Zielpunkte abgaben, während unsere Feinde in der Dunkelheit waren. Wir feuerten nun einzeln auf die Angreifer, die trotz ihrer Ueberlegenheit nicht wagten, ohne Weiteres auf uns loszureiten, sondern in der tiefen Dunkelheit hin und her jagten, so daß sie schwer zu treffen waren. Einige unserer Schüsse mußten jedoch getroffen haben, denn wir hörten mehrfach einen Schmerzensruf oder ein wildes spanisches Fluchwort, einmal auch einen schweren Fall, als ob ein getroffener Reiter vom Pferde stürzte. Endlich wurde mir das Hin- und Herschießen zu langweilig und ich rief meinen Leuten zu: „Jungens, drauflos, laßt uns die Hunde zusammenhauen.“ Mit einem „Hurrah Deutschland!“ stürmten wir nun drauf, der Franzose rief sein „vive la France!“ und kam auch mit, der Irländer aber lachte vor Freude laut auf, denn so ein rechtes Handgemenge wird stets nach dem Geschmacke eines Paddy sein, und war nicht der Letzte. So wie die Mexicaner sahen, daß wir ihnen nun ernstlich zu Leibe rückten, flohen sie auf die feigste Weise. Einen der Räuber holte mein Hansen noch ein und riß ihn mit seiner gewaltigen Kraft aus dem Sattel, einen anderen fanden wir schwerverwundet am Boden liegen und der Irländer gab ihm den Gnadenschuß durch den Kopf, so daß er augenblicklich todt war.

Ueber unseren Gefangenen, der ein rechtes Galgengesicht hatte, wurde nun an unserem Feuer ein förmliches Kriegsgericht abgehalten. Ich trug darauf an, ihn einigemal tüchtig durchzuhauen und dann laufen zu lassen, der deutsche Goldgräber aber, den die Schußwunde, die er im dicken Fleisch der Hüfte erhalten hatte, sehr wüthend machte, wollte den Kerl auf der Stelle gehängt wissen. Wir stimmten nach echt californischer Sitte hierüber ab, ich, Hansen und der frühere schleswig-holsteinische Soldat waren für eine gehörige Prügelstrafe, die andern vier Beisitzer aber für das augenblickliche Aufhängen, und so war das Schicksal des gefangenen Räubers entschieden. Ich selbst wollte mit der Execution nichts zu schaffen haben und so zogen denn der Franzose, der Irländer und der verwundete deutsche Goldgräber, dem mein Hansen unterdeß die Kugel aus dem Fleisch herausgeschnitten hatte und der stark hinkte, mit dem Gefangenen nach dem nächsten Baume ab. Der Mexicaner, der es jetzt wohl ahnen mochte, welches Schicksal ihm bevorstand, fing kläglich zu winseln und zu bitten an, traf aber nur taube Ohren. Komisch war das Benehmen des Irländers bei dieser Gelegenheit, der sich mit seinem Gefangenen, den er in der nächsten Viertelstunde selbst aufhängen wollte, auf die freundschaftlichste Weise von der Welt unterhielt. „Schneiden Sie nur keine solchen Gesichter, mein Herr Räuber,“ meinte er in seiner kauderwelschen Sprache, „soll ein ganz angenehmes Vergnügen sein, das Hängen, wie mein Vater, der auch richtig am Galgen gestorben ist, stets sagte: ein Hops in die Luft und aus ist es und ich will schon dafür sorgen, daß Ew. Gnaden dabei den rechten Schwung kriegen. Kommen Sie, lassen Sie uns noch einen Schluck auf Ihre glückliche Reise trinken.“ Dabei reichte der kleine lustige Irländer dem Mexicaner seine Flasche mit Brandy hin und dieser, um wohl seine Todesangst zu betäuben, trank dieselbe in einem Zuge aus, so daß der Irländer brummte und meinte: „By Jesus, einen guten Fall in seiner Kehle hat der Kerl und es ist eigentlich schade, daß er aufgehängt werden soll.“

Unterdeß hatten der Franzose und der frühere preußische Soldat einen Eichbaum in der Nähe ausgekundschaftet, der ihnen passend schien, und ein Feuer unter demselben angezündet, damit sie bei ihrem Geschäfte besser sehen konnten. Der Franzose kletterte auf den Baum und legte einen Strick mit einer Schleife über einen Ast desselben, während der Irländer und der deutsche Goldgräber jetzt den Gefangenen, dem sie unterdeß die Hände auf dem Rücken fest geschlungen hatten, nach dem verhängnißvollen Baume hinzerrten. Sei es in Folge der Todesangst oder des zu viel genossenen Branntweins, der mexicanische Räuber konnte sich kaum noch auf den Füßen halten und schwankte hin und her, während der Irländer ihm noch stets Witzeleien und Scherzworte zurief, und ihm Beispiele davon erzählte, auf welche vergnügliche Weise mehrere seiner eigenen Verwandten und Bekannten, auch sein Vater, die den Tod am Galgen gefunden hätten, gestorben wären. Am Baume angekommen, war die Schlinge im Augenblick um den Hals des Delinquenten gelegt, die beiden Deutschen und der Irländer zogen mit einem „all hands“ (alle Hände) an, so daß der Körper wohl an sechs Fuß hoch über dem Boden hing, und der Franzose sprang ihm nun von einem Aste herab auf den Nacken, damit er das Genick brach und der Gehenkte sogleich enden konnte.

Als sei weiter nichts vorgefallen, kamen die Menschen bald darauf wieder zurück, legten sich um das Feuer und schliefen ruhig ein. Leider war uns bei dieser Gelegenheit außer dem erschossenen Maulesel noch ein anderer davon gelaufen, der sich nicht wieder fand, so daß mein Verlust sich auf einige hundert Dollars belief, denn sehr große und starke Maulesel, wie ich sie zu meinem Geschäfte benutzte, waren in Californien damals sehr theuer.

Das dritte Mal, daß ich zu den Waffen greifen mußte, um mein Eigenthum zu vertheidigen, war kurze Zeit vor meiner Abreise, unweit Goodyear-Bar. Ich schlief mit Hansen in einer kleinen Erdhütte, die wir uns gemacht hatten, während meine übrigen deutschen Gehülfen und die mexicanischen Treiber abwesend waren, um einen Mehltransport durch die tief verschneiten Felsschluchten herauf zu bringen, was ein unbeschreiblich mühseliges und langwieriges Geschäft ist.

Mitten in der Nacht wurden wir Beide durch das Gebell meines wachsamen Dachshundes aufgeweckt; wir sprangen schnell auf und sahen, wie drei bewaffnete Männer beschäftigt waren, die Hauptstange, die unsere Hütte hielt, abzusägen, so daß sie uns über dem Kopfe zusammengestürzt wäre. Ohne uns lange zu besinnen, zogen wir Beide zugleich unsere Revolvers, die wir Tag und Nacht scharf geladen im Gürtel trugen, hervor und feuerten sie auf die Kerle ab. Der eine stürzte leblos zu Boden, die andern zwei sprangen davon, doch mußte noch Einer eine Wunde erhalten haben, denn man konnte die Blutspuren am anderen Morgen noch ziemlich weit im Schnee verfolgen. Der Erschossene, der sehr gut bewaffnet war, schien unzweifelhaft ein Yankee zu sein und hatte gegen dreißig Golddoublonen in seiner Tasche, so daß ihn die Noth nicht zu diesem Raubversuch getrieben haben konnte.

Wir begruben am Morgen die Leiche ohne Weiteres, machten auch sonst keine Anzeige von dem Vorfall bei den Gerichten, da uns dies nur nutzlose Mühe verursacht hätte, und schenkten das bei der Leiche gefundene Geld dem Hospital in San Francisco, wo es gewiß zur Pflege von Kranken gut angewendet worden ist. Durch Zufall erfuhr ich einige Wochen später, daß der von uns Erschossene ein berüchtigter Raufbold und Räuber von Profession gewesen sei.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: möglilichen