Stunden der Andacht/Gebet einer Mutter um das Wohlgerathen ihrer Kinder
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„Ein weiser Sohn ist die Freude seines
Vaters, ein thörichter Sohn der Kummer
seiner Mutter.”
(Spr. Sal.)
Allgütiger! Kinder sind Geschenke deiner Gnade, sind der Tugend Lohn. Ein geliebtes Kind, o süßer, segensvoller Name, wie gehet das Herz der Mutter auf in seligen Empfindungen bei dieses Wortes Klang! Wohlgerathene Kinder sind die Blumen, die unser Leben zum Garten Eden machen; sind die süßesten, aus unserem Lebensbaume gereiften Früchte, die herrlichsten Denkmäler, die wir auf Erden zurücklassen, wenn wir von da abberufen werden, und ihr frommes Gebet thut uns noch im Grabe wohl.
Wohlgerathene Kinder sind Geschenke deiner Huld, mein Gott, aber wehe, wenn sie uns mißrathen! Der Mutter Leben geht meist auf in die Pflege und Erziehung ihrer Kinder, auf ihnen ruhet ihr Herz und Sinn bei Allem was sie thut und schafft; für deren Gedeihen ist ihr kein Opfer zu groß, keine Mühe zu schwer, und wenn sie ihr mißrathen, so ist ihr ganzes Leben ein verfehltes und zerstörtes, und alle Freundlichkeit, alles Licht des Lebens gehet ihr unter in der düstern Wolke des Kummers über ihre vereitelten Mutterhoffnungen; denn des Vaters Freude ist ein weises Kind, aber ein mißrathenes ist der Mutter tiefster Schmerz.
Gott, mein Gott, vor einem solchen Schmerze möge deine Huld mich bewahren! Zu dem schmerzlichen Bewußtsein meines Unglückes müßte sich noch der herzzerreißende Gedanke gesellen, daß ich vielleicht die Pflichten und Aufgaben einer Mutter nicht erfaßt und erfüllt habe!
Oft wohl liegen in der Natur, in der körperlichen oder geistigen Beschaffenheit des Kindes, die Fehler und Gebrechen, die wir beklagen, doch eine weise sorgsame Pflege und Erziehung kann gar oft die sieche Pflanze kräftigen, zum gesunden starken Stamm heranziehen; aber durch Leichtsinn oder Verkehrtheit, durch Schwachheit oder Unwissenheit, geschieht es gar oft, daß wir, anstatt Gebrechen zu heilen, neue schaffen und heraufbeschwören, [88] und der Art unsre Kinder mit eigener Hand ins Verderben führen, mit eigener Hand deinen Segen, o Gott, uns zum Fluch umwandeln!
Allmächtiger, zu deines Thrones Stufen drängt es mich her, bei dir, der du mich des Mutternamens gewürdigt, will ich Beistand, Rath und Einsicht zur Ausübung und Erfüllung meiner Mutterpflichten mir erflehen, daß sie mir und meinen Kindern zum Heile gereichen mögen. Gib, daß ich ungeblendet von Mutterliebe, mit hellem scharfem Blick alle Fehler meiner Kinder wahrnehme und erkenne und zur rechten Zeit das rechte und wirksame Mittel finde zu ihrer Heilung und Besserung, daß ich das Mangelhafte und Verderbliche an ihnen tilge und ausrotte, und das Gute bleibend und wirksam mache. Gib, daß ich mit Liebe und Strenge im richtigen Maaße vereint, sie leite auf den Weg der Tugend und sie bilde und groß ziehe zur Freude meines Herzens, zur Verherrlichung deines Namens und zum Nutz und Frommen der Menschheit. Aber das was keine menschliche Weisheit und keine menschliche Macht ihnen zu geben vermag, das verleihe du ihnen, Allgütiger: die Gesundheit und Kraft des Geistes und des Körpers, die Anmuth und Lieblichkeit der Seele, ein langes thatenreiches Leben und eine Fülle von Lebensglück und Lebensfreuden. Amen.