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Türkische Rechtspflege

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Textdaten
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Autor: Asiatic Journal
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Titel: Türkische Rechtspflege
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 145 S. 580
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Spitzfindigkeiten, um knifflige theologische Probleme zu lösen.
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Bearbeitungsstand
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Türkische Rechtspflege.

In dem Negaristan (der Bildergalerie, einer Sammlung historischer Charakterzüge etc.) wird von einem berühmten Rechtsgelehrten zu Bagdad, Abu Joseph, folgende Anecdote erzählt, die zugleich einige merkwürdige Eigenheiten der mahommedanischen Gesetzgebung characterisirt und ein Beispiel von der casuistischen Spitzfindigkeit darbietet, welche die Advocaten des Orients noch jetzt oft zu Gunsten ihrer Clienten entwickeln. – Der Kaliph Harum Alraschid hatte sich in eine Sclavin verliebt, die seinem Bruder Ibrahim gehörte; er erbot sich, sie um jeden Preis zu kaufen; aber Ibrahim, obgleich geneigt, seinem Souverän sich gefällig zu zeigen, hatte geschworen, daß er sie weder verschenken noch verkaufen wolle. Da alle Parteien diese Schwierigkeit zu entfernen wünschten, so wurde Abu Joseph um Rath gefragt, der Ibrahim den Ausweg angab, seinem Bruder die eine Hälfte der Sclavin zu schenken, und die andere zu verkaufen. Glücklich, dieses Hindernisses überhoben zu seyn, befahl der Kaliph 30,000 Dinars für die Hälfte der Sclavin zu zahlen, und Ibrahim machte mit dieser Summe zum Zeichen seiner Dankbarkeit dem Rechtsgelehrten ein Geschenk. Aber eine andere Schwierigkeit bot sich jetzt dar. Das Gesetz der Moslim verbietet jede Gemeinschaft mit dem Weib oder der Beischläferin des Bruders, bevor sie an einen Dritten verheirathet gewesen, und von diesem verstoßen worden ist. Abu Joseph rieth dem Kaliphen, sie an einen seiner Sclaven zu verheirathen, der für eine angemessene Entschädigung sich gern dazu verstehen würde, sie auf der Stelle zu verstoßen. Die Ceremonie wurde vollzogen, aber der Sclave, der sich in seine schöne Gemahlin verliebte, konnte nicht vermocht werden, in eine Trennung von ihr zu willigen. Dieß war ein unerwartetes Dilemma; denn so despotisch auch der Kalif war, wagte er es doch nicht, ihn zu zwingen. Aber Abu Joseph entdeckte bald eine neue Auskunft: er rieth dem Kaliphen, der Sclavin ein Geschenk mit ihrem Manne zu machen, was in der That die Ehe aufhob, da nach mahommedanischen Gesetz kein Frauenzimmer das Weib ihres eigenen Sclaven seyn darf. Entzückt, daß der gordische Knoten so sinnreich gelöst war, ließ der Kaliph dem Advokaten 10,000 Dinare auszahlen, und die schöne Sclavin, die von ihrem fürstlichen Geliebten unermeßliche Geschenke erhielt, fügte jener Summe eine ähnliche hinzu; so daß Abu Joseph durch seinen Scharfsinn in wenigen Stunden 50,000 Dinare (doppel so viel gr. Thaler) gewonnen hatte.
Asiatic Journal.