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TBHB 1936-07-27

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1936-07-27
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Entstehungsdatum: 1936
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Originaltitel: Montag, den 27. Juli 1936.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 27. Juli 1936
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Einführung

Der Artikel TBHB 1936-07-27 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 27. Juli 1936. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1] Montag, den 27. Juli 1936.

[1]      Gestern wieder in Müritz, – schön wie immer. Wir hatten eine junge Dame mit, welche als Erzieherin in Stellung ist bei einer protestantischen Familie. Sie war vor mehreren Jahren in Müritz gewesen als Helferin bei Kindern u. kannte einige der älteren Schwestern noch. – Außerdem hatten wir wieder einen Koffer voll Sachen mit für das Heim u. für den langen Rektor einen Bademantel. Der Name des Rektors ist übrigens Dütemaier (oder Dütemüller?)

     Hier in Ahrenshoop hatte ich dann zum ersten male Gelegenheit, ein nationalsozialistisches Fest aus der Nähe zu beobachten. – Man hat vor 2 oder 3 Jahren außerhalb des Dorfes nach dem Darß zu zwei Blockhäuser erbaut, die damals als Erholungsheim für Flieger gedacht gewesen sein sollen. Aus irgend welchen undurchsichtigen Gründen sind die ziemlich großen Häuser indessen niemals ihrem Zweck zugeführt worden u. sie sind von der Hand einer nationalsozialistischen Formation in die andere gegangen. Jetzt neuerdings hat irgend eine neue Formation, die irgend etwas mit der Luftfahrt zu tun haben will, diese Häuser übernommen u. hat ein „Wirtschaftsgebäude“, – d.h. eine Küche, – dazu gebaut. Das ganze soll nun als „Urlauberheim“ für diese Formation dienen. Dieser Küchenneubau wurde gestern eingeweiht. Zu diesem Zweck hatte man mehr als 1000 Menschen hier zusammengetrieben, teils aus Berlin. Der Staatssekretär General Milch mußte dazu Reden halten u. Fronten abschreiten, – es gab 2 Musikkapellen, Umzüge u. Volkstänze, zu welchem Zweck einige Volksgenossen in eine Tracht gesteckt worden waren, welche angeblich einmal Vorpommersch gewesen sein soll. Am Abend gab es dann noch einen Fackelzug mit der üblichen Musik. Kurzum, es war ein Volksauflauf erster Güte, riesige Lastautos hatten die Leute zusammen gebracht, um die Fertigstellung dieser Küche gebührend zu feiern. Da das Dorf durch die Sommergäste so wie so überfüllt ist u. da außerdem noch viele Leute aus der Umgegend bis Rostock zusammengeströmt waren, läßt sich leicht vorstellen, welcher Betrieb hier herrschte. Viele von diesen Leuten fanden am Abend keine Gelegenheit mehr, nach Ribnitz oder Rostock zurück zu kommen u. da im Dorf auch keine Betten mehr zu haben waren, mußten diese in den Nachbardörfern schlecht u. recht übernachten. – Das Ganze war ein Tag des Lärms u. des Radaus. Die Gastwirte haben vermutlich ein gutes Geschäft gemacht u. auch Marias Geschäft hat einen Großkampftag gehabt im Verkauf [2] von Ansichtskarten, Cigaretten, Schokolade u. Bonbons. –

     Als wir mittags von Müritz zurück kamen, war mein Kollege Schulze-Jasmer aus Prerow hier. Er erzählte mir folgende amüsante Geschichte:

     Die nationalsozialistische Vereinigung der Vorpommerschen Künstler hatte beschlossen, eine Wanderausstellung in Vorpommern zu veranstalten. Da die Kunstwerke dieser Herren aber doch nicht ausreichten, um ein solches Unternehmen zu wagen, blieb nichts anderes übrig, auch solche Künstler aufzufordern, die „politisch belastet“ sind. Zu diesen gehört Schulze Jasmer u. ein anderer Künstler, ich glaube Lattner oder ähnlich, aus Anklam. Man forderte sie also auf u. Schulze Jasmer sandte 5 Bilder, von denen zwei dann zurückgewiesen wurden, weil sie angeblich zu sehr den Bildern des Karl Hofer nahe stünden. Darauf wurde die Ausstellung in Stralsund gemacht u. es wurden von den drei Bildern des Schulze Jasmer zwei Bilder verkauft u. ein Bild von jenem anderen „belasteten“ Künstler aus Anklam. Sonst wurde nichts verkauft. Die Ausstellung ist gegenwärtig in Demmin. Schulze-Jasmer hat die verkauften Bilder durch andere ersetzt. Das Ergebnis in Demmin ist nun dasselbe wie in Stralsund, – Schulze Jasmer verkauft, die anderen nicht. – Man sieht daraus, daß die nationalsozialistischen Künstler, die angeblich allein in der Lage sind, die dem deutschen Volksgenossen, „artgemäße“ Kunst zu fabrizieren, unter sich bleiben, die artgemäßen Volksgenossen halten sich lieber an die „belasteten“ Künstler. Ähnlich war es mit dem gestrigen Volksfest. Dieses Fest mag „artgemäß“ gewesen sein für die 1000 fremden Leute, die man zusammengetrommelt hatte u. die Parteiuniformen trugen oder jene Verkleidung, sprich Volkstracht, vorpommerscher Fischer, diejenigen aber, die hier in Ahrenshoop Ruhe u. Erholung suchen u. die seit Jahren hierher kommen, die waren im höchsten Grade belästigt durch diesen lärmenden Radau. Es fällt so wie so schon auf, daß sich der Charakter des Badepublikums seit zwei Jahren bedenklich verändert, – in diesem Jahre scheint mir das besonders spürbar zu sein. Wenn sich dergleichen Veranstaltungen wie gestern noch ein paar mal wiederholen, dann ist Ahrenshoop ruiniert. Man spricht davon, daß jener Küchenneubau nur der Anfang sein soll für umfangreiche weitere Bauten für die Urlauber von Formationen. Platz genug ist da, die ganze Kuhweide steht ihnen zur Verfügung. Freilich haben dann die Kühe keine Weide mehr. Aber jetzt schon hört man, daß die Büdner gern geneigt sind, ihre Kühe abzuschaffen, denn deren Pflege macht mehr Arbeit, als der leichtere Verdienst der aus einer heerdenmäßigen Ansammlung von Menschen zu erhoffen ist. – Man pflegt angeblich, die artgemäße Tradition der Bevölkerung u. schwätzt ihnen dazu allerhand bunte Trachten auf, mit denen sie wie auf einem Maskenball umherlaufen, – aber man verleidet ihnen ihre Kühe. Unter „artgemäß“ verstehen diese Leute das, was sie sich in ihren uniformierten Formationen denken: Radau u. Lärm. – So ist es überall. Dieses ganze Geschwätz entsteht irgendwo in Großstädten unter Leuten, die keine „Art“ mehr haben. Die „Artlosigkeit“ ist artgemäß. –