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TBHB 1937-01-04

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1937-01-04
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Entstehungsdatum: 1937
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Originaltitel: Montag, den 4. Januar 1937.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 4. Januar 1937
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Einführung

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Der Artikel TBHB 1937-01-04 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 4. Januar 1937. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über fünf Seiten.

Tagebuchauszüge

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[1]
Montag, den 4. Januar 1937.     

[1]      Vom 24.12.36. bis gestern Abend war ich bei Maria. Es waren wirklich schöne, segensreiche Tage des inneren Ausruhens u. der Sammlung u. des festlichen Erlebens des Weihnachtsfestes.

     Am 24. Dez. erhielt ich von Kuratus Dr. Willig ein Weihnachtspaket mit allerhand Eßwaren u. dazu noch 5,– Rm. – Ballin hatte ein Kistchen Cigarren beigepackt. Diese Freundschaft des Dr. Willig u. des Ballin zu mir ist wirklich sehr rührend, – schade ist nur, daß ich damit so garnichts anfangen kann. Von meiner Mutter bekam ich ein Paket, für das ich 15 Pf. Bestellgeld bezahlen mußte u. in dem so gut wie nichts drin war, zumeist Papier. Sie hätte das als Päckchen schicken können, hätte sich das halbe Porto und mir das Bestellgeld sparen können. Wie üblich, war in dem Paket weder ein Brief, noch ein einfacher Gruß darin. Ein freundlicher Gruß ohne Paket wäre mir [2] lieber gewesen. Diese gedankenlose Lieblosigkeit u. Trägheit ist zuweilen schwer zu ertragen, um so schwerer, als ich mich dafür dann noch bedanken muß. Etwa 14 Tage vorher hatte ich einen ihrer üblichen Klagebriefe über das Elend ihres Lebens bekommen. – Auch darüber kann ich ihr nichts sagen. Sie leidet weder materielle Not noch hat sie sonst irgend welche Sorgen. Der Grund ihres Klagens besteht nur darin, daß sie allein ist. Das aber ist ihre eigene Schuld. Wenn sie nur ein wenig freundlicher zu ihrer Tochter u. ihrem Schwiegersohn wäre, würde sie dort auch mehr Freundlichkeit ernten. Auch anderen Anschluß hat sie, so viel sie will, aber sie hat sich selbst davon zurückgezogen, weil sie sich für besser hält, als andere. – Ich habe ich, um sie aufzumuntern ihr einen langen Brief geschrieben, habe ihr von meinem Plan erzählt, nach Ahrenshoop zu gehen usw. u. habe ihr, weil sie wiederum bissige Bemerkungen über meinen kathol. Glauben gemacht hatte, zu bedenken gegeben, daß ich selbst in diesem Glauben froh u. glücklich bin, obgleich mein materielles Leben sehr viel ärmlicher ist, als das ihrige, während sie nur immer vom Elend ihres Lebens zu schreiben wisse. Ich habe ihr gewünscht, daß Gott ihr die Augen öffnen möge u. daß sie endlich einsehen möge, daß dieses ihr Elend eben die Folge ihres Hasses auf die kathol. Kirche sei, – eines Hasses, der seinen ganzen u. einzigen Grund in den Zeitungslügen fände, die sie liest u. glaubt. Sie scheint mir das sehr übel genommen zu haben, denn gestern Abend fand ich eine Karte von ihr hier vor, auf der sie mir schreibt, daß sie infolge ihres Alters u. ihres Gesundheitszustandes auf meine Ausführungen nicht eingehen könne u. daß meinerseits Mißverständnisse vorlägen. Das ist immer wieder dieselbe Taktik. Sie selbst gefällt sich in verletzenden Bemerkungen über die kathol. Kirche, u. wenn ich darauf eingehe, – nicht, um die Kirche zu verteidigen, sondern um sie vom Irrtum zu befreien, dann ist sie beleidigt, dann ist sie zu alt u. zu krank, dann versteht man sie nicht. –

     Da ist nichts zu machen. Diese unglückliche Frau hat seit meinen Kindertagen ihrer ganzen Familie das Leben zur Hölle gemacht. Wir Kinder haben uns dem durch die Flucht entzogen so gut es ging. Nun macht sie sich selbst auch noch ihre letzten Lebenstage zur Hölle. Man darf sie nicht unter dem Gesichtswinkel des Normalen betrachten. Es sind ja garnicht die äußeren Verhältnisse, die sie quälen, denn sie lebt ja durchaus gut u. entbehrt garnichts. Sie quält sich selbst. Und das ist einfach pathologisch. Sie bereitet sich selbst ein Fegefeuer. Möge Gott sie bald erlösen! –

     Die Tage bei Maria waren um so schöner. Die Gefahr, daß ihr Sohn Kurt, mit dem ich in einem sehr gespannten Zustande bin, hier blieb u. mit seiner Mutter Weihnachten feiern wollte, war sehr groß. Seit einigen Jahren hat Maria ihren Verkehr mit mir vor Kurt verborgen, sodaß dieser glaubte, ich sei garnicht mehr vorhanden. [3] Es ist das bezeichnend für diesen Menschen, der ein grenzenloser Egoist ist u. nur das sieht, was er sehen will. Wenn er nur ein wenig nachdenken u. am Leben seiner Mutter Anteil nehmen würde, dann hätte er sich wohl schon längst fragen müssen, woher eigentlich der Übertritt zur kathol. Kirche bei seiner Mutter gekommen ist. Auch sonst hätte er zahllose Anzeichen bemerken müssen, aus denen er hätte entnehmen können, daß die Freundschaft zwischen mir u. seiner Mutter stets vorhanden war. Aber da er diese Freundschaft nicht wollte, so sah u. bemerkte er sie nicht. –

     Im Stillen habe ich die Heimlichtuerei Maria stets übel genommen, doch habe ich nie etwas dazu gesagt. Ich mische mich nicht in ihr Verhältnis zu ihren Kindern u. will auch nicht, daß dieses irgendwie durch mich getrübt wird. Aber ganz abgesenen von diesem Verhältnis zu den Kindern war diese Heimlichtuerei eine Lüge u. Unehrlichkeit, die häßlich war. Immerhin hatte Maria nicht allzuviel Gelegenheit ihre Freundschaft mit mir zu verheimlichen, da Kurt sich ja nicht viel um seine Mutter kümmerte u. seinem eigenen Vergnügen nachging.

     Nun aber war es ihm plötzlich einmal eingefallen, mit seiner Mutter Weihnachten feiern zu wollen u. Maria war vor die Wahl gestellt, ob sie dies mit mir oder mit Kurt tun wollte. Für mich bedeutete diese Wahl ein Symtom. Entschloss sie sich für Kurt, so war das für mich der Beweis, daß ich selbst nicht unter allen Umständen auf sie rechnen kann u. es wäre sehr fraglich gewesen, ob ich unter diesen Umständen den Plan, ihr im Sommer zu helfen, nicht besser fallen gelassen hätte. Es war ja dies gerade die Ursache gewesen zu unserer vorübergehenden Trennung: ich selbst habe so lange ich Maria kenne, meine eigenen, persönlichen Interessen in den Hintergrund gedrängt. Daß ich heute so ohne alle Hilfsmittel bin, ist ja die Folge davon. Jetzt mußte sich zeigen, ob Maria nun aus der damaligen Trennung gelernt hatte, ob sie nun zu mir stehen würde, oder nicht. Und zwar mußte sie zu mir stehen ohne jede Heimlichtuerei, ganz offen. Tat sie das nicht, so hätte es für mich keinen Zweck gehabt, im Sommer nach Ahrenshoop zu gehen, denn ich gebe dafür hier wieder einmal alles auf.

     Es war also eine wichtige Entscheidung – u. ich selbst habe keinen Finger gerührt, um diese Entscheidung zu beeinflussen. Es mußte das ganz ihre Sache sein. Nur das Eine habe ich gesagt: Eine Heimlichtuerei u. ein Schwindel kommt nicht in Frage. Ich habe verlangt, daß sie Kurt klar u. offen ihre Freundschaft zu mir bekennt. Im Übrigen war ich darauf gefaßt, daß ich Weihnachten für mich allein verleben würde.

     Maria hat die Wichtigkeit der Sache erkannt. Sie hat ihrem Sohn gesagt, daß sie Weihnachten mit mir feiern wolle. Kurt, der sich ja eingeredet hatte, daß ich nicht mehr da sei, war zwar im ersten Augenblick sehr überrascht, hat sich dann aber leicht getröstet [4] u. ist ins Riesengebirge gefahren, wo er sich, wie er nachher seiner Sekretärin gesagt hat „so gut wie noch nie amüsiert hat“, – sodaß er denn auch zu Neujahr gleich noch einmal dorthin gefahren ist.

     Für Maria ist das eine gute Lehre gewesen. Sie hat erkannt, wie töricht sie gehandelt hätte, wenn sie auf mich u. ein Weihnachten verzichtet hätte um sich ihrem Sohne zu widmen, u. sie hat dazu erkannt, daß der Verzicht ihres Sohnes, mit seiner Mutter zu feiern, eben garkein Verzicht war. Sie hat auch, ohne daß ich etwas dazu gesagt habe, begriffen, daß sie im anderen Falle sehr viel verloren hätte. –

So war unser Weihnachten wirklich schön u. der Segen Gottes war offenbar. Wir waren in St. Laurentius zur Mitternachtsmesse. Am zweiten Feiertag waren wir in Schmargendorf u. besuchten nach dem Hochamt P. Krächan u. Schw. Canisella. Wir frühstückten dort, P. Krächan war riesig aufgeräumt u. wir haben mit ihm u. Schw. Canisella viel u. herzlich gelacht. Zum Schluß schenkte mir P. Krächan 10,– Rm., – mächtig anständig! – Sonst waren wir stets zur Frühmesse in Laurentius, auch zur Jahres-Schlußandacht waren wir dort u. hörten eine ganz famose Predigt vom dem dortigen, handfesten u. prächtigen Pfarrer Kuzora. Auch gestern waren wir zum Hochamt dort. Der Pfarrer verlas einen Hirtenbrief der deutschen Bischöfe, der sehr lang, aber auch sehr ernst war. –

     Am Sonntag den 27. Dez. brach im Tunnel der im Bau begriffenen Nord-Süd-Bahn am Potsdamer-Platz Nachmittags ein Feuer aus. Das Feuer wurde gegen 5 Uhr Nachmittags bemerkt. Es waren lt. Zeitungsbericht insgesamt 17 Feuerlöschzüge u. zwei Feuerlöschboote in Tätigkeit. Das Wasser aus den Hydranten reichte nämlich nicht aus, weshalb die Löschboote Wasser aus dem Landwehrkanal an der Potsdamer Brücke pumpen mußten. Abens gegen 10 Uhr war das Feuer lt. Zeitungsbericht auf seinen Herd beschränkt. Alle Zeitungen brachten am Montag große Berichte. Es hatte Gefahr bestanden, daß das ehemalige Palasthotel einstürzen würde, da das Hauptfeuer grade im Tunnel unter diesem Hause wütete. – Am Dienstag aber stand in den Zeitungen nur eine ganz kurze Notiz, ganz unauffällig, nach der das Feuer garnicht so schlimm gewesen wäre, – es hätte zuerst nur so ausgesehen. „Über die Entstehungsursache ist nichts bekannt“, heißt es weiter! – Das ist sehr merkwürdig. Es bricht da ein Feuer aus, das nur so aussieht, als ob es ein Großfeuer ist, das aber in Wirklichkeit nur ein ganz unbedeutendes Feuer ist, an dem aber nichtsdestoweniger 17 Löschzüge u. zwei Löschboote 5 – 6 Stunden ununterbrochen löschen. – Merkwürdig! Und: „Über die Entstehungsursache ist nichts bekannt!“ – Man wundert sich. –

     Nun gibt es auch Fettkarten. Das Volk freut sich immer mehr über die Erfolge seiner Regierung. –

[5]      Inzwischen geht der Bürgerkrieg in Spanien fröhlich weiter. Wir lesen in den Zeitungen, daß Rußland Zehntausende von Freiwilligen, Flugzeugen, Tanks u. andern Waffen nach Spanien sendet, auch Frankreich liefert Waffen. Wir sind entrüstet darüber. Aber man erfährt, daß hier u. da die Eltern von Militärfliegern die amtliche Nachricht erhalten, daß ihre Söhne auf einem „Deutschlandfluge“ seien u. Adressen nicht angegeben werden könnten, die Eltern mögen Briefe da u. da hinsenden. – Wo mögen diese Flieger u. ihre Flugzeuge sein? Ist Deutschland so groß, daß man nicht weiß, wo sie sind?

     Und man hört, daß Handelsschiffe in Abwesenheit der Mannschaft mit Gütern beladen werden u. mit unbekanntem Ziel in See gehen. Der Kapitän bekommt einen Brief mit, den er erst an einer bestimmten Stelle auf See öffnen darf u. in dem angegeben ist, wohin er zu fahren hat. – Der Export Deutschlands scheint demnach erfreulich zu steigen, – aber da wir zugleich Fettkarten einführen, scheint es nicht so, als ob wir mit diesem „Export“ Devisen hereinbekommen. – Merkwürdig!

     Im Jahre 1933 wollte Herr Hitler nach vier Jahren Rechenschaft ablegen vor dem Volke über die Erfolge seiner Regierung. Diese Rechenschaft besteht vermutlich in dem jetzt von Herrn Göring verkündeten „Vierjahresplan“, – der unter genau demselben Schlagwort geführt wird, wie s. Zt. der Weltkrieg nach der verlorenen Marneschlacht, nämlich: „Durchalten!" –

     Offenbar damit das Volk abgelenkt wird von solchen Gedanken, beginnt der „Stürmer“ eine neue, fröhliche Hetze gegen die Kirche, sowohl gegen die Protestantische wie die Katholische. Juden sind nun nicht mehr genug da, gegen die der Stürmer hetzen kann, – jetzt kommt die Kirche dran. Ob man wohl vorbauen will? Vielleicht will man es jetzt schon so einrichten, daß die Kirchen eines Tages an allem Schuld sind, wenn die Sache schief geht!