TBHB 1937-04-28

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Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1937-04-28
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Entstehungsdatum: 1937
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Originaltitel: Mittwoch, den 28. April 1937.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 28. April 1937
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Einführung

Der Artikel TBHB 1937-04-28 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 28. April 1937. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1] Mittwoch, den 28. April 1937.

[1]      Nun bin ich schon fast 14 Tage in Ahrenshoop. Am letzten Abend vor meiner Abreise war noch Herr Bauer bei mir, er ging erst gegen 12 Uhr nachts fort. – Er erzählte mir von sich selbst. Er hat in Greifswald studiert u. ist durch den dortigen Pfarrer, von dessen Tüchtigkeit ich schon oft gehört habe, aufgerüttelt worden. Er hat aus irgend einem Grunde – wahrscheinlich, weil er ein Mensch ist, dem es schwer fällt, durchzuhalten, – sein Studium zu keinem endgültigen Abschluß gebracht, sondern hat sich dem Journalismus ergeben. Er ist nach Ost= (oder West?)=Preußen an irgend eine katholisch=konservative Zeitung gegangen, hat aber auch da nicht ausgehalten. Er hat dann den Plan gehabt, Theologie zu studieren u. zu diesem Zweck Benediktiner in Grüssau zu werden. Dort ist er als Postulant eingetreten, doch hat er wiederum nicht durchhalten können. So ist er dann nach Bln. gekommen, hat im Christkönigshaus gewohnt u. P. Petrus hat ihm vorgeschlagen, sich dort als Helfer zu betätigen. Selbstverständlich fühlt er sich auch dort nun sehr unglücklich, denn man beschäftigt ihn mit den unmöglichsten Sachen, u.a. mit Adressenschreiben u. ähnlichen Dingen. Die Anforderungen, die an ihn gestellt werden, kann er auch gesundheitlich nicht erfüllen, besonders das nächtliche Gebet kann er nicht leisten. Er ist offenbar ein Mensch von schwachen Nerven u. der Aufenthalt im Christkönigshaus wird für ihn auf die Dauer unmöglich sein. –

     Am Donnerstag, den 15. Apr. fuhr ich dann mit Maria nach hier. Wir trafen uns am Stettiner Bhf. am Zuge. Maria brachte die junge Frau Bittner mit, bei der sie in Bln. ihr Zimmer hat. Herr Bittner war schon am Tage vorher nach Ribnitz gefahren, weil er auf dem Flugplatz Pütnitz, den seine Firma gebaut hat, zu tun hatte. Heute früh ist das junge Ehepaar wieder abgefahren, sehr zu unserer Erleichterung, denn diese egozentrischen jungen Leute sind im näherern Verkehr nicht ganz leicht zu ertragen.

     Hier war das Wetter zu anfang unbeständig u. wurde dann überaus schlecht. Heute scheint zum ersten Male richtig die Sonne. Die Vegetation ist noch weit zurück.

     Am ersten Sonntag wollten wir gleich nach Müritz fahren, konnten aber nicht, weil das Auto nicht frei war. Dafür fuhren wir denn am zweiten Sonntag. – Es war überaus schön. Zwar war der Landweg infolge des anhaltend regnerischen Wetters in diesem Frühjahr direkt lebensgefährlich, aber in Müritz wurden wir reichlich entschädigt. Die kleine Kapelle dort, die keineswegs [2] besonders schön ist, umfing uns sofort mit ihrer ganzen, warmen Liebe u. Traulichkeit. Die Schw. Oberin Salesia spielte im Hochamt nach wie vor entsetzlich schlecht auf dem alten, klapprigen Harmonium, das viele Mißtöne von sich gibt, – der Rektor las anstatt einer Predigt einen Hirtenbrief des Bischofs Berning von Osnabrück vor u. einen ebensolchen vom Bischof von Trier – über die Schulfrage – u. man erkannte, wie die Situation unserer Kirche immer gefährlicher wird u. ein Ausgleich immer unmöglicher zu werden scheint; – alles das war eher unerfreulich als schön; u. doch fühlten wir uns eben zuhause, – wie bei der Mutter, deren Sorgen unsere Sorgen sind. –

     Nach dem Hochamt begrüßte uns Schw. Oberin Salesia, dann Schw. Katharina, die Gastschwester die uns u. die sonstigen Gäste stets so sorglich betreut, u. Schw. Ephrem, die Altarschwester, eine stille, innige Frau, die in ihrem Eifer für Gott über sich hinausgegangen ist u. nun verwelkt, – u. Schwester Wilhelma, die kleine, dicke, pummelige Hamburgerin, die Konvertitin ist u. für die es keine Probleme gibt. – Wir mußten wie immer bei ihnen frühstücken u. alle freuten sich, daß wir da waren. Es war so überaus schön u. herzlich u. zutraulich, so warm – (obgleich es kalt war!) – so heimatlich, so zuhause, daß wir diese ganze Woche hindurch fröhlich waren im Wissen, daß es ein solches Glück gibt. –

     Wir haben in diesem Jahre das große Haus wieder in Besitz genommen, u. um es zu bewirtschaften, haben wir ein Frl. Schmidt engagiert, welche die Schwester eines anderen Frl. Schmidt ist, die im vorigen Jahre hier war mit einer Familie, bei der sie als Kindergärtnerin angestellt war. Wir lernten sie kennen, weil die frühere Oberin aus Müritz, Schw. Lioba, sie an uns gewiesen hatte. Sie war nämlich früher einmal unter Schw. Lioba als Kindergärtnerin in Müritz tätig gewesen. Wir haben sie dann im vorigen Jahre einigemale nach Müritz mitgenommen u. sie hat uns damals von dieser jüngeren Schwester erzählt. Diese ist nämlich ebenfalls gelernte Kindergärtnerin u. in dieser Stellung hatte sie einen Herrn kennen gelernt, der als Ingenieur in einer offenbar gut bezahlten Stellung war. Er war Witwer mit Kindern u. wollte sie heiraten. Indessen war er Protestant, – u. da die Eltern strenge Katholiken sind, ergaben sich daraus natürlich Schwierigkeiten. Inzwischen ist diese ganze Sache zerronnen. Da aber jenes Frl. Sch. einen sehr guten Eindruck auf uns gemacht hatte, so kam damals schon der Plan zustande, daß wir uns der jüngeren Schwester annehmen wollten, – u. dieser Plan hat sich nun verwirklicht.

     Es scheint so als sollte dieser Plan wirklich segensreich werden. Das junge Mädchen ist durch dieses erste Liebeserlebnis u. seine Enttäuschung, mit der es geendet hat, offenbar recht tief berührt worden. Die Enttäuschung, die letzten Endes ja in ihrer Zugehörigkeit zur kath. Kirche ihre Ursache hat, hat zunächst, wie nicht anders zu erwarten ist, einen Groll auf diese Kirche hervorgerufen. Das schadet garnichts, es ist nur natürlich u. beweist nur, daß sie ein Mensch ist, der die Dinge nicht oberflächlich nimmt. Es wird an uns sein, sie nun im Glauben wieder zu festigen. So haben wir sie denn auch am Sonntag mit nach Müritz genommen. Zwar hat sie nicht kommuniziert, aber der Eindruck scheint tief gewesen zu sein. Die Schwestern, waren zu ihr genau so liebevoll, wie zu uns u. das hat gewirkt. Sie taut seitdem sichtlich auf, wird fröhlicher u. zutraulicher, dabei ist sie überaus fleißig u. macht den ganzen Haushalt mit Lust und Liebe.

     Das Ehepaar Bittner hat uns recht gestört, aber nun sind sie fort u. von heute Abend an werde ich jeden Abend um 9 Uhr mit Maria u. Frl. Schmidt Matutin u. Laudes beten u. zum Schluß die Komplet. Vielleicht können wir Sonntags wenigstens auch [3] die Vesper beten. Das wird sicher sehr schön werden.

     Gestern Abend bat das junge Ehepaar Bittner Maria u. mich zu einem kleinen Abschiedstrunk. Herr B. hatte eine Flasche Sekt mitgebracht, die wir gemeinsam austranken. Dabei kam das Gespräch zuerst auf Politik, welches ein gefährliches Thema ist, weil beide überzeugte Nationalsozialisten sind, u. dann auf Religion, – ein noch gefährlicheres Thema! Zufällig war ich grade gestern ziemlich klaren Geistes, sodaß ich viel sprach u. logisch den kathol. Standpunkt darlegen konnte. Ich hatte den Eindruck, daß meine Gedanken überzeugend waren, sodaß die jungen Leute keine Einwendungen machen konnten, vielmehr im Gegenteil sich willig von mir in eine ihnen fremde u. sonst verschlossene Gedankenwelt führen ließen. Ich bin sicher, daß dieser Abend sehr fruchtbar gewesen sein wird. Auf jeden Fall sind beide von einem fremden Geiste angeweht worden, – einem Geiste, nach dem sie irgendwie unbewußt eine heimliche Sehnsucht haben u. den sie entbehren. Diese Menschen sind so wie jemand, der um sein Erbteil betrogen worden ist, aber sie wissen es nicht. Nur manchmal dämmert ihnen eine Ahnung von dem Reichtum, den sie eigentlich besitzen sollten, auf den sie ein Anrecht haben.

     Im Geschäft, der Bunten Stube, geht das Leben langsam an. Es war in diesen Tagen fast immer zu kalt, um etwas dort zu tun, trotzdem habe ich ein wenig gezimmert, um eine bessere Möglichkeit der Auslage zu erreichen. Es ist so schwer, hier Handwerker zu bekommen, man kann nur das Notwendigste machen lassen u. auch hiervon bleibt manches unausgeführt. –

     Fritz ist voller Tätigkeit u. Fröhlichkeit. Er freut sich, daß wir hier sind. Auch die Dorfleute freuen sich, wenn sie mich begrüßen. Das ist alles sehr nett u. schön.