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TBHB 1938-10-23

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1938-10-23
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Entstehungsdatum: 1938
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Originaltitel: Müritz, den 23. Oktober (Sonntag) 1938.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 23. Oktober 1938
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Einführung

Der Artikel TBHB 1938-10-23 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 23. Oktober 1938. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1] Müritz, den 23. Oktober (Sonntag) 1938.

[1]      Es ist genau ein halbes Jahr her, daß ich nichts mehr in dieses Buch eingetragen habe.

     Die Sommersaison war ungewöhlich anstrengend mit ihrem täglichen zehnstündigen Dienst an der Kasse. Mehrmals war ich davon so erschöpft, daß wir am Sonntag nicht einmal hierher nach Müritz zur hl. Messe fahren konnten.

     Trotzdem gab es einige sehr schöne Ereignisse. Anfang Juli besuchte uns unvermutet Dr. Clemens Tetzlaff, der inzwischen Kuratus an der Marienkirche in Friedenau geworden war. Er hat dort zunächst einen überaus häßlichen Kampf zu bestehen gegen den Pfarrer Menzel, der sich mit allen Mitteln weigert, seinen Platz zu räumen u. nun seinem ehemaligen Kaplan in gehässigster Weise Schwierigkeiten bereitet. Dr. T. war eine ganze Woche lang Gast bei uns u. es waren sehr schöne Tage. Wir beratschlagten, wie wir wohl im nächsten Jahre am besten zu einer täglichen hl. Messe kommen können u. er will versuchen, es zu bewerkstelligen. An dem einen Sonntag, den er bei uns war, fuhren wir nach Müritz, damit er dort zelebrieren konnte u. es traf sich, daß P. Gelasius zur Erholung dort war u. das Hochamt hielt mit schmetternder Predigt. Zum Essen luden wir P. Gelasius ein, wir aßen in Müritz in einem Hotel, machten dann einen schönen Spaziergang u. waren nachmittags wieder zu Haue. Es war ein sehr schöner, unvergeßlicher Tag. P. Gelasius ist übrigens nicht mehr in Werl sondern ist Oberer in Münster geworden.

     Unter den Sommergästen dieses Sommers war die Wittwe der Stiefbruders meines Vaters, der gleich zu Anfang des Krieges als aktiver Offizier, Hauptmann einer M-G-Kompanie, gefallen ist. Seine Wittwe heiratete später einen Herrn Sorge, der zu der bekannten rheinländischen Industriellen-Familie gehört. Ich hatte sie ganz aus den Augen verloren. Nun tauchte sie plötzlich mit ihrem [2] Mann, einem sehr netten Menschen, in Ahrenshoop auf u. brachte auch ihre beiden Töchter, also meine richtigen Kusinen u. deren Männer mit. Die ältere, Inge, ist verheiratet mit einem Herrn Diel, Kaufmann in Köln, die jüngere, Maria, ist mit einem Schweizer, Dr. Ammann, in Berlin verheiratet. Auch meine Tante, die Frau Sorge, wohnt jetzt in Berlin-Dahlem.

     Geschäftlich war die Saison wieder recht günstig, aber sonst, war es wieder eine schlimme Zeit, die endlich ihren Abschluß fand mit den dramatischen Ereignissen, die um Haaresbreite am Kriege vorbei führten. Dieser Krieg aber ist nur aufgeschoben, was mit immer fürchterlicherer Gewißheit sichtbar wird. Diese Ereignisse haben das nationalsozialistische Regime keineswegs gefestigt, vielmehr stellt sich immer deutlicher heraus, daß der Führer unter seinen Getreuen erhebliche Einbuße erlitten hat. Man spricht überall ganz offen davon u. es sieht sehr besorgniserregend aus. Hinzu kommt, daß die aggressive Haltung der Regierung gegen die Kirche immer unverhohlener wird. Aus Wien kommen beunruhigende Gerüchte über ausländische Sender, – die ganze Welt spricht von den skandalösen Ausschreitungen gegen Kardinal Innitzer, nur wir in Deutschland hören nichts davon. Das Berliner Kirchenblatt ist seit langer Zeit ganz verboten, sodaß auch diese Quelle, die hier u. da etwas zwischen den Zeilen erraten läßt, verstopft ist. Es ist fürchterlich, wie sich die Dinge mit quälender Langsamkeit mehr u. mehr zuspitzen.

     Seit heute bin ich wieder hier in Müritz in St. Ursula, morgen Abend fangen die Exerzitien an. Ich bin von Schw. Oberin aufgefordert worden, bis Dienstag über eine Woche hier zu bleiben, weil dann grade Allerseelen ist. Ich habe das gern angenommen. Exerzitienmeister ist ein Jesuit.

     In der letzten Woche war das junge Ehepaar Faensen bei uns auf vier Tage zu Gast. Sie erwarten um Februar - März ihr zweites Kind u. haben mich gebeten, Taufpate zu werden.

     Ich war schon mehrere Stunden in der stillen friedlichen Kapelle. – Am letzten Sonntag nahmen wir übrigens auch von hier die beiden jüngsten Schwestern, Katharina u. Hildegardis, mit nach Ahrenshoop, sie waren beide ganz selig darüber. Nun wollen natürlich die anderen auch mal mitfahren.