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TBHB 1943-01

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1943-01
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Entstehungsdatum: 1943
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Originaltitel: Januar 1943
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom Januar 1943
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Einführung

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Der Artikel TBHB 1943-01 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom Januar 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 22 Seiten.

Tagebuchauszüge

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[1]
Freitag, 1. Januar 1943.     

     Gestern am Spätnachmittag Besuch von Prof. Heydenreich u. Frau. Er machte einen sehr kranken u. erschöpften Eindruck u. sprach fast nichts. Seine Frau quält sich sehr mit der Beschaffung von Lebensmitteln, wobei ihr Martha behülflich ist.

     Abends einfaches Abendbrot. Um 8 Uhr sprach Dr. Goebbels zum Volk eine halbe Stunde lang u. wußte nichts zu sagen außer Redensarten, die er mit theatralisch beschwingter Stimme vortrug. Der langen Rede armseliger Sinn war, daß wir „durchhalten“ müßten – genau wie im vergangenen Weltkriege. Ich bin gewiß, daß es in diesem Jahre zum großen Zusammenbruch kommen wird. Bei uns wird immer so viel geredet vom Rechte der „jungen Völker“, welches siegen müsse, dabei vergessen die Herren ganz, daß es in diesem Kriege nur ein Volk gibt, das auf diese Bezeichnung Anspruch erheben kann: Amerika.

     Gewiß ist auch mir Amerika unsympathisch, so wie einem eine Gesellschaft von Primanern oder Studenten im ersten Semester sehr unsympathisch sein kann in ihrer Ueberheblichkeit u. lärmenden Großmannssucht; aber Amerika ist das Kind Europas, – u. es wird nun heimkehren. Es wird Besitz nehmen von seiner Wiege u. seiner alten Heimat u. wird wahrscheinlich ein Museum daraus machen. Immerhin wird es ein christliches Museum werden – u. das genügt.

     Eben läutet Dr. Krappmann an u. bittet uns am Sonntag Nachmittag zum Kaffee. –

     Der Führer hat wie alljährlich eine Neujahrs-Proklamation erlassen. Er spricht davon, daß ein schwerer Winter uns bevorsteht. Im Jahre 1941 sagte er, daß die große Entscheidung zu unseren Gunsten bevorstehe. Im Jahre 1942 rief er Gott an, er möge uns den Sieg geben, und 1943 spricht er von den schweren Ereignissen, die kommen werden. Dabei wird das Volk weiter betrogen. Obgleich alle Welt davon spricht, daß unsere Armee bei Stalingrad seit Wochen eingeschlossen ist, wird darüber nie ein Wort gesagt. Zwar ist dann zugegeben worden, daß unsere Stellungen am Don durchbrochen sind, aber es ist bagatellisiert worden. Ueber den Ernst der Lage erfährt man nichts. Gestern hieß es, daß die Besatzung von Welikije Luki die Angriffe, „nach allen Seiten hin“ abgewiesen hätte, woraus man entnehmen kann, daß dieser Ort eingeschlossen ist. Man kann gespannt sein, wann der Fall dieses Ortes zugegeben werden wird. Es sieht wirklich sehr schlimm aus. Das Gottesgericht naht.

Sonntag, den 3. Januar 1943.     

     Gestern schneite es den ganzen Tag bei Windstille. Der Schnee verwandelte das Land in eine Zauberlandschaft. In der Nacht kam Wind auf u. wieder Tauwetter, die Wege sind Grundlos. Wir sollten heute bei Dr. Krappmann zum Kaffee sein, werden nun aber absagen, weil der Weg zu schwierig ist. – Der Heeresbericht von gestern Abend wußte [2] immer noch nichts vom Fall Wilikije Luki's, das die Russen angeblich schon vor drei Tagen erobert haben wollen. – Gestern Abend laß ich in der DAZ. die verschiedenen Aufrufe u. Tagesbefehle zum Neuen Jahre. Die Parole ist „durchhalten“ auf der ganzen Linie, von einer neuen Idee oder einem Plan ist keine Rede. – Je mehr ich über die Rolle Amerikas im jetzigen Ringen nachdenke, um so tiefer werde ich davon begeistert. Bei uns wird von der Bestimmung der „Jungen Völker“ viel geredet, – d. h. wenn es grade anders in den Kram paßt, dann sind wir auch das „zweitausendjährige Kulturvolk“, wobei wirklich kein Mensch etwas von dieser zweitausendjährigen Kultur entdecken kann; – aber wenn hier irgendwo ein junges Volk ist, dann kann es nur Amerika sein. Besonders im Anfang dieses Krieges war viel die Rede davon, daß Afrika zu Europa gehöre; aber in Wahrheit besitzt kein Volk Europas mehr genug Kraft u. vor allen Menschenüberschuß, um diesen Erdteil zu kolonisieren. Selbst Deutschland mit seiner Propaganda für Kinder hat es seit dem Bestehen der Nazis nicht weiter gebracht, als eben grade zur Erhaltung der Volksstärke, von einem Ueberschuß kann keine Rede sein. Solchen Ueberschuß braucht man aber, um zu kolonisieren, im anderen Falle ist die Kolonisationsidee Quatsch. In Wirklichkeit haben wir auch tatsächlich nicht kolonisiert, kaum, daß wir uns in Südafrika, diesem günstigsten Teil, gegen die Schwarzen u. gegen die Inder zu behaupten vermögen. In Nordafrika, besonders in dem französischen Teil, liegen die Verhältnisse noch viel schlechter. Die ganze Aequatorialzone ist doch heute noch für Weiße so gut wie unbewohnbar. Vergleicht man dagegen die Aequatorialzone Amerikas, so ist der Unterschied in die Augen springend. Gewiß gibt es im Amazonengebiet auch noch unbewohnbare Urwälder, aber nicht im Entferntesten so wie in Afrika, wobei die Amerikaner ja erst im Anfang dieser Erschießungsarbeit stehen, während wir sehr viel früher damit begonnen haben, ohne es auch nur im Entferntesten so weit gebracht zu haben wie jene. – Das Unglück ist, daß wir immer nur Landkarten von Europa oder solche von Amerika sehen, sodaß im Bewußtsein die Vorstellung erweckt wird, als ob diese beiden Erdteile nichts miteinander zu tun hätten. Man wird, wenn Amerika gesiegt haben wird, Landkarten des Atlantischen Ozeans herstellen, dann wird man sehen, wie eng Europa u. Amerika zusammenhängen. Vor allem wird man sehen, daß Grönland u. Island tatsächlich auch geographisch weit eher zu Amerika gehören, als zu Europa, das zur Kultivierung u. Besiedelung dieser Länder bisher auch noch nicht das Geringste getan haben. – Durch Amerika kommt überhaupt erst wieder eine positive Idee in der Betrachtung Europas auf. Bisher war diese Idee – seit dem ersten Weltkriege – nur negativ: Untergang des Abendlandes. Heute erkenne ich eine Morgenröte der Weißen Rasse als die Ansiedler [3] um den Atlantischen Ozean vom Norden bis Süden, wobei der Ozean nur ein Graben ist. Vor allem wird Afrika durch Amerika für die Weiße Rasse erst erschlossen werden, wozu das alte Europa garnicht mehr in der Lage ist. – Andererseits hat Europa nie aufgehört, das Land der Sehnsucht für Amerika zu sein, – die vielen Reisenden aus Amerika beweisen es. Amerika kehrt also heim, kommt zurück zu seinem Ursprung, – welch seltsames u. bewegendes Geschehen! Und es kommt nicht mit leeren Händen, sondern bringt uns seinen ganzen Reichtum u. seine ganze Jugendkraft mit. – Neulich las ich in der DAZ. ganz nebenbei von gewissen Verhandlungen Amerikas mit dem Vatikan. Man weiß darüber nichts, denn davon darf bei uns natürlich nicht gesprochen werden, doch denke ich mir, daß Amerika mit dem hl. Vater in Rom über diese Möglichkeiten gesprochen haben wird u. es ist für mich ohne Zweifel, daß der hl. Vater einer solchen Entwicklung jede nur denkbare Hilfe leihen wird. – Was Ostasien betrifft, so scheint mir, als hätten sich die Amerikaner mit den Japanern bereits verständigt. Es ist dort sehr ruhig geworden, selbst von den Salomoninseln ist nichts mehr zu hören. Japan ist ja bereits übersatt. Wenn es die bisher eroberten Gebiete behalten will, dann hat es auf Jahrzehnte hinaus zu tun, diese Gebiete für sich zu organisieren, eine Eroberung Australiens u. gar Indiens geht weit über die Kräfte dieses kleinen Volkes, geschweige denn eine Erhaltung u. Kolonisierung. In der Tat scheinen sie ja auch an dergleichen garnicht zu denken, – selbst die anfangs von Japan so sehr unterstützte Propaganda gegen Indien des lächerlichen Herrn Bose hat gänzlich aufgehört. – Aus diesem Grunde dürfte wohl auch bereits eine Entfremdung zwischen Japan u. uns eingetreten sein, diesem unnatürlichen Bündnis, das einen weit größeren Verrat an Europa darstellt, als das Bündnis Amerika – England – Sowjetunion. Gestern wurde die Abberufung der Botschafter aus Japan, Spanien u. Schweden mitgeteilt. Es mag leicht sein, daß der Botschafter aus Japan abberufen worden ist, weil er das langsam sichtbar werdende Abbröckeln Japans nicht zu verhindern vermochte. Auch mag es schmerzlich sein, daß Japan garnicht daran denkt, uns in dieser Stunde höchster Gefahr gegen Rußland zu helfen. Der abberufene Botschafter in Spanien dürfte ebenfalls enttäuscht haben, denn vor wenigen Tagen wurde der Abschluß eines Bündnisses zwischen Spanien u. Portugal bekannt. Von uns wird dieses Bündnis so hingestellt, als handele es sich um eine Verteidigung gegen Amerikanische Angriffe, doch halte ich es eher für möglich, daß dieses Bündnis seinen Blick auf Südamerika gerichtet hat. Es ist doch die Politik Spaniens u. Portugals, die Verbindung mit Argentinien u. Brasilien lebendig zu erhalten, u. wenn Iberien sich jetzt zu einem geschlossenen Block zusammenfindet, so glaube ich weit eher, daß es sich dabei um die positive Idee einer Zusammenarbeit mit den Südamerikanischen [4] Staaten handelt, als um die negative sog. europäische Idee handelt, welche doch Verneinung u. Abschließung bedeutet. Grade Portugal mit seinem umfangreichen afrikanischen Besitz könnte sich eine solche Politik garnicht leisten. Von uns aus gesehen handelt es sich aber bei Spanien dabei um eine Abkehr von dieser europäischen Idee u. der Botschafter wird nun dafür verantwortlich gemacht. Für uns ist die europäische Idee eben Alles, – weiter als bis zu diesem Gartenzaun können unsere beschränkten Geister u. „Staatsmänner“ nicht denken. – Und Schweden? – Nun, auch in diesem Lande ist es bis heute nicht gelungen, ein Feuerchen für diese europäische Idee zu entfachen, sondern grade in letzter Zeit scheint die Abneigung Schwedens noch wesentlich gewachsen zu sein. Man hat mir erzählt, daß in Schweden in allen Kinos der Film läuft, in dem Chaplin unseren Führer lächerlich macht, u. Lächerlichkeit tötet. Der Botschafter dürfte also in Wahrheit von Charli Chaplin abgesetzt worden sein, – eine tragikomische Ironie. – – Diese Betrachtungen geben mir wieder neue Zuversicht. Bisher sah in nur immer den Untergang des Abendlandes, jetzt sehe ich die Weiße Rasse am Beginn einer neuen, großen Periode, vielleicht eines Zeitalters. Vielleicht beginnt die Weiße Rasse jetzt überhaupt zum ersten Male ihre große, von Gott gestellte Aufgabe zu erfüllen u. es scheint mir als sicher, daß dies unter dem Kreuz Christi geschehen wird! –

Sonntag, 10. Januar 1943.     

     Welikije Luki ist nach unserem Heeresbericht immer noch in unserem Besitz. Wer lügt? Ich neige doch mehr dazu, unseren Berichten Glauben zu schenken. Möglicherweise hat der Ort auch schon mehrfach seinen Besitzer gewechselt.

     Teixeira de Pascoaes: „Paulus, der Dichter Gottes“, habe ich beendet. Das Buch steckt voll von geistreichen Bemerkungen u. Aphorismen. Ich lese es jetzt Abends Martha noch einmal vor. Begonnen habe ich: „Hieronymus, der Dichter der Freundschaft“, vom selben Verfasser. Es gleicht im Stil dem Paulus. Für „fromme“ Leute ist es nicht.

Mittwoch, 13. Januar 1943.     

     Sonntag Nachmittags bei Krappmanns zum Kaffee. Sie wohnen hübsch im Hause des Baurats Meisner in Althagen. Der Blick von der Höhe des Ufers, auf dem das Haus liegt, über den Bodden u. den kleinen Fischerhafen Althagen ist bestrickend u. gibt mir viel mehr als der freie Blick über das Meer, den man von unserem Hause aus hat u. der von allen Fremden immer so bewundert wird. – Es ist seit Sonntag sehr kalt geworden. –

Der Hyeronimus fesselt mich sehr. Abends lese ich Martha den Paulus vor. Zwar gehen beim Vorlesen die gedankentiefen Stellen verloren, aber das schadet nichts. Es ist, als ob man leicht über tiefe Abgründe hinweggleitet, ohne sie recht zu bemerken u. ohne daß man Furcht davor [5] bekommt. Solche Bücher wollen natürlich gekaut werden, ehe sie ihren Reichtum erschließen, aber beim Vorlesen tritt doch das Lebendige hervor u. füllt den Gegenstand mit Blut u. Leben. – Aus dem Nachwort des Uebersetzers zum Hyeronismus erfahre ich, daß Pascoaes ein Mann von 63 Jahren ist. Daß sein Paulus von den Theologen entschieden abgelehnt wird, ist fast selbstverständlich. Betrachtet man seine Gedanken so oberflächlich, wie Gedanken immer erscheinen, wenn sie sich in Worte kleiden u. Fleisch annehmen, so erscheinen sie wirklich sehr ketzerisch, u. das vertragen Theologen nicht. Diese sind gewöhnlich in ihrer dogmatischen Gottgläubigkeit ruhig u. satt u. das tiefe Wort des hl. Augustin „Unruhig ist unser Herz ...“ ist ihnen nur ein gemütvoller Spruch über dem Plüschsofa, auf dem sie ihr Nickerchen zu machen pflegen. „Unruhe ist die erste Menschenpflicht“, – so sagt, wie der Uebersetzer schreibt, der Spanier Unamuno. Es wäre sehr nützlich, wenn unsere Theologen etwas mehr von dieser Unruhe hätten, aber wie wenige erwachen selbst heute aus ihrem traulichen Nickerchen auf, wo die Welt in Flammen steht. Sie seufzen zwar tief u. beweglich über die „Entchristlichung“, die sich überall mehr u. mehr ausbreitet, aber sie denken nicht daran, ob ein Teil der Ursachen dazu vielleicht an ihnen selber liegt. Dabei ist es freilich schwer, zu sagen, inwiefern unsere Theologen an dieser Entchristlichung teilhaben. Ich denke dabei nicht an pflichtvergessene Pfarrer, die es immer gegeben hat u. immer geben wird, aber die bei uns in Norddeutschland, in der Diaspora, doch erstaunlich selten sind. Nein, ich denke da an die große Masse der „Ungeistigen“, die man leider auch in hohen Stellen findet. Sie sind voll eines höchst üblen geistigen Hochmutes, dessen Wurzeln wahrscheinlich in der offenkundigen Geringschätzung liegen, die ihnen von anderen Akademikern entgegengebracht wird. Sie glauben, mit diesem Hochmut sich wehren zu können gegen diese Geringschätzung, – sie pochen darauf, daß auch sie Akademiker sind u. Philosophie studiert haben. Sie sind nicht frei vom akademischen Dünkel u. leiden unter der Nichtachtung, – die Strafe für ihre Sünde. – Weil sie eine akademische Schulbildung genossen haben, glauben sie, auf jede eigene geistige Tätigkeit jetzt verzichten zu können, nachdem sie einmal ihre Examina abgelegt u. die Weihen empfangen haben. Diese Haltung wird unterstützt durch das Wesen der theologischen Wissenschaft, die ja ihre Grundlagen u. Voraussetzungen nicht philosophisch selbst finden muß, sondern die ihr durch Offenbarung gegeben werden u. an denen natürlich nicht gezweifelt werden darf. Das Verbot des Zweifels verführt sie zu geistiger Trägheit. Es scheint, daß dies um so schlimmer ist, je „hochgelahrter“ solch ein Kirchenmann ist, wogegen man mit einfachen Pfarrern u. echten Seelsorgern oft erstaunlich frei sprechen kann. Z.B. Dr. Tetzlaff u. Pfarrer Feige, den ich in diesem Sommer kennenlernte. Leider scheinen unsere Theologen den Zwiespalt zwischen dogmatischem Glauben u. dem Glauben des lebendigen Christenmenschen garnicht zu [6] spüren, oder wenn sie es tun, dann fühlt man deutlich den Hochmut des gottbegnadeten Kirchenmannes gegenüber dem einfachen „Volk“. Sie spüren den Zwiespalt schon, aber sie geben sich nicht damit ab, weil sie darin etwas Minderwertiges sehen, anstatt die Tragik darin zu erkennen. Es sind „untragische Theologen“ – trotz Verfolgung u. Konzentrationslager, – wenn sie Tragik empfinden, so denken sie dabei nur an dieses vermeintliche Unrecht, das man ihnen selbst antut. Daß eine tiefere Tragik in der Fessel des Dogmas liegt, das wollen sie nicht sehen. Sie sehen nicht die bedrängten Christenseelen unserer Zeit, seufzen aber zugleich über Gleichgültigkeit u. Entchristlichung. Pascoaes hat das in einem Brief an einen Jesuiten so ausgedrückt: „Wir sehen beide dasselbe Kreuz, Sie von den Höhen einer gnadenreichen Gewißheit, u. ich, nackt u. bloß, aus den Schächten meines brennenden Zweifels, – u. bleibt doch Christi Kreuz ...!“

     Hätten wir doch unter unseren Theologen mehr Vertreter einer solchen „tragischen Theologie“, – es würde besser um uns Christen stehen. –

Sonnabend, 16. Januar 1943.     

Vorwort zu Hieronymus: „So verhüllt Vergessenheit den Vormorgen unseres Daseins, der schemenhaft u. trüglich ist wie sein Ende. Wiege u. Grab sind nicht für die Augen dessen, der selbst darin liegt.“ – In der Tat ist der Gedanke, was ich war, ehe ich geboren ward, für mich noch viel befremdender als der, was ich sein werde, nachdem ich gestorben bin. Der Gedanke, daß ich irgendwann einmal angefangen habe, ein Mensch zu sein, erfüllt mich mit größter Verwunderung. Wir kennen nichts anderes als dieses menschliche Leben u. da man sich nichts vorstellen kann, was man nicht irgendwie kennt, so können wir uns vom Tode auch keine Vorstellung machen. Was man nicht denken kann, das gibt es nicht: „Das Leben glaubt nicht an den Tod, u. woran man nicht glaubt, das besteht nicht. .... Die Idee des Todes ist lediglich ein Erzeugnis unserer Vernunft. Der Tod ist eine Idee, weiter nichts.“ –

     „Aber der gemeine Mensch – Klaue u. Wurzel – zieht es vor, in die Erde einzudringen u. im Schlamm zu wühlen. Mit welch einer teuflischen Freude beschmutzt u. zerrupft er die weißen Schwingen, die sich von Zeit zu Zeit in seinem Herzen entfalten!“ –

Sonntag, 17. Januar 1943.     

Irak hat uns den Krieg erklärt! -

Inzwischen sind wir im Osten auf der ganzen Linie von Nord bis Süd immer noch in der Verteidigung gegen nicht nachlassende Angriffe der Russen. Nach unseren Berichten werden diese Angriffe stets unter sehr hohen Verlusten der Russen abgeschlagen, die dabei besonders ungeheuer hohe Panzerverluste haben. Wo kommen aber diese ungeheuer vielen Panzer her – nachdem wir doch schon so unzählig viele davon erbeutet u. vernichtet haben? Im Herbst 1941 sagte der Führer: von solchen Verlusten kann sich keine Armee mehr erholen! – Die Russen scheinen [7] sich aber doch erholt zu haben, – sie müssen weit im Osten eben ungeheure Fabriken haben, von denen bei uns vor Kriegsausbruch kein Mensch eine Ahnung gehabt hat. Es ist zu fürchten, daß die Leute bei uns noch von vielem anderen auch keine Ahnung gehabt haben, – u. vielleicht noch heute keine Ahnung haben!

     Herr Dr. Goebbels hat im Reich seinen üblichen Leitartikel erscheinen lassen: „Der totale Krieg“. – Daß wir einen „totalen Krieg“ führen, das war uns einfachen Menschen schon von Anfang an gesagt worden, aber nun soll er offenbar noch totaler werden! Herr Goebbels wendet sich mit einer befremdenden Gereiztheit gegen einen „gewissen kleinen Teil unseres Volkes“, der noch immer nicht die „unausweichliche u. harte Notwendigkeit“ dieses „Volkskrieges“ einsehen will. Obgleich er von einer „kleinen Minderheit“ spricht, hält er es doch für nötig, einen derartig geharnischten Sonderartikel gegen diese Leute zu schreiben, – obgleich er selbst zugibt, daß ein solcher Artikel Wasser auf die Mühle der Feindpropaganda abgeben wird. – Die Weisheit eines solchen Verfahrens bleibt mir verschlossen. Herr G. schreibt: „Wer diesen Krieg verliert, der wird von der Bühne der schicksalbestimmenden Mächte abtreten müssen; wer ihn gewinnt, der ist damit auch endgültig Herr seines eigenen Schicksals geworden,“ – u. er fährt fort, indem er die Meinung äußert, als hätten wir diese Sachlage noch nicht im vollen Umfange erkannt. – Oh doch, Herr Dr. G. – wir haben das längst erkannt, vielleicht sogar viel früher, als Sie selbst, – u. vor allem wäre es sehr viel besser gewesen, wenn der Führer diese Sachlage früher erkannt hätte. Dann wäre dieser Krieg vielleicht nie ausgebrochen. Hitler sagt in „Mein Kampf“ über die Orientierung der Ostpolitik, daß er aus zwei Gründen das Verhältnis Deutschland – Rußland besonders behandeln müsse, 1): weil es sich um die vielleicht entscheidendste Angelegenheit der deutschen Außenpolitik überhaupt handele, u. 2): weil diese Frage der Prüfstein sei, ob seine politische Fähigkeit, klar zu denken u. richtig zu handeln, ausreichend sei, – wobei er allerdings die Verantwortung etwas von sich persönlich abschiebt u. nur von der politischen Fähigkeit der NSDAP spricht. Er meint, daß ihm dieser zweite Punkt zuweilen bange Sorge mache, – – u. offenbar mit Recht! – Ausgangspunkt seiner Politik ist danach der Gedanke, daß nur ein genügend großer Raum auf der Erde einen Volke die Freiheit des Daseins sichern könne. – Ich nehme an, daß Herr Hitler diesen Satz auch für alle anderen Völker als gültig gelten läßt. – Nachdem Herr H. feststellt, daß wir bei Abfassung seines Buches keine „Weltmacht“ mehr gewesen wären, fährt er fort, daß es die große Mission der Nazis sei, aus uns wieder eine Weltmacht zu machen, d. h. neuen Grund und Boden durch Krieg zu erobern. – Nachdem er es ablehnt, sich etwa mit den alten Grenzen von 1914 zu begnügen, kommt er zu dem Schluß: „Deutschland wird entweder eine Weltmacht, oder überhaupt nicht sein!“

     Nachdem Hitler so seine Absicht, einen Krieg zu entfesseln, klar enthüllt hat, erklärt er genauerhin, daß er den alten Germanenzug vom [8] Osten nach Süden u. Westen abstoppen werde (was übrigens seit einigen Jahrhunderten bereits geschehen war) u. daß er den Blick nach dem Lande im Osten wenden wolle. Er nennt das: „Bodenpolitik der Zukunft,“ u. bemerkt dabei garnicht, wie er durch diese Schwatzhaftigkeit seine Karten aufgedeckt hat, ehe das Spiel überhaupt begonnen hatte. Er sagt schlicht u. einfach: „Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund u. Boden reden, können wir in erster Linie nur an Rußland u. die ihm untertanen Randstaaten denken.“

     Heute wundert sich Herr Hitler, daß die Russen das anscheinend auch gelesen haben – u. sich darauf eingerichtet haben!

     Herr H. verrät nun auch seine Ansicht, warum wir das mächtige Rußland besiegen würden. Er meint, der Bolschewismus habe die Russen ihrer Intelligenz beraubt u. grade diese sei germanischer Herkunft gewesen. Jetzt sei bloß noch minderwertiges Slaventum vorhanden u. damit sei das russische Reich so wie so reif zum Zusammenbruch. Natürlich sind auch die Juden an diesem angeblichen Zusammenbruch des minderwertigen Slaventums schuld, das ist selbstverständlich. – Es scheint, als ob uns gegenwärtig das Slaventum seine „Minderwertigkeit“, klar u. deutlich vor Augen führte!

     Herr H. entwickelt dann seinen schönen Plan, sich mit England gegen Rußland zu verbünden, da er offenbar dem deutschen Volke doch nicht allein einen Sieg über das minderwertige u. schon zusammengebrochene Slaventum zutraut. Er tut dabei so, als käme es beim Abschluß eines Bündnisses mit England nur auf uns an u. er schiebt Bedenken dagegen ganz naiv beiseite, indem er meint, daß den Nazis ein solches Bündnis selbstverständlich gelingen würde. – Nun, es ist Herrn H. eben nicht gelungen. Herr H. hat sich offenbar niemals überlegt, welches die Ursachen der Rivalität zwischen England u. Deutschland sind. Diese Ursachen wollte – u. konnte er garnicht beseitigen, aber er bildete sich ein, England würde auf alles verzichten, wenn er diesem Lande seine treudeutsche, biedere Hand erst einmal reichen würde. Er hat sich hier ebenso getäuscht, wie er sich in der Einschätzung Rußlands getäuscht hat, – u. auf Grund dieser Irrtümer hat er uns in diesen elenden Krieg geführt, aus dem wir niemals als Weltmacht hervorgehen werden. Also wird Deutschland „nicht sein“, wie Herr H. gesagt hat. – Und das merken die Herren nun allmählich u. deshalb fangen sie an, von einem totalen Krieg zu reden u. dem Volk den Teufel an die Wand zu malen für den Fall der Niederlage.

     Noch an einer anderen Stelle seines Buches führt Herr H. solche Gedanken spazieren. Er meint, daß, wenn man Grund u. Boden haben will, dies nur auf Kosten Rußlands geschehen könne, aber, fügt er hinzu, daß man dazu England als Bundesgenossen haben müsse. Dazu dürfe kein Opfer zu groß sein, man müsse auf Kolonien u. auf Seegeltung verzichten u. man dürfe den britischen Industrie keine Konkurrenz machen u. auf jeden Welthandel verzichten. Nun gut, – aber die Nazis haben seit ihrer Machtergreifung [9] das Gegenteil davon getan u. haben sich dazu noch als ihren Vertreter in London Herrn von Ribbentrop bestellt, der nach Möglichkeit das noch vorhandene Porzellan zertrampelt hat. Dafür ist dieser unfähige, aber gerissene Handelsvertreter heute unser Außenminister. –

     Wie aber werden wir aus dieser Sache wieder herauskommen? Einen eindeutigen Sieg wird es, wie ich glaube, jetzt so wenig geben wie im ersten Weltkriege, selbst wenn Rußland seinen Vormarsch noch weiter fortsetzen sollte. Ein Ende wird erst eintreten, wenn einer der Beteiligten schlapp macht. Der Kriegseintritt Iraks ist ein böses Zeichen u. rückt die Gefahr eines Kriegseintritts der Türkei nahe. Bulgarien u. Rumänien sind dann schwer gefährdet. Schließlich wird der Aufmarsch der Amerikaner in Afrika ja auch so weit sein, daß sie uns von dort endgültig verdrängen u. dann ist Italien nicht weniger gefährdet. Dort liegen also die schwierigen Punkte u. von dort her wird wahrscheinlich der Zusammenbruch erfolgen.

Abends.

     Heute abend gab der Heeresbericht endlich zu, daß Wilikije Luki von den Russen erobert worden ist. An allen übrigen Stellen der Front, auch bei Stalingrad, wurden natürlich alle Angriffe der Russen abgewiesen. –

     Zwischen 7 u. 8 Uhr kamen englische Flieger in sehr großer Zahl über das Dorf geflogen, man hörte noch bis gegen 10 Uhr Fliegergeräusch. Eine Bombe wurde irgendwo in der Nähe abgeworfen. Bei klarem Mondschein war der Himmel kreuz u. quer bedeckt mit Kondensstreifen. Gestern kamen sie auch schon zur selben Zeit, doch blieben sie nicht so lange, sie haben lt. Heeresbericht in Berlin Bomben geworfen. Die Rostocker Flak schoß heute abend, aber nur schwach. –

     Was mag in Stalingrad sein! – Die armen Jungens!

     Gestern abend war ich beim Frisör. Die Bude war wie stets sehr voll, denn der Frisör Bernhard Saatmann ist Grenzschutz u. kann sein Gewerk nur Sonnabends ausüben. Alle Leute dort waren sehr gedrückt. Der Sohn des Frisörs steht am Ihnensee. –

     Morgen sind es, glaube ich, zehn Jahre her, daß Hitler am Ruder ist, (Nein, daß die NSDAP zum ersten Male in Lippe eine Mehrheit erhielt.)

     Der Marschall Antonescu ist beim Führer gewesen. „Es wurde volle Uebereinstimmung festgestellt!" – Merkwürdig, daß der Mann dazu eine so weite Reise machen mußte! –

Montag, 18. Januar 1943.     

     Hieronymus:

     Für einen strenggläubigen Katholiken besteht der Teufel nur als Urheber des Bösen, nie aber als das schöpferische Prinzip. Er ist – u. doch auch nicht – eine Art Widersacher Gottes. Für mich (Pascoaes) hat das Böse seinen Ursprung in einem Verhängnis der Schöpfung, die weniger vollkommen sein mußte als der Schöpfer. Wir können seine Daseinswirklichkeit nicht dadurch [10] umgehen, daß wir es in einen Schatten verwandeln, einfach in das Nichtvorhandensein des Guten, gemäß der Dialektik Augustins. Das Böse ist die Schöpfung selbst, hinsichtlich der Artbeschaffenheit vom Schöpfer getrennt. Ohne diesen nach unten weisenden Abstand würde sich der Urheber in nichts von seinem Werk unterscheiden. Immer fließt das Wasser in einer von der Quelle wegführenden Richtung, – im Entspringen fällt es. Diese Beschränkung der Allmacht Gottes ist das Kreuz. Das Böse erscheint in der Kreatur als ein Stigma ihrer Minderwertigkeit, oder sagen wir ihrer Bedingtheit; u. in ihr, der Kreatur, erscheint das religiöse Gefühl als Kennmal des Schöpfers, als der geheimnisvolle Punkt, worin Geschöpf u. Schöpfer eins werden. ....

     Abends:

     Die Bombe, die wir gestern abend hörten u. die unser Haus ganz erheblich erzittern ließ, ist in Ribnitz herunter gegangen. Das Flugzeug scheint von der Rostocker Flak angeschossen gewesen zu sein u. mußte notlanden, vorher warf es seine Bombe ab, u. zwar über dem Wasser des Bodden. Die Besatzung, vier Mann, sprang mit Fallschirm ab u. landete wohlbehalten bei Damgarten, wo sie gefangen genommen wurde. Obwohl die Bombe ins Wasser gefallen ist, spricht man doch davon, daß es acht Tote gegeben hat u. zahllose zertrümmerte Fensterscheiben. – So erzählte mir Erichson, der Nachmittags mit Frau Ristow hier war, um sich zu verabschieden. Er war vierzehn Tage hier, doch haben wir ihn in dieser Zeit nicht gesehen. – Martha liegt mit Kopfschmerzen zu Bett, sie war gestern Abend schon nicht wohl, hoffentlich wird es nicht schlimm. – Von Ruth, Marthas Tochter, ein langer Brief. Sie versucht wohl, einzulenken. Es soll mir recht sein, aber ich kann mich dafür nicht mehr interessieren.

Dienstag, 19. Januar 1943.     

     Martha geht's noch nicht besser. Ich bin in Sorge, weil es nicht dieselben Kopfschmerzen sind, unter denen sie ja öfter zu leiden hat. Am Sonntag Abend, als die engl. Flieger über uns waren, fiel mir auf, daß ihr Gesicht sehr rot war. Ich führte es auf die Nervenaufregung zurück. Wir gingen dann bald schlafen. Am Montag war anscheinend alles wieder gut, erst am Nachmittag nach Erichsons Besuch klagte sie wieder über Kopfweh. Ich schickte sie gleich wieder in's Bett. Heute früh blieb sie liegen. Sie sieht schlecht aus u. klagt über ein Pochen im Kopf, im Scheitel. Ich habe ihr kalte, nasse Socken angezogen, darüber Wollsocken, früher hat das manchmal gut geholfen, denn es zieht das Blut vom Kopf ab.

     Vormittags an Marthas Vetter, Carl Ernst Wendt, Pastor in der Nähe von Stettin, geschrieben. Ich kenne ihn nicht, aber er hat uns vor einiger Zeit einen verspäteten, aber überaus sympathischen Brief zu unserer Verehelichung geschrieben. Er muß ein sehr frommer Mann sein, der ein christliches Hauswesen führt nach Art der ersten Reformatoren.

     Nachts hatte ich einen Traum, der mich so bewegte, daß ich davon erwachte. Ich war, wie ich es oft träume, in einer großen, fremden Stadt [11] ging teils darin umher, teils fuhr ich mit der Straßenbahn. Das Besondere aber war, daß ich ein Cigarrengeschäft betrat u. dort in einem Zimmer vor einem Holzaltar kniete, auf dem aber keine Altartücher lagen, u. vom Geschäftsinhaber die hl. Kommunion gereicht erhielt, zugleich auch ein Stückchen gewöhnliches Brot. Gleich danach erwachte ich.

     Fritz schreibt heute, daß seine Frontbuchhandlung in St. Quentin nach Toulouse verlegt werden soll, man hat ihm das gesagt, als er vor einigen Tagen in Paris bei seiner vorgesetzten Dienststelle war. Er hat gebeten, daß er vorher auf Urlaub fahren darf u. so erwarten wir ihn nun bald. In Toulouse soll er noch zwei Hilfskräfte bekommen, während er jetzt allein ist u. einen Vertreter brauchte, wenn er auf Urlaub fuhr. Man hat ihm in Paris gesagt, daß das jetzt nicht nötig wäre, er solle die Buchhandlung ruhig schließen. Nach dem Urlaub wird er dann alle Bücher einpacken u. nach Toulouse bringen müssen, – es sind etwa 25000 Bände, – eine große Arbeit, die Zeit beanspruchen wird. Die Neueinrichtung in Toulouse wird auch viel Zeit in Anspruch nehmen u. ich hoffe, daß er dadurch der Gefahr entgeht, nach dem Osten zu kommen, wo es immer böser aussieht. Unser Heeresbericht gibt jetzt zum ersten Male wenigstens indirekt zu, daß die Armee bei Stalingrad eingeschlossen ist, denn es heißt, daß die Armee sich gegen die von allen Seiten her angreifenden Russen wehren müsse, d.h. also, daß sie auch vom Rücken angegriffen wird. Das setzt aber voraus, daß die Russen sowohl vom Norden wie vom Süden den Don in sehr breiter Front überschritten haben u. mithin der ganze große Donbogen, den wir im Sommer in verlustreichen Kämpfen erobert hatten, wieder verloren ist. Daraus kann man schließen, daß Rostow bedroht ist, – sollte auch diese Stadt wieder verloren gehen, so ist damit die ganze Kaukasusfront abgeschnitten u. wahrscheinlich verloren. Aus verschiedenen Anzeichen ist zu entnehmen, daß die Russen den Don auch südlich Woronesch überschritten haben u. ziemlich weit vorgedrungen sind, sodaß unsere Nord=Süd=Verbindungen mindestens beinträchtigt sind, die übrigens westlich von Wilikije Luki weiter im Norden so wie so schon durchschnitten sein müssen. Wilikije Luki liegt nicht weit von der Lettischen Grenze, ein weiteres Vorrücken der Russen dort bedroht den Rückzug der ganzen bei Petersburg bis zum Ihnensee kämpfenden Armee. Das sind sehr düstere Ausblicke.

     In Afrika wird Rommel von der 8. Armee hart bedrängt u. er muß sich immer mehr auf Tripolis zurückziehen. Nur die Amerikaner tun in Tunis anscheinend garnichts. Sie stehen dort nun bald ein Vierteljahr, ohne bisher irgend etwas gegen Tunis unternommen zu haben. Wenn man aber die riesigen Entfernungen von Casablanka aus bedenkt, so scheint es verständlich, daß sie viel Zeit brauchen, um eine Etappenstraße auszubauen, ohne die sie eine Offensive nicht beginnen können. Wenn sie damit fertig sein werden, wird eine [12] Offensive wahrscheinlich schlagartig u. mit großer Gewalt eröffnet werden u. daß diese Erfolg haben wird, daran kann kein vernünftiger Mensch zweifeln. Zweifelhaft ist freilich, von wo aus der Versuch gemacht werden wird, nach Europa herüber zu kommen. Südfrankreich wird dafür kaum in Frage kommen, vielleicht nicht einmal Italien, sondern der Balkan, von wo aus dann unsere ganze Ostfront vom Rücken her gefaßt werden kann, vor allem Rumänien. Mit dem Verlust der dortigen Oelfelder wäre der Krieg für uns absolut verloren. Ein solcher Plan würde nicht der Genialität ermangeln.

Mittwoch, 20. Januar 1943.     

     Martha wieder gesund. – Erichson erzählte vorgestern eine Begebenheit, die fast wie eine der Schauergeschichten anmutete, mit denen der Prof. Dubovy, Lehrer für Apologetik, im Christkönigshaus seinen Schülern gruselig machte.

     Im Nachbardorf Niehagen gab es vor dem Kriege einen Mann, der sich mit Haut u. Haaren dem Nationalsozialismus verschrieben hatte, sodaß er der Ortsgruppenleiter des Dorfes wurde. Konsequenterweise trat er auch aus der Kirche aus u. er veranlaßte auch seine Frau dazu, die kritiklos ihrem herrlichen Mann folgte, wie jener dem Führer, obwohl sie in der letzten u. heimlichsten Falte ihrer Seele doch noch an Gott hing. – Nun war der alljährliche Parteitag in Nürnberg, u. dieser Ortsgruppenleiter war vom Ehrgeiz besessen, dabei zu sein. Er fuhr hin, holte sich in der nächtlichen Kühle des Zeltes, in dem diese deutschen u. kriegerischen Männer schliefen, eine böse Lungenentzündung und wenige Tage nach seiner Rückkehr nach Niehagen war er nur noch ein toter Held. –

     Die bestürzte Witwe lief nun schleunigst zum Pastor. Es war Pastor Hurtzig, ein noch junger u. charakterfester Mann, der inzwischen vor Petersburg gefallen ist. Sie brach in lautes Klagen aus u. bat den Pastor, ihren Mann christlich zu begraben. Der Pastor aber weigerte sich u. wies mit Recht darauf hin, daß er sich strafbar mache, wenn er jemanden christlich beerdige, der dies ausdrücklich im Leben nicht gewünscht habe. Die Frau weinte, jammerte u. schrie, der Pastor blieb aber fest. Der Mann wurde nationalsozialistisch begraben u. die Parteigenossen der Umgegend gaben ihm das letzte, kümmerliche Geleit. – Von diesem Tage an wurde die Witwe sonderbar, sie mußte ins Irrenhaus gebracht werden, wo sie kläglich gestorben ist. – Herr Prof. Dubovy würde glücklich sein, wenn er diese Geschichte erführe.

Sonntag, 24. Januar 1943.     

     Die Lage im Osten verschlimmert sich von Tag zu Tag. Außerdem hat inzwischen auch Chile den Krieg erklärt. Die Türkei ist noch ruhig, ihr Ministerpräsident hat sogar erklärt, daß sich die Türken gegen jeden Angreifer wehren würden, – aber türkische Journalisten [13] befinden sich auf englische Einladung in Indien. – Vorgestern ist Woroschilowsk gefallen. Die Russen nähern sich Rostow immer mehr u. die Gefahr der Abschneidung unserer Kaukasus-Armee wird immer größer, weshalb unser Heeresbericht jetzt zugibt, daß sich unsere Armee „vom Feinde abgesetzt“ habe. In Afrika ist Rommel erneut zurückgegangen u. hat Tripolis kampflos den Engländern überlassen. Er zieht sich auf Tunis weiter zurück. Es ist kaum zu fassen, daß die Amerikaner es noch nicht fertig gebracht haben, eine Vereinigung Rommels mit unseren in Tunis stehenden Kräften zu verhindern, obgleich sie schon fast 3 Monate in Afrika sind. – Inzwischen geht der Kampf unserer bei Stalingrad eingeschlossenen Armee weiter. Jetzt wird von uns erstmalig überhaupt zugegeben, daß diese Armee eingeschlossen ist. An einen Entsatz ist nicht mehr zu denken u. es wäre das Klügste, wenn sich die Armee ergeben würde, denn ihr Kampf ist völlig nutzlos, – nur daß sie russische Kräfte bindet; aber um einer eingebildeten „soldatischen Ehre“ willen werden hunderttausend Menschenleben (oder mehr) geopfert. Gestern u. vorgestern wurde von uns zugegeben, daß den Russen breite u. tiefe Einbrüche in die Verteidigungslinien gelungen seien, woraus man schließen kann, daß diese grausige Tragödie nun bald ihr Ende erreicht habe. Vorgestern sprach Frau Siegert, die Frauenschaftsleiterin des Ortes, – ebenso dumm wie fanatisch, – mit Martha. Sie sagte, daß ein Sohn ihrer Schwester bei Stalingrad sei u. daß man seit dem 12. Dezember nichts mehr von ihm gehört habe. Martha wollte ihre Teilnahme ausdrücken, worauf Frau S. nur die Achsel zuckte u. mit dem gleichgültigsten Gesicht erwiderte: „Ja, das ist eben nicht anders.“ Diese Bestien haben die letzten Reste menschlichen Gefühl's längst verloren, – oder haben vielleicht nie welches gehabt. Alles geht bei ihnen in Eitelkeit, Ruhmsucht, Großmannssucht unter. Eine anerzogene sogenannte Vaterlandsliebe ist stärker als die Liebe zu den Mitgliedern der eigenen Familie. –

     Diese Frau S. schenkte Martha ein sehr schönes, altes, geschnitztes Kruzifix, ein Sterbekreuz. Sie meinte, daß sie früher einmal gläubig gewesen sei, jetzt aber kein Interesse mehr für solche Sachen habe. Sie hat früher einmal an Gott geglaubt, – jetzt glaubt sie an Adolf Hitler. Ich werde ja wohl bald erleben, an wen sie dann glauben wird. –

     Ich lese zum dritten Male den Paulus von Pascoaes. Es wäre ja denkbar, daß der Fanatismus dieses Apostels garnichts anders ist als der Fanatismus unserer Nazis; aber dann ist es doch noch einleuchtender, für einen nur eingebildeten Jesus Christus zu sterben, als für einen wirklichen Hitler. Jener ist ein hohes Ideal, dieser ein Gefreiter, der es immer noch nicht zum Unteroffizier gebracht hat. Dennoch ist dieser Mann ein unbegreifliches Wunder, das sich vor meinen Augen abspielt. Ich begreife, daß seine Kreaturen ihm folgen, – aber daß auch Generäle [14] so blind sind, ihn für einen großen Feldherrn zu halten, das begreife ich nicht. Immer klarer wird erkennbar, daß dieser Mann bei Dünkirchen den Krieg genau so verloren hat, wie Moltke 1914 an der Marne. Hätte er einen starken rechten Flügel gehabt, dann wären ihm die Engländer bei Dünkirchen nicht entkommen, – er hätte nachstoßen können, selbst wenn ihm die Russen in den Rücken gekommen wären, – was keineswegs wahrscheinlich war. So mußte er die Engländer abziehen lassen u. gab ihnen Zeit, die Materialverluste zu ersetzen u. Amerika heranzuziehen. Die Engländer bezeichnen Dünkirchen nicht umsonst als großen Erfolg, – er war kriegsentscheidend! –

     Generalfeldmarschall Rommel in Afrika u. Generaloberst Paulus, Kommandeur der bei Stalingrad eingeschlossenen 6. Armee sind die beiden Offiziere, auf deren Schultern heute die Ehre der ganzen Deutschen Wehrmacht liegt. Man hat dem amerikanischen General Mc. Artur in gemeinster Weise die Ehre abgesprochen, weil er s. Zt. im Flugzeug die Inselfestung Corregidor verließ, um in Australien den Befehl zu übernehmen, nachdem die Uebergabe dieser Festung nicht mehr zu vermeiden war. Jetzt wird sich bald zeigen, was Rommel u. Paulus tun werden! Es wäre freilich undenkbar, daß deutsche Generale nicht die Konseguenzen ziehen würden, besonders nachdem die Russen der 6. Armee zur Vermeidung von weiterem Blutvergießen eine ehrenhafte Kapitulation angeboten hatten, die aber vom Generaloberst Paulus abgehnt worden ist. Diese Ablehnung ist zwar sinnlos, aber von einem überspannten Ehrbegriff aus doch zu verstehen. Es wird sich bald zeigen, ob der Armeeführer diesen selben Ehrbegriff anwenden wird, wenn es sich um die Rettung seiner eigenen Person handelt. Tut er das nicht, dann versinkt freilich das ganze deutsche Offizierkorps in einen Abgrund von Ehrlosigkeit. Das aber kann ich mir nicht denken.

     Im Reich hat Dr. Goebbels wieder seinen Leitartikel demselben Thema gewidmet, wie in der vorigen Woche, nur daß er sich diesmal nicht gegen die sogenannten Nichtstuer wendet, sondern gegen die Lokale, in denen diese Leute gern zu sitzen – oder ihre Einkäufe zu machen pflegen. Er hat wieder wie im vorigen Artikel erklärt, daß man für solche Dinge keine Gesetze u. Verfügungen erlassen könne. Ich frage mich vergeblich, warum nicht? Es werden ja sonst so viele Gesetze erlassen, warum nicht hier, wo es doch so einfach wäre. Man brauchte z.B. bei Geschäften doch nur die Umsätze festzustellen u. danach ihnen die Anzahl der Angestellten zuzubilligen, bzw. sie ganz zu schließen, – u. wenn heute Luxusbars unerwünscht sind, dann bedarf es nur einer Polizeiverordnung, um solche Lokale einfach zu schließen. Warum tut man das nicht? – Und in den Winterkurorten, über deren Publikum sich Herr Goebbels scheinbar so aufregt, braucht man nur eine Streife mit der Gestapo zu machen um alle diejenigen festzustellen, die ohne zwingenden Grund dort sind. [15] Diese Leute braucht man dann nur dem Arbeitsamt zu überweisen. Warum tut man es nicht? – Nun, man tut es nicht, weil es die Frauen der Bonzen sind u. weil in den Luxuslokalen dieselben Leute herumsitzen. Herr Goebbels, Herr Göring, Herr Ley, Herr Funk usw. haben es allerdings selbst nicht nötig, denn sie alle haben so schöne Besitzungen, daß sie u. ihre Familien den Krieg dort noch lange aushalten können, zumal sie ein Vielfaches von unserer Lebensmittel-Zuteilung erhalten.

Montag, 25. Januar 1943.     

     Warum hat Hitler Dünkirchen nicht ausgenutzt? Er hat in einer Rede darüber gesagt, daß er Dünkirchen nicht ausnutzen u. England nicht niederwerfen konnte, weil die Drohung Rußlands im Rücken war. Rußland hatte aber damals noch den bei Ausbruch des Krieges geschlossenen Vertrag mit uns. Mag es auch gern an der damaligen Grenze viel Militär gehabt haben, so beweist das nicht, daß Rußland uns angreifen wollte, es war ja selbst noch im Kriege gegen Polen u. mußte seine neue Grenze sichern. Außerdem mußte Rußland auf einen Angriff von uns vorbereitet sein, denn man hatte dort ja auch „Mein Kampf“ gelesen. Dort heißt es: „Duldet niemals das Entstehen zweier Kontinentalmächte in Europa! Seht in jeglichem Versuch, an den deutschen Grenzen eine zweite Militärmacht zu organisieren, u. sei es auch nur in Form der Bildung eines zur Militärmacht fähigen Staates, einen Angriff gegen Deutschland u. erblickt darin nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, mit allen Mitteln, bis zur Anwendung von Waffengewalt, die Entstehung eines solchen Staates zu verhindern, beziehungsweise einen solchen, wenn er schon entstanden, wieder zu zerschlagen! –

     Eine solche Militärmacht war freilich Rußland u. Hitler erblickte schon darin einen Angriff. Wie wenig Rußland in Wirklichkeit auf einen Angriff vorbereitet war, zeigt der Verlauf des Krieges deutlich. Heute ist R. vorbereitet u. es siegt. – In England sah Hitler eine solche Militärmacht nicht u. es war es auch in der Tat nicht. Deshalb ließ er die Engländer laufen, um sich gegen die Militärmacht Rußland zu wenden, um es „zu zerschlagen“.

     An anderer Stelle: „Denn unterdrückte Länder werden nicht durch flammende Proteste in den Schoß eines gemeinsamen Reiches zurückgeführt, sondern durch ein schlagkräftiges Schwert. Dieses Schwert zu schmieden, ist die Aufgabe der innerpolitischen Leitung eines Volkes; die Schmiedearbeit zu sichern u. Waffengenossen zu suchen, die Aufgabe der außenpolitischen.“ – Klarer kann man die Kriegshetze garnicht betreiben. –

     Ferner: „Die Außenpolitik des völkischen Staates hat die Existenz der durch den Staat zusammengefaßten Rasse auf diesem Planeten sicherzustellen, indem sie zwischen der Zahl u. dem Wachstum des Volkes einerseits u. der Größe u. Güte des Grund u. Bodens andererseits ein gesundes, lebensfähiges, natürliches Verhältnis schafft. – Als gesundes Verhältnis darf dabei immer nur jener Zustand angesehen werden, der die Ernährung eines Volkes auf eigenem Grund u. Boden sichert. Jeder andere Zustand [16] ....ist nichtsdestoweniger ein ungesunder u. wird früher oder später zu einer Schädigung, wenn nicht zur Vernichtung des betr. Volkes fühlen. – Nur ein genügend großer Raum auf dieser Erde sichert einem Volke die Freiheit des Daseins. – Dabei kann man die notwendige Größe des Siedlungsgebietes nicht ausschließlich von den Erfordernissen der Gegenwart aus beurteilen, ja nicht einmal von der Größe des Bodenertrages, umgerechnet auf die Zahl des Volkes. Denn, ..... kommt der Grundfläche eines Staates außer ihrer Bedeutung als direkter Nährquelle eines Volkes auch noch ein anderer, die militärpolitische, zu. Wenn ein Volk in der Größe seines Grund u. Bodens seine Ernährung an sich gesichert hat, so ist es dennoch notwendig, auch noch die Sicherstellung des vorhandenen Bodens selbst zu bedenken.“

     So ist dieses ganze Buch eine einzige Verherrlichung des Angriffskrieges. Aber Herr Hitler erzählt auch, wie er das friedliebende Volk in diesen Krieg hetzen will. Dazu sagt er: „Damit aber lautet die Frage einer Wiedergewinnung deutscher Macht nicht etwa: Wie fabrizieren wir Waffen?, sondern: Wie erzeugen wir den Geist, der ein Volk befähigt, Waffen zu tragen! Wenn dieser Geist ein Volk beherrscht, findet der Wille tausend Wege, von denen jeder bei einer Waffe endet!“ –

Dienstag, 26. Januar 1943.     

     Gestern waren wir bei Familie Neumann zum Abendbrot eingeladen. Es ist das schon feststehende Tradition geworden, daß wir jährlich einmal im Januar dort zu Abend essen. Es sind einfache u. gutmütige Leute. Vater Neumann hatte vorher, ehe er hierher kam, eine Schofförkneipe in Charlottenburg, Mutter Neumann ist eine schwarzhaarige Litauerin. Die Tochter Gretl hat als sehr junges – u. recht hübsches – junges Mädchen vor vielen Jahren bei uns im Hause als Sommergast gewohnt, u. zwar in dem Zimmer, welches jetzt mein Arbeitszimmer ist u. in dem ich dieses schreibe. Damals war das Kurhaus verkäuflich. Die sehr unternehmungslustige Gretl wollte ihre Eltern bewegen, das Haus zu kaufen. Besonders Martha unterstützte sie sehr darin u. so kam schließlich die Sache zustande. Die Familie hat seitdem eine rührende Anhänglichkeit an uns bewahrt. Nach ziemlichen Anfangsschwierigkeiten ist das Haus heute sehr gut fundiert u. Gretl, die nun auch schon nicht mehr ganz jung ist, ist als künftige Erbin sehr geschickt für ihr Geschäft tätig. Sie hat sich erstaunlich den Verhältnissen im Dorfe angepaßt, ist Duzfreundin der vornehmen Villenbesitzerinnen wie der Edlen v. Paepke, der Gräfinnen Dohna usw., benimmt sich tadellos, während Vater u. Mutter Neumann mir u. mich nicht unterscheiden können.

     Die Verwandten von Mutter Neumann, besonders ihre alte, jetzt 84jähr. Mutter, sind im jetzigen Kriege nach Deutschland gekommen. [17] Sie wohnen in Essen, bei einer anderen Tochter, die dort mit einem Arbeiter verheiratet ist. Infolge der letzten Luftangriffe sind sie nun wieder hierher geflohen, d.h. die alte Mutter mit dieser Tochter u. deren Tochter. Eine andere Tochter der alten Mutter ist in E. geblieben, – ihr ist bei einem Luftangriff ein Arm völlig abgerissen worden.

     Wir hatten Gelegenheit, diese eine Tochter – die Arbeiterfrau, – also eine Schwester unserer Frau Neumann, gestern Abend zu sprechen u. dabei die vollständige Verwirrung zu erkennen, in der wir uns infolge der Nazi-Propaganda befinden. Diese Arbeiterfrau aus Essen ist fast noch mehr wie Frau Neumann selbst der Typ einer polnischen Litauerin, was sie aber nicht hindert, deutsche Patriotin u. Nationalsozialistin zu sein. Das nennt man wahrscheinlich „Reinerhaltung der Rasse“. Die Frau erzählte anschaulich von der schrecklichen Wirkung der Luftminen, die die Engländer werfen u. damit ganze Häuserblocks vernichten. Die Bevölkerung sitzt derweil in Kellern u. Bunkern, schreit „Heil Hitler“ u. schimpft auf Churchil. Auf meine verwunderte Frage meinte sie ganz ahnungslos: ja, der ist es doch, der die Bomben schmeißen läßt. – Und dann erzählte sie alles, was darüber in der Zeitung steht, daß die Engländer damit angefangen haben u. daß sie nur immer auf die Wohnviertel ihre Bomben werfen usw. – Diese Menschen sind völlig unserer Propaganda ausgeliefert, es gibt nichts anderes für sie. Zum eigenen Nachdenken sind sie natürlich zu primitiv. So finden sie auch die Judenpolitik u. ihre grausamen Metoden durchaus in Ordnung, die Frau lachte darüber. – Es ist also völlig hoffnungslos, daß diese Menschen zur Einsicht kommen. Es wird die schwerste Aufgabe werden, diese einseitig verhetzten Menschen wieder auf einen menschlichen Standpunkt zurückzuführen. Das verwunderlichste war mir, daß diese Leute auch noch Wert darauf legen, fromme evangelische Christen zu sein. Besonders die Schwester, die den Arm verloren hat. Sie erzählte, daß diese Christen sich in einem Saal treffen, wo Harmonium gespielt, gesungen u. gebetet wird. Eine Pastorenfrau leitet diese frommen Zusammenkünfte, doch ist diese bei einem der letzten Bombenangriffe verrückt geworden u. ist jetzt im Irrenhause. Auf meine Frage, wie man Christ u. Nationalsozialist zugleich sein könne, wurde mir gesagt, daß das miteinander nichts zu tun hätte. Freilich: das eine ist praktisches Leben u. das andere ist fromme Gefühlsduselei. Diese Leute können ohne weiteres Jesus Christus ihren Bruder nennen u. gleichzeitig mit den grausamen Mördern von Hunderttausenden von Juden u. Polen paktieren, obschon diese letzteren dem Blute nach ihre Verwandten sind. – Es ist das wirklich ein teuflisches Bild.

     Ueber Rassenmischung sagt Hitler: Mein Kampf, daß der Arier, – also er meint damit in erster Linie den Deutschen, – die niedrigeren Rassen, also die Polen, unterwerfen müsse, um deren Betätigung unter seinem Befehl, nach seinem Wollen u. für seine Ziele zu „regeln“. Er fährt dann fort mit der Feststellung, daß sich die Scheidewand zwischen den [18] unterworfenen Rassen u. den Ariern, – in diesem Falle also zwischen den Deutschen u. den Polen, – verliere, sobald die Polen sich selbst zu heben beginnen u. sich auch sprachlich dem Deutschen nähern. Dann, meint Hitler, gibt der Deutsche die Reinheit seines Blutes auf u. verliert dadurch „den Aufenthalt im Paradiese“, er sinkt unter in der Rassenvermischung und verliert seine kulturelle Fähigkeit, „bis er endlich nicht nur geistig, sondern auch körperlich den Unterworfenen u. Ureinwohnern mehr zu gleichen begann als seine Vorfahren.“ – „So brechen Kulturen u. Reiche zusammen, um neuen Gebilden den Platz freizugeben.“ – „Was nicht gute Rasse ist auf dieser Welt, ist Spreu,“ – Herr H. dürfte mit solchen Betrachtungen durchaus Recht haben; aber die einzige vernünftige Folgerung daraus ist dann die, daß wir Deutschen überhaupt keine Rasse sind u. einen Anspruch auf Kulturführung garnicht haben, am wenigsten die Preußen, die so sehr mit polnischem u. litauischem Blute durchsetzt sind, daß man die Fremdlinge überhaupt nicht mehr bemerkt, obschon sie in ihrer eigentümlichen Sprache jedermann auffallen müßten, vom Namen ganz zu schweigen. Ich entsinne mich noch meines Erstaunens, als ich im Osten Berlins zwei Jahre zubrachte u. beobachtete, wie diese Polen, obgleich sie ganz im Deutschtum untergegangen zu sein schienen u. man sie garnicht bemerkte, in der Kirche doch immer noch ihr Eigenleben erhalten haben mit polnischer Predigt u. polnischen Liedern. Ich hatte zuweilen den Eindruck, in einer polnischen Stadt zu leben.

     Hitler kritisiert den Parlamentarismus in Deutschland, der in der Polenfrage weder einen Sieg des Deutschtums, noch eine Versöhnung mit Polen, dafür aber Feindschaft mit Rußland bewirkt habe. Was Hitler unter „Sieg des Deutschtums“ versteht, hat er in der Judenfrage gezeigt: Ausrottung! Was hat er nun getan? Eine Ausrottung der in Deutschland lebenden Polen im Sinne der Judenausrottung hat er nie gewagt, sonst hätte er Preußen, Schlesien, die Ostprovinzen, Berlin u. das westliche Industrierevier fast entvölkern müssen. Eine Versöhnung mit Polen hat er zwar schwächlich u. dem Scheine nach versucht, tatsächlich aber weder erreicht noch je ernsthaft gewollt, denn auch Polen entwickelte sich ja zu einem Militärstaat, der also nach seiner Ansicht mit Waffengewalt auszurotten war. Feindschaft gegen Rußland aber ist überhaupt die Richtlinie seiner Politik gewesen. – Was er aber weiterhin über Polenpolitik sagt, ist Folgendes: Er kritisiert am alten Deutschland, daß man, „eine Germanisation des polnischen Elements durch eine rein sprachliche Eindeutschung desselben herbeiführen zu können“ – geglaubt habe. Er meint, daß, – wenn dies gelungen wäre, – „das Ergebnis ein unseliges geworden wäre: ein fremdrassiges Volk, in deutscher Sprache seine fremden Gedanken ausdrückend, die Höhe und Würde unseres eigenen Volkstums durch seine eigene Minderwertigkeit kompromittierend.“ – Weiß denn Herr Hitler nicht, daß in allen eben genannten Teilen Deutschlands dieses Experiment tatsächlich gemacht [19] worden ist u. daß diese sogenannten Deutschen, – genauer: „Preußen“ eben tatsächlich heute, „ein fremdrassiges Volk, in deutscher Sprache seine fremden Gedanken ausdrückend“ sind?! – Herr Hitler, der Oesterreicher, ist es ja grade, der für dieses, „fremdrassige Volk“ der Preußen die Führung beansprucht u. es ist eigentlich erklärlich, daß dieses fremdrassige Volk ihm dafür zujubelt. –

Donnerstag, den 28. Januar 1943     

     Gestern wurde im Radio bekannt gegeben, daß sich Churchill u. Roosevelt in Casablanka getroffen u. eine Konferenz von zehntägiger Dauer über die Fortsetzung des Krieges abgehalten haben. Die gewiß sensationelle Nachricht, daß der amerikanische Präsident diese Reise nach Nordafrika unternommen hat, wie überhaupt diese ganze Konferenz, wurde bei uns zum Anlaß genommen, einen spöttischen u. witzelnden Kommentar im Rundfunk zu geben. Es ist zu erwarten, daß uns diese alberne Witzelei bald vergehen wird. Vorgestern Nacht waren erstmalig amerikanische Bomber über Wilhelmshaven u. wenn das schwere Motorengeräusch, das wir gestern abend hörten, nicht täuscht, so sind sie wieder über uns hinweggeflogen. – Natürlich wurde bei uns bewitzelt, daß Stalin zu dieser Konferenz eingeladen war, aber nicht erschienen ist, angeblich, weil er die Offensivaktion gegen uns selbst leitet u. deshalb unabkömmlich gewesen sei. Selbstverständlich ist das nur ein Vorwand u. man kann daraus wohl entnehmen, daß die Gefühle des Herrn Stalin gegen seine Bundesgenossen nicht übermäßig herzlich sind. Das ist nicht anders zu erwarten, denn so dumm ist Stalin auch nicht, daß er die innere Einstellung seiner demokratischen Bundesgenossen gegen den Bolschewismus nicht richtig erkennte. Und dieses ist in der Tat der einzige, schwache Hoffnungsschimmer, den wir Deutschen in der sonst nachtschwarzen Zukunft haben. Zum Witzeln haben wir aber wahrhaftig keinen Anlaß. –

Die Ergebnisse dieser Konferenz werden nun ja bald offenbar werden. Die Offensive der Russen scheint ja jetzt etwas zum Stillstand gekommen zu sein. Das furchtbare Geschehen in Stalingrad dagegen nimmt seinen unerbittlichen Fortgang. Dieses Geschehen ist ein Wahrzeichen für das, was geschehen wird. Hitler hat ja wiederholt erklärt, daß er niemals kapitulieren werde, d.h. mit anderen Worten, daß ganz Deutschland das Schicksal Stalingrads erwarten muß, falls nicht etwas Anderes geschieht. Das aber ist nicht zu erwarten, nachdem sich Hitler, Göring u. Himmler mit einer treu ergebenen Leibgarde umgeben haben, die im Laufe dieses Krieges ganz unauffällig immer mehr verstärkt worden ist. Aus dem früheren Regiment Herm. Göring ist inzwischen eine ganze Division geworden. Wenn es da einmal zum Bürgerkriege kommt, kann das ja nett werden! Die Hoffnung ist, daß Amerika u. England möglichst rasch ganz Deutschland besetzen werden, um uns vor dieser Grausamkeit zu bewahren. Sie werden das ja wohl tun müssen, denn dann wird wohl eine Auseinandersetzung mit Rußland unvermeidlich sein. England hat den Russen das Blaue vom Himmel herunter versprochen, aber gleichzeitig [20] hat es auch den Polen dasselbe u. vielleicht noch viel mehr versprochen. Das alles muß dann bereinigt werden u. man wird den Russen nicht so viel Macht einräumen, wie man es bei uns in den Zeitungen aus Propagandagründen schreibt. Stalin weiß das ganz genau u. deshalb läßt er seine Bundesgenossen in Casablanka ruhig verhandeln, um inzwischen seine Offensive möglichst weit vorzutreiben u. möglichst viel Land zu besetzen. –

     Unser Ortsgruppenleiter, Lehrer Deutschmann, sagte mir gestern vertraulich, daß am 30. Januar, am Tage der Machtübernahme der Nazis vor 10 Jahren, wieder verstärkt gesammelt werden soll. Wir haben in diesem Monat schon 60,– Rm. für diese Sammlungen hergegeben. Die Ortsgruppenleiter sollen zur Hebung der Begeisterung drei Tage lang in Uniform umherlaufen, – der Lehrer tut es aber nicht, weil er sehr richtig annimmt, daß das das Gegenteil bewirken würde. Sehr gespannt sind wir alle auf die Rede Hitlers, die am 30ten fällig ist. Ich fürchte, daß das Dröhnen der amerikanischen Flugzeugmotoren diese Rede sehr übertönen wird.

     Gestern waren Frau Schmidt=Kükenshagen u. ihre Tochter Frau Schönherr hier. Frau Schmidt sah sehr elend aus, ihr ältester Sohn ist gefallen. Der Mann von Frau Schönherr ist Oberleutnant u. fliegt oben am Nordkap.

Freitag, den 29. Januar 1943.     

     Heute vor 22 Jahren lernten Martha u. ich uns kennen. Diesen Tag begehen wir noch immer festlich; aber diesmal ist Martha krank u. ich mache mir Sorge. Sie klagt schon seit Tagen über Kopfschmerzen, die zwar besser werden, aber dann wieder zurückkehren. Gestern Abend sah sie schlecht aus u. heute früh hat sie ein verquollenes Auge. Vor einigen Wochen hat sie schon einmal etwas Aehnliches gehabt, doch ging es leicht vorüber. Jetzt bin ich in Sorge u. habe eben mit Dr. Meyer telephoniert. Er wird kommen, wenngleich der Weg so schlecht ist, daß er mit seinem Wagen nicht bis zu uns durchkommt, er muß das letzte Stück zu Fuß gehen. Wenn hier einer ensthaft krank wird, kann er sein Testament machen, ein Abtransport ins Krankenhaus ist kaum möglich.

     Heute morgen wurde im Radio bekannt gegeben, daß sich alle Männer im Alter von 16 – 65 Jahren u. alle Frauen im Alter von 18 – 45 Jahren bei ihren Arbeitsämtern zu melden haben zum Einsatz in der Kriegswirtschaft. So weit sind wir nun also schon gekommen. Wenn man mich auch holt, dann bleibt nichts anderes übrig, als das Geschäft ganz zu schließen, denn es ist ausgeschlossen, daß Martha das Geschäft allein versieht. Es ist das aber die allerletzte Reserve, die aufgeboten wird, danach kommt nichts mehr als der völlige Zusammenbruch. Stalingrad ist das Exempel. Die Nazis verteidigen ihre Position bis zum letzten Deutschen.

     Diese Sache wird reichlich Wasser auf die englische u. amerikanische [21] Propagandamühle abgeben u. die Siegeszuversicht unserer Gegner wird dadurch einen gewaltigen Auftrieb bekommen, – u. mit Recht. Die russische Offensive berichtet ebenfalls von neuem Geländegewinn westlich Woronesch, wo wir einen Brückenkopf hielten, den sie freiwillig aufgegeben haben, um „die Front zu verkürzen“. Es wird sich zeigen, ob wir hier die verkürzte Front halten werden. Auch im Süden, zwischen Don u. Kaukasus, hält der russische Druck an, wenngleich es auch so aussieht, als wäre es uns östlich Rostow gelungen, die Russen aufzuhalten, wenigsten so lange, bis wir diesen ganzen Südflügel geräumt haben werden. Wenn das jedenfalls nicht gelingen sollte, dann wäre dieser Südflügel restlos verloren. Durch seinen doppelten Angriff auf Stalingrad u. den Kaukasus hat uns das Feldherrentalent des Herrn Hitler in eine strategisch so gefährliche Situation hineinmanövriert, daß es unmöglich ist, ohne großen Schaden da wieder herauszukommen. –

     Amerikanische Flugzeuge haben vor drei Nächten Wilhelmshaven bombardiert u. gleichzeitig griffen englische Flugzeuge wieder einmal Düsseldorf an, das so wie so schon nur noch ein Trümmerhaufen ist wie Rostock. Das ist also von jetzt ab das, was wir zu erwarten haben. Während bisher die Engländer stets nur eine Stadt angriffen, werden von nun an die Amerikaner u. Engländer je eine Stadt angreifen, sodaß sich also die Luftgefahr um 100% vermehren wird, wenn nicht noch mehr, denn auch ein Rüstungswerk in Kopenhagen ist zugleich mit Bomben belegt worden. Die Dänen, die durch uns in diesen Krieg hineingerissen worden sind, mögen sich freuen.

Sonnabend, den 30. Januar 1943.     

     Dr. Meyer war gestern da. Er untersuchte Martha ziemlich gründlich u. diagnostizierte: Grippe. Außer Bettruhe u. Gelonida hat er nichts weiter verordnet, doch will er von der Apotheke aus Ribnitz etwas gegen die Kopfschmerzen schicken lassen. – Heute früh klagte sie über heftige Kopfschmerzen in der Nacht; die linke Gesichtshälfte ist ziemlich gedunsen. –

     Ganz Deutschland ist wahrscheinlich tief enttäuscht, nachdem gestern abend im Rundfunk bekannt gegeben worden ist, daß Dr. Goebbels um 16 Uhr eine Rede halten u. eine Proklamation des Führers verlesen wird. Alle waren begierig auf Adolf's Rede am heutigen Tage, aber er kneift. –

Sonntag, 31. Januar 1943.     

     Martha weiterhin krank, aber es ist wenigstens keine Verschlimmerung eingetreten. –

     Gestern um 4 Uhr hielt Dr. Goebbels seine Rede. Es war die größte Hetzrede, die ich je gehört habe, mit einem unüberbietbaren Haß vorgetragen, sehr oft unterbrochen von frenetischem Jubel der Sportpalast=Zuhörer u. haßerfüllten Zwischenrufen. Es ist schlechthin trostlos. Die Partei ist entschlossen, bis zum letzten Deutschen zu kämpfen, – u. sie wird es tun! – Von Fritz gestern Abend ausführlicher Brief u. heute früh kurze Nachricht. Er fährt am 2. Febr. auf Urlaub, bleibt dann bis Sonntag in Bln. u. [22] trifft sich dort mit seinem Stiefbruder Klaus, mit dem zusammen er am Montag bei uns eintreffen wird. In Bln. wird er seine bislang heimliche Braut treffen. Aus seinem gestrigen Brf. ist zu entnehmen, daß er entschlossen ist, ernst zu machen. Ich werde mich freuen, wenn es zu einer Heirat kommt, wenngleich ich voraussehe, daß diese Ehe sehr viele Schwierigkeiten mit sich bringen wird. Das wird bei Fritz aber immer der Fall sein, ob mit diesem oder einem anderen Mädchen, – u. an sich ist das kein Unglück. Das Leben ist nicht zum genießen da. So lange ich lebe, werde ich den jungen Leuten schon über die Klippen helfen u. vielleicht schenkt mir Gott noch so viele Jahre, bis sie beide allein weiterlaufen können. Das Mädchen ist sehr jung u. noch biegsam, da wird sich im Anfang noch viel machen lassen, wenn man klug u. vorsichtig ist. Anscheinend ist sie positiv zum Christentum eingestellt, das muß man pflegen u. stärken. Das Elternhaus dieses Mädchens ist freilich eine dunkle Null. Die Mutter, geborene Seeberg, Schwester des sogenannten Prof. Erich Seeberg, Theologe, – ist wohl noch religionsloser als ihr Bruder, der Vater Dr. Bohner ist Schriftsteller, ein verlotterter Mann, aber Sohn eines ehemaligen Schusters u. nachmaligen evang. Missionars in Afrika, der offenbar ein sehr frommer Mann u. bedeutender Christ gewesen ist. Vielleicht wird die Enkelin diese Anlage geerbt haben, – Gott gebe es. Wir wollen nun unablässig dafür beten! –

     Draußen haben wir 9° Wärme, vormittags 10 Uhr!

Abends: Martha nachmittags sehr krank, jetzt besser.

Im Radio wird bekannt gegeben, daß Generaladmiral Raeder auf den Posten eines „Generalinspektörs der Marine“ kaltgestellt worden ist. Für ihn hat der Admiral Dönitz, bisher Chef der U-Boote, das Kommando übernommen. Mit der Absetzung Raeders rechnete man schon längst. Man sieht, daß solche Gerüchte doch fast immer stimmen. In Italien ist der Oberkommandierende der Armee ebenfalls abgesetzt worden. Man führt das auf den Rückzug Rommels zurück u. man sagt, daß s. Zt. große Teile der italienischen Armee zu den Engländern übergelaufen seien, als Rommel noch in der Alamein-Stellung war. – Im Heeresbericht wird gesagt, daß „Generalfeldmarschall Paulus“, der Führer der 6. Armee in Stalingrad, an der Spitze der Reste seiner Armee immer noch in Stalingrad kämpfe. Er war bisher Generaloberst u. ist also jetzt Feldmarschall geworden u. – was wichtiger ist, – er ist bei seiner Truppe geblieben. Nach dem Bericht ist anzunehmen, daß dieses Drama nun vor seinem Ende steht. –

     „Wir werden siegen, weil wir unseren Führer haben!“ so sagte gestern Dr. Goebbels, – und – „unser Vertrauen in den Führer ist schlechthin nicht mehr überbietbar!“ –