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TBHB 1943-04-24

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1943-04-24
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Entstehungsdatum: 1943
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Originaltitel: Müritz, Karsamstag, 24. April 1943.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 24. April 1943
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Einführung

Der Artikel TBHB 1943-04-24 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 24. April 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Müritz, Karsamstag, 24. April 1943.     

[1]      Bin gestern Abend doch noch zur Beichte gewesen, als ich hörte, daß der Rektor noch um 1/2 9 Uhr für die Schwestern Beicht hörte. Ich schloß mich an. Nachher gleich schlafen gegangen, bzw. ins Bett gelegt, wo ich nicht gut schlafen konnte, weil ich im Bein Nervenschmerzen hatte. Mit diesen Schmerzen kündete sich ein kurzes, aber recht kräftiges Gewitter an, das gegen 1 Uhr Nachts sich entlud, – das erste dieses Jahres. Sehr viel Regen hat es nicht gegeben, ich fürchte, daß in Ahrenshoop kein Tropfen Regen gefallen sein wird.

     Heute früh um 6 Uhr Feuerweihe, dann die 12 Prophetien mit anschließender Allerheiligenlitanei, die ich ziemlich gut vorsang u. Ostermesse. Im vorigen Jahre war ich sehr enttäuscht, als der Rektor in dieser Messe keine hl. Kommunion austeilte. Deshalb steckte ich mich noch gestern Abend hinter die Altarschwester Ephrem u. erreichte, daß heute communiziert wurde. Der Gottesdienst war wieder sehr schön, leider singen die Schwestern überaus schlecht, sie können die einfachsten Sachen nicht. Besonders schlecht war das Alleluja, nur deutsche Lieder können sie.

     Das Wetter ist heute wieder sommerlich, wenngleich auch einzelne Wolken am Himmel sind. Der Rektor machte uns heute früh Sorge mit der Mitteilung, daß gestern Abend in Richtung Ahrenshoop viel geschossen worden sei u. daß Leuchtkugeln am Himmel gestanden hätten, doch ergibt sich aus näherer Beschreibung durch Schw. Katharina, daß es ein Uebungsschießen unserer Batterie gewesen sein muß.

     Schw. Ephrem sagte uns, daß ein Taubstummer, ein alter Mann, der am Donnerstag, kurz nachdem wir hier angekommen waren, aus Rostock hier eingeliefert worden war, heute früh gestorben sei. Er hat einen sehr sanften Tod gehabt. Gestern noch hat er, wie Schw. Ephrem sagt, immer auf das Kruzifix gedeutet, das die Schwestern auf der Brust tragen, dazu hat er in einer eigentümlich wissenden Art gelächelt u. dazu gestammelt: „Vater unser!“, u. dann hat [2] er zufrieden genickt. Da er aber nicht weiter krank war, hat man nichts darauf gegeben. Heute ist er nun gestorben. – Als ich um 3/4 3 Uhr zufällig über den Flur ging, öffnete sich plötzlich eine Tür, an der ich grade vorbei ging, u. man trug den Toten heraus, mit den Füßen zuerst. Ich sah nur die bloßen, bleichen Füße, der Körper u. der Kopf waren in weiße Tücher gehüllt. Man trug ihn die Treppe hinab. Gleich darauf sah ich vom Balkon meines Zimmers einen einfachen Plattenwagen, von zwei Pferden bespannt, im Schritt davonfahren. Es war Stroh ausgebreitet u. darüber lagen zwei alte, rote, verblichene Steppdecken. Wer nichts wußte, sah nichts als dieses. Mir aber zeichnete sich der Leichnam deutlich unter den Decken ab, – die Füße lagen in der Fahrtrichtung zum Kutscher hin, der Kopf hinten. Der Kopf schwankte leise hin u. her. Der Wagen fuhr im Schritt in Richtung auf den Friedhof davon. – Gott sei seiner armen Seele gnädig! –

     Nach dem Essen Versuch zu schlafen, der aber scheiterte, obgleich ich ziemlich müde war nach dieser durch das Gewitter u. vorher durch Nervenschmerzen gestörten Nacht u. dem recht anstrengenden Frühgottesdienst. Um 3 Uhr Kaffee u. dann mit Martha einen kleinen Wald=Spaziergang. Sie gibt sich rührende Mühe, die Bäume unterscheiden zu lernen u. ich helfe ihr dabei. Um 5 Uhr wieder zuhause, Martha besuchte noch die Schwester Anna im dicht bei uns liegenden evang. Diakonissenheim. In der Kapelle die Mette gebetet. Wurde gestört durch das Singen der Knaben, die im Hofe die bei der Jugend jetzt üblichen militärischen Marschlieder übten. Es ist das ein Teil der nationalsozialistischen Jugenderziehung. Es ist so wie im Kadettencorps in meiner Jugendzeit, nur daß heute die ganze Jugend ohne Ausnahme diesen Unfug betreiben muß. Ein Junge kommandiert mit schreiender Stimme alle anderen, die gehorchen müssen. Man nennt das: „Führerauslese“, d. h.: damit einer kommandieren kann, werden Tausende zu blind gehorchendem Herdenvieh dressiert. Das ist „nationalsozialistisches Führerprinzip“. Den Zusammenbruch dieses Prinzips werden wir ja bald erleben, wenn Hitler nicht mehr da sein wird. Es ist ja jedem Menschen absolut klar, daß von all diesen Kreaturen, die um ihn sind, kein einziger in der Lage ist, Führer zu sein.