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TBHB 1943-12-31

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1943-12-31
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Entstehungsdatum: 1943
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Originaltitel: Freitag, 31. Dezember 1943.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 31. Dezember 1943
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Einführung

Der Artikel TBHB 1943-12-31 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 31. Dezember 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Freitag, 31. Dezember 1943.     

[1]      Heute nimmt dieses schwere Jahr sein Ende u. ein viel schwereres u. grauenvolleres beginnt. Man darf wohl erwarten, daß das Jahr 1944 zu den grauenvollsten Jahren gehören wird, welche die abendländische Christenheit je erlebt hat. Möge Gottes Gnade uns helfen. –

     Gestern Nachmittag war Marianne Clemens mit ihrem Mann bei uns zum Tee. Dieser Mann ist wirklich ein sehr [2] anständiger u. sauberer Mensch. – Frau Monheim kam zu einem zwanglosen Schwatz dazu, wie sie es jetzt öfter tut. Auch vorgestern kam sie. Wir freuen uns darüber, denn obwohl sie in keiner Weise interessant oder gar geistvoll ist, manchmal sogar regelrecht langweilig, ist sie doch charakterlich so sauber u. ehrlich, daß es Freude macht, mit ihr umzugehen. Gestern war wieder ein schwerer Angriff auf Berlin, Frau M. hatte aber Nachricht, daß in ihrer Gegend nichts passiert ist, es scheint mehr der Südwesten betroffen zu sein. Berlin werden die Engländer im Januar wohl fertig machen. –

     Man spricht von nichts anderem mehr als von der nun zu erwartenden Invasion. England u. Amerika machen damit reichlich Propaganda, indem sie viel darüber sprechen u. schreiben u. jede Neuernennung von führenden Generalen herausposaunen. Sie erreichen damit, was sie wollen, eine steigende Nervosität. –

     Von Dr. Birkenfeld Brief. Er scheint seelisch völlig zusammengebrochen zu sein. Er schreibt aus Bad Nenndorf b. Hannover, wo er seine Familie untergebracht hat u. wo er selbst über die Weihnachtstage ist. Er bittet uns, daß wir uns nach einem anderen Bücherrevisor umsehen möchten, da er kein Interesse mehr hat. Ich habe ihm geschrieben, habe aber heute noch einen zweiten Brief hinterher geschickt mit dem Versuch, ihn daran zu erinnern, daß er doch Katholik ist u. daß dies seine einzige Rettung sein kann. Vielleicht wirkt es u. er kommt endlich zur Besinnung.

     Von Dr. Grimm-Hannover ein Brief mit einer Schilderung der furchtbaren Zustände dort. Er braucht Geld u. bietet uns sein Grundstück in Prerow an. Ich möchte es gern kaufen u. habe deshalb an Rütz in Ribnitz geschrieben. Man fürchtet sich, dergleichen zu kaufen, weil das Finanzamt möglicherweise unbequeme Fragen stellt, woher das Geld kommt.

     Herr Dr. Clemens erzählte von den Zuständen in Hamburg u. dem Schwarzhandel u. der Einmischung der Partei in die innere Verwaltung, wobei die zuständigen Ministerien in Berlin absichtlich übergangen u. ausgeschaltet werden, was bei der zunehmenden Desorganisation der Post u. des Verkehrs leicht möglich ist.

     Heute Nachmittag sind wir bei Söhlkes zum Thee. Wir haben versucht, diese Einladung zu umgehen, doch ist es leider nicht geglückt. Die Leute sind ja ganz nett, gehen uns aber nichts an. –

     Marthas Riesenarbeit die sie sich zu Weihnachten gemacht hat, scheint ja überall auf guten Boden gefallen zu sein. So weit man uns erzählt, sind die Leute überall voller Anerkennung über die Mühe, die sich Martha gegeben hat, damit jeder zu Weihnachten wenigstens eine kleine Freude hatte. Nur allein Frau Ristow machte eine Ausnahme. Sie schickte das Paket zurück mit einem ausgesucht verletzenden Brief. Sie gehört zu den wenigen Menschen, von denen wir bisher geglaubt haben, daß sie uns nahe stände. Das schreiben wir nun ab. Auch gehört sie zu den wenigen, die bisher, abgesehen von ihrem Freunde Erichson, – vom Kriege überhaupt noch keinen Schaden erlitten hat, – weder sie selbst noch einer ihrer Familie. –

     Außer der Versorgung der Einheimischen u. der vielen Bombengeschädigten, die hier Zuflucht gefunden haben, sind noch 100 Pakete an Auswärtige gegangen, aber ich fürchte, daß viele die Sendung nicht erhalten werden. Nun kann das Jahr des Schicksals 1944 beginnen! Am 27. Dezember war Pfr. Dobczynski hier u. hat ein Hochamt zelebriert. Wir waren zu 21 Personen. Die [3] Messe war um 9 Uhr morgens, der Weihnachtsbaum brannte, wir sangen eine deutsche Singmesse. Der Pfarrer blieb zu Tisch bei uns. Er war gesünder und frischer als sonst. Er erwähnte beim Essen, daß er an das Ordinariat in Berlin ein Gesuch gerichtet hätte, mir die missio canonica zu erteilen u. er meinte, daß er, falls dieses Gesuch nicht bewilligt werden sollte, von sich aus mich zu seinem Stellvertreter als Religionslehrer hier im Orte bestellen würde, damit man mir dann keine Schwierigkeiten mehr bereiten könne. Allerdings gilt das dann nur für katholische Kinder.