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TBHB 1944-04

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1944-04
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Entstehungsdatum: 1944
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Originaltitel: April 1944
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom April 1944
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Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel TBHB 1944-04 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom April 1944. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 10 Seiten.

Tagebuchauszüge

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[1]
Dienstag, 4. April 1944.     

     Unser Plan, wie alljährlich über Ostern nach Müritz zu fahren, wird sich wohl nicht verwirklichen lassen, da das Wetter in diesem Jahre zu schlecht ist. So milde der Winter war, so kalt ist der Frühling. Heute ist wieder scharfer Ostwind, der uns auf dem offenen Wagen schwer zusetzen würde. Martha, die so wie so schon seit längerer Zeit garnicht besonders widerstandsfähig ist, sieht selbst ein, daß eine solche Fahrt eine starke Anforderung ist. Sie telephonierte noch gestern mit Fr. Oberin Salsia. Auch dort würde unsere Unterbringung Schwierigkeiten bereiten, aber trotzdem wollten die Schwestern es einrichten. Da aber unser Pfr. Dobczynski uns geschrieben hat, daß er am Ostermontag nachm. um 4 Uhr bei uns sein will um bei uns das hl. Meßopfer zu feiern, müßten wir am Ostersonntag abends wieder hier sein. Er wird über Nacht bleiben u. am Dienstag früh nochmals bei uns Messe lesen. Martha ist traurig, denn sie hatte sich auf die Müritzer Tage gefreut, u. eine kleine Ausspannung ist ihr sehr nötig, sie ist von den geschäftlichen Dingen übermäßig belastet u. einige Tage in der ruhigen Umgebung im Müritz würden ihr sehr gut getan haben. –

     Am Sonnabend Abend waren Krappmanns bei uns mit Küntzels. Diese frieren auch im Monheim'schen Hause, aber sie sind dennoch dankbar, hier sein zu können. – Zwei Wochen vorher waren Triebsch u. Frau bei uns, ebenfalls mit Küntzels.

     Von Fritz Nachricht. Er ist weder nach dem Osten, noch nach dem Süden gekommen, wie erwartet, sondern wieder an die Kanalküste nach Granville.

Ostersonntag, 9. April 1944.     

     Wir sind nicht in Müritz, obgleich das Wetter seit Freitag besser geworden ist. Zwar ist es noch kalt, aber die Sonne scheint wenigstens. Es ist auch gut, daß wir hier geblieben sind, denn Martha ist garnicht wohl u. hätte die anstrengende Fahrt bestimmt nicht gut überstanden. – Küntzels haben wir in diesen Ostertagen bei uns, damit sie nicht frieren. Paul ist sehr nett, stets bescheiden, zurückhaltend u. sehr höflich, Grete ist schwerer zu ertragen. Ihre allzusehr betonte Bescheidenheit verbirgt nur schlecht die Ansprüche, die sie stellt u. sich dauernd verbietet u. jeden Sieg über sich selbst, – auch die bloß eingebildeten Siege, – verkündet sie mit lautem Gegagger wie eine Henne, die ein Ei gelegt hat. –

     Prälat Schreiber aus Münster war 1 1/2 Tage Gast bei Erich Seeberg. Leider mußte er sehr rasch wieder nach M. zurück, da er keine Zulassungskarte für die Eisenbahn bekommen konnte u. Ostern in M. sein mußte, – so habe ich ihn leider nicht kennen gelernt. Er hat in Aussicht gestellt, im Sommer noch einmal herzukommen u. dann 14 Tage zu bleiben.

     Im Garten Stiefmütterchen, Bartnelken u. Goldlack gepflanzt. Bei der Vorbereitung für die Stiefmütterchen-Pflanzung mußte ich am Donnerstag Vormittag Quäcken herausholen. Der Boden war noch eiskalt, sodaß ich nachher ganz abgestorbene, weiße Finger hatte, die sehr schmerzten. Als ich dann in mein Zimmer ins Warme kam, mußte ich mich in den Sessel setzen, weil mir schlecht wurde. Ich erlitt dann einen regelrechten Ohnmachtsanfall u. als ich daraus erwachte einen ungewöhnlichen Schweißausbruch mit Brechreiz u. großer Elendigkeit, sodaß ich schließlich ins Bett mußte, wo ich dann fest einschlief. Am Nachmittag hatte ich diesen Zustand, Gott sei Dank, wieder überwunden.

     Fritz sandte für Martha zu Ostern ein paar entzückende [2] Bettschuhe aus weißem Lammfell. –

     Politisch u. auf dem Kriegsschauplatz ist nichts Besonderes passiert. Unser Widerstand hat sich vor den Karpaten u. an der rumän. Grenze, ebenso vor Lemberg, versteift u. der rasche Vormarsch der Russen scheint vorerst gestoppt zu sein. Die Engländer u. Amerikaner sind ebenfalls sehr zurückhaltend geworden in diesen Ostertagen, nachdem sie jüngst recht erhebliche Verluste an Flugzeugen erlitten haben; aber es ist zu erwarten, daß der Angriff bald nach Ostern einsetzen wird. Am 20. April ist des Führers Geburtstag u. wahrscheinlich werden sie zu diesem Tage allerhand vor haben. Nachdem seit Jahren die Sitzungstermine des engl. Unterhauses in London streng geheim gehalten worden sind, hat man jetzt laut verkündet, daß am 18. April eine Unterhaussitzung stattfinden wird. Wozu sagt man das jetzt plötzlich, wenn die Engländer nicht sicher wären, daß Churchil dem Unterhause etwas besonders Wichtiges an diesem Tage mitzuteilen hätte? Vielleicht beginnt am Morgen dieses Tages die Invasion!

     Eben scheint es, als ob ein amerikan. Geschwader nördlich von uns eingeflogen ist, zu sehen ist nichts, aber das Motorengeräusch ist typisch.

     Freitag Abend hörten wir im Deutschlandsender die Matthäus-Passion von Joh. Seb. Bach, von den Wiener Philharmonikern aufgeführt. Wieder ein großer Eindruck, Martha hörte sie zum ersten Male, ich selbst hörte sie damals, als ich bei P. Albertus noch zum Konvertiten-Unterricht ging, in der Garnisonkirche in Berlin. Am Donnerstag Abend mußte ich mir aus Gefälligkeit gegen Paul den 3. Akt des Rosenkavalliers anhören. Paul ist begeistert für Strauß. Ich fand es einfach langweilig, mindestens überflüssig. Der Unterschied zwischen Bach u. Strauß war auf diese Weise sehr sinnfällig. Man kann eben die Musik auch dazu mißbrauchen, solch alberne Sachen zu komponieren, wie man ja auch die Sprache dazu mißbrauchen kann, Witze zu erzählen.

     Am letzten Mittwoch beendete ich meine Vorträge über die Erlösung u. den Erlöser. Obgleich ist schlecht disponiert war u. den Eindruck hatte, nichts Wesentliches gesagt zu haben, behauptet Martha zu meinem Erstaunen, daß es einer meiner besten Vorträge gewesen sei. Auch die anderen Teilnehmer sollen besonders befriedigt gewesen sein. Es kommt mir komisch vor. – Am kommenden Mittwoch beginne ich mit der Lehre von der Kirche. –

     Eben 1215 hört man von Rostock schwere Detonationen. Der Agriff muß sehr schwer sein, die Scheiben u. das ganze Haus zittert. Ein schönes Osterfest für die bedauernswerten Menschen.

Dienstag, den 11. April 1944.     

     Gestern Nachmittag um 4 Uhr begann unser Gottesdienst beginnend mit Beichte. Es waren 19 Teilnehmer anwesend, u. a. Dr. Krappmann mit Frau, auch R-A. Vogt mit Frau, er ist über Ostern auf Urlaub hier. Gesprochen habe ich ihn nicht, da er gleich fortging, offenbar weicht er mir aus. Pfr. Dobczynski sprach sehr innig, er ist ein Pfarrer, wie man ihn nur selten findet. Die Gemeinde Barth kann sich freuen über diesen Seelsorger, der unermüdlich allen verlorenen Seelen nachgeht bis in die entferntesten Winkel seiner Pfarrei. Der Erfolg bleibt auch nicht aus. Er ist jetzt seit sieben Jahren in Barth u. hat in dieser Zeit sehr viel geleistet. – Nach dem Gottesdienst aßen wir gemeinsam zu Abend, gingen dann aber bald schlafen, da besonders Martha sehr erschöpft war. Heute früh hatten wir um 8 Uhr noch eine stille Messe, an der nochmals 12 Personen teilnahmen. Wir frühstückten dann zusammen u. dann [3] holte Frau Sommerhof den Pfarrer ab zur Taufe ihres jüngsten Kindes. Gegen 11 Uhr war der Pfarrer wieder zurück u. er machte sich dann gleich auf den Weg nach Born, wo er auch wohl noch jemanden besuchen wollte. –

     Am 2. April griffen die Engländer unser Schlachtschiff Tirpitz an u. es wird gesagt, daß erheblicher Schaden verursacht worden ist. Auf diesem Schiff ist der Sohn von Erich Seeberg Marinepfarrer u. S. ist deshalb in großer Sorge. Eben rief er mich an, er habe einen Brief vom Prälaten Schreiber erhalten, in dem er in Aussicht stellt, daß er im Sommer nochmals herkommen möchte u. daß er dann bei uns Messe lesen wird. –

     Heute im Laufe des Tages fanden wieder Luftangriffe der Amerikaner statt. Man hörte um die Mittagszeit das typische Geräusch amerikan. Maschinen, doch war nichts zu sehen, da es nebelig war. Am Ostersonntag galt der Angriff Warnemünde, wo angeblich die Arado-Flugzeugwerke völlig vernichtet sein sollen.

     Es scheint doch nicht zu gelingen, die Russen am Südteil der Ostfront aufzuhalten, wenngleich wir ihnen den weiteren Vormarsch wohl auch erschweren. Auch die Truppen, die noch immer auf der Krim stehen, sind nun wohl verloren, nachdem heute der Verlust von Odessa bekanntgegeben worden ist.

Sonnabend, 15. April 1944.     

     Heute war ein Tag voller Hiobsbotschaften. Morgens erhielt ich mit der Post vom Wehrbezirkskommando den Befehl, am 25. April bis 10 Uhr in Stralsund im Hermann Göring-Heim, Triebseerdamm mich zur ärztlichen Untersuchung zu melden. Die Untersuchung soll nur aus „personalwirtschaftlichen Gründen“ erfolgen, eine Einberufung ist z. Zt. nicht beabsichtigt. Was ich mir unter personalwirtschaftl. Gründen vorstellen soll, weiß ich nicht.

     Am Nachmittag kam Frau Dr. Daubenspeck, von der wir vor einigen Tagen gehört hatten, daß der Zeichner Plauen, mit bürgerl. Namen Oser, welcher in Bln. im Hause des Dr. D. wohnt, weil er ausgebombt ist, Dr. D. selbst aber als Arzt bei der Wehrmacht ist u. seine Frau hier eine Wohnung gemietet hat, verhaftet worden sein soll. Frau Dr. D. erzählte, daß Plauen zusammen mit einem Freunde, einem Joumalisten, der ebenfalls im Hause von Dr. D. untergekommen war, zum Tode verurteilt worden sei. Der Journalist ist bereits hingerichtet worden, während Plauen sich der Hinrichtung durch Selbstmord entzogen habe. – Frau Dr. D. sagte, sie hätte einen Freund ihres Mannes u. dessen Frau, nachdem diese ausgebombt worden waren, ebenfalls Unterkunft in ihrem Hause gewährt u. dieser Mann habe Plauen u. seinen Freund wegen zersetzender Reden denunziert. –

     Am Abend las ich im Rostocker Anzeiger folgende Anzeige:

„Nach Gottes hl. Willen starben am Osterdienstag durch Feindeinwirkung

Standortpfarrer Kaplan Hermann Fühler, Pfarrvikar P. Wilhelm Köning, Pfarrvikar Gerhard Bußmann, Schwester M. Agnesia, Schwester M. Albina, Pfarrhelferin Maria Lohle, Frl. Anna Wolka und Frau Helene Smajewski, geb. Kapusta. – Das Requiem ist am Montag, 17. 4. 8.30 Uhr, in der Kreuzirche hinter der Universität, die Beerdigung Montag, 13 Uhr, von der Hauptkapelle des neuen Friedhofs. Im Namen u. im Auftrage aller Angehörigen: Dechant Hemesaat, Seestadt Rostock, 14. 4. 1944. – Nach dieser Anzeige scheint [4] bei dem schweren Angriff am Osterdienstag auf Rostock, von dem wir hier merkwürdigerweise garnichts bemerkt haben, auch unsere Kirche in Rostock mitsamt dem Pfarrhause zerstört worden zu sein. – Furchtbares Geschehen! –

     Auch einen Brief von Fritz erhielten wir, in dem er uns mitteilte, daß sein Kommando zum Stabe wieder aufgehoben u. er zur Kompanie zurückversetzt worden sei. Er war zum Stabe versetzt worden, um Karten zu zeichnen, jedoch ist er völlig unbegabt zum Zeichnen. Ich habe mir bald gedacht, daß daraus nichts werden könnte. Er hatte sich, wie er schrieb, dort beim Stabe schon so bequem eingerichtet u. ich ärgerte mich in gewisser Weise darüber. So sehr ich ihm Gutes gönne, hielt ich es doch für an der Zeit, daß er endlich einmal aus seinem bequemen Privatleben rausgeworfen würde. –

Sonntag, 16. April 1944.     

     Andacht mit Martha u. Grete, welche ganz überraschend kam, nachdem sie in letzter Zeit stets gefehlt hatte. –

     Es beginnt nun die Woche, von der ich entscheidende Ereignisse erwarte. Uebermorgen ist die Unterhaussitzung in London angesagt, am 20. Apr. hat Hitler Geburtstag, der kommende Sonntag ist in England ein besonderer, allgemeiner Gebetstag der anglikan. Kirche, wie es heißt: in Anbetracht der schweren Ereignisse. Man würde einen solchen Gebetstag nicht ansetzen, wenn nicht ganz besondere Ereignisse erwartet würden. – Viele Leute, auch Paul, sind der Meinung, daß das alles nur Bluff sei um uns zu veranlassen, unsere Divisionen nicht vom Westwall zurück zu ziehen nach dem Osten, wo sie so dringend gebraucht werden. Der Gedanke hat natürlich viel für sich, aber ich glaube nicht daran. Vielleicht werden die Ereignisse dieser Woche meine sehr lästige Reise nach Stralsund am 25 Apr. überflüssig machen.

     Am Südteil der Ostfront ist der russ. Angriff zunächst zum Stehen gekommen, wie zu erwarten war, doch wird das kaum von Dauer sein. Inzwischen haben die Russen ihren Angriff auf die Krim begonnen u. haben sehr rasche Fortschritte gemacht, sodaß man den Eindruck hat, daß die 7 rumänischen u. 4 deutschen Divisionen, die dort stehen sollen ihre Stellungen nahezu kampflos geräumt haben. Diese Divisionen wissen ja, daß sie auf verlorenem Posten stehen, besonders seitdem wir Odessa verloren haben u. sie werden sich nicht sinnlos opfern. Es ist einfach empörend, daß man diese Divisionen nicht längst zurückgeholt hat. Man hat sie ganz sinnlos dort belassen, offenbar aus Prestigegründen u. es ist kein Wunder, wenn sie sich nun kampflos ergeben.

     Nachmittags bei Küntzels zum Kaffee. Sie waren sehr stolz, uns bei sich zu haben, es war heute sehr warm, sodaß wir draußen sitzen konnten. Paul ist immer noch glücklich, daß er hier sein darf.

     Abends las ich mit Martha das Buch von Ehm Welk: Der hohe Befehl, zu Ende, wirklich ein sehr schönes Buch, ich las es schon zum zweiten Male u. kam erst jetzt zum vollen Genuß. Es gibt viele Stellen darin, die man sich herausschreiben sollte.

     Heute am ganzen Tage keine feindlichen Einflüge. Ruhe vor dem Sturm. Wahrscheinlich werden sie Frankreich, Belgien u. Holland heute besucht haben.

[5]
Montag, 17. April 1944.     

     Auch heute keine feindlichen Einflüge, obgleich gestern u. heute teilweise bedecktes Wetter war, also günstiges Angriffswetter. Nur von Italien aus erfolgten Angriffe auf Bukarest u. andere Städte auf dem Balkan.

     Man sagt, Mussolini sei sehr krank u. es sei mit seinem baldigen Tode zu rechnen. Ich möchte diesem Manne, für den ich immerhin gewisse Sympatien habe, einen baldigen Tod wünschen, ehe er in die Hände seiner Feinde fällt. Nachdem er in die Hände Hitlers gefallen ist, genügt das. Er war bestimmt eine hervorragende Persönlichkeit, aber die Verbindung mit Hitler, gegen die er sich lange genug gewehrt hat, hat ihn ruiniert. –

     Ich arbeite viel im Garten. Der Steingarten, den ich vor zwei Jahren vorm Hause anlegte, kommt jetzt erst richtig in Schwung. Frl. v. Tigerström brachte vor zwei Jahren Primeln mit aus dem Walde bei Kükenshagen, die mich im vorigen Jahre sehr enttäuschten. Aber jetzt, im dritten Jahre, haben sie sich mächtig herausgemacht u. sehen prächtig aus.

     An Wehrbezirkskommando geschrieben, man möge mir eine Bescheinigung geben, daß ich ein Auto für die Hin-und Rückfahrt nach Ribnitz benutzen darf, weil ich sonst nicht wüßte, wie ich nach Stralsund gelangen soll.

     Morgen ist die Unterhaussitzung in London, ich bin gespannt. Am Donnerstag ist des Führers Geburtstag.

     Martha heute wieder Kopfschmerzen. Sie sieht oft schlecht aus, ist sehr anfällig, es wird ihr alles zu viel.

Dienstag, 18. April 1944.     

     Heute am Tage wieder einmal Angriff amerikanischer Bomber auf verschiedene Städte Norddeutschlands. Auch Hamburg u. Lübeck sollen dabei angegriffen worden sein. In der Unterhaussitzung in London scheint sich nichts Wesentliches ereignet zu haben, außer daß die engl. Regierung sich gezwungen gesehen hat, ein Ausnahmegesetz gegen Streiks zu erlassen. So weit sind sie also auch dort schon gekommen. Ferner ist eine Warnung an Frankreich erlassen worden, daß sich jeder mit Lebensmitteln versehen soll, da in Verbindung mit den zu erwartenden militär. Ereignissen die Lebensmittelzufuhr für einige Zeit schwierig sein würde. Am Wichtigsten ist eine Verfügung der engl. Regierung, daß von sofort ab den ausländischen diplomatischen Vertretungen verboten ist, mit dem Auslande zu telephonieren, zu reisen, Telegramme zu senden, ja sogar Briefe zu schreiben. Alles Kuriergepäck liegt unter Kontrolle. Diese Verfügung wurde unter ausdrücklichem Hinweis auf die zu erwartenden militärischen Ereignisse erlassen u. es heißt, sie würden wieder aufgehoben werden, sobald die Lage es gestattet. Das heißt also, daß der Angriff unmittelbar bevorsteht. Vielleicht hat zu dieser Stunde die Einschiffung der Truppen bereits begonnen. Vorgestern wurden die Franzosen bereits gewarnt, sich nicht in der Nähe von Eisenbahnzielen aufzuhalten. Wenn das alles nicht Bluff sein sollte, wird die Landung also am Kanal erfolgen u. nicht in Dänemark, – aber man kann es nicht wissen, – nur hoffen kann man, daß wir hier außerhalb der Operationen bleiben.

     Wir erwarteten heute Frau Eitner, doch ist sie wieder nicht gekommen.

[6]
Mittwoch, 19. April 1944.     

     Gestern am Tage waren rd. 750 amerikan. Flugzeuge mit 1000 Jägern über Deutschland. Nachts waren 1000 engl. Flugzeuge hauptsächlich über Frankreich u. Belgien, heute am Tage abermals 750 Amerikaner über Deutschland. Wir hier haben aber von all dem nichts bemerkt.

     Nachmittags traf endlich die lange erwartete Frau Eitner bei uns ein. Die Behörde zwingt sie, in Bln. wieder einen Laden aufzumachen, obgleich sie keine Ware hat. Sie muß am Sonnabend wieder nach Bln. zurück, will dann aber am Donnerstag wieder kommen. Sie hat in Bln. einen Laden oder Verkaufsraum bei einer Schneiderin, den sie pro forma betreiben wird, während sie praktisch hier bleiben will. – In Bln. scheint eine furchtbare Verwirrung zu herrschen.

     Heute Nachmittag wurde im Dorf erstmals eine Alarm=Sirene ausprobiert. Die Anschaffung derselben haben wir Herrn Prof. Reinmöller zu danken, der hier der oberste Luftschutz=Befehlshaber ist u. als solcher angibt wie ein Wald voll wilder Affen. Es wird also künftig die Sirene ertönen, wenn Flugzeuge über das Dorf hinweg fliegen. Bisher hat von solchen Dingen niemand Notiz genommen, weil nicht einzusehen ist, warum die Engländer oder Amerikaner ihre teuren Bomben auf unsere paar Häuser werfen sollten. Selbst wenn sie es tun sollten, könnte man dagegen nicht viel tun, denn die Leute haben weder Keller, noch gibt es sonst irgendwelche Vorrichtungen zum Schutz, nicht einmal einen Splittergraben. Aber nun gibt es eine Sirene. Zum Glück ist dieselbe jedoch so schwach, daß niemand davon aufgeweckt werden wird, wenn er erst einmal schläft.

     Von Fritz ein Brief mit der Nachricht, daß er wieder versetzt ist als Sanitäter bei einem anderen Truppenteil in der Nähe von Bourges. –

     Abends mein Mittwoch=Vortrag, an dem auch Frau Eitner teilnahm. Auch Grete war wieder einmal gekommen. Gegen 1/2 10 Uhr hörte man heftige Detonationen aus der Richtung Kiel, doch können es keine Flieger gewesen sein, da alle Lichter auf See brannten.

     Morgen ist also der Geburtstag des Führers. Es war heute den ganzen Tag nichts los u. nichts deutet darauf hin, daß sich irgend etwas ereignen wird.

Donnerstag, 20. April 1944.     

     Eine schwere Enttäuschung, – nichts ist geschehen, –! wenigstens bis 6 Uhr Nachmittags nicht. Auch Luftangriffe haben nicht stattgefunden.

     Die Türkei hat auf Druck der Alliierten die Chromlieferungen an Deutschland eingestellt, das ist das Wichtigste des heutigen Tages, aber es ist auch alles.

Freitag, 21. April 1944.     

     Auch heute nichts geschehen, wenigstens nicht in Deutschland. Die Luftangriffe auf Nordfrankreich u. Belgien bis nach Köln hin haben sich freilich in den letzten 48 Stunden enorm gesteigert. Sie sind zweifellos das Vorspiel u. richten sich nun vorwiegend auf die Verkehrswege. –

     Vom Wehrbezirkskommando bekam ich heute Nachricht, daß ich infolge meiner körperlichen Behinderung in Verbindung mit der zur Zeit bestehenden Reiseschwierigkeiten von der ärztlichen Untersuchung am 25 4. befreit wäre. Gott sei Dank! Ich hörte heute erst, daß der Bürgermeister Gräff, Fischer Meyer u. Peter Niejahr vor einigen Tagen schon ebenfalls in Stralsund zur Untersuchung gewesen seien [7] u. daß Gräff u. Meyer zum Militärdienst eingezogen seien. Gräff hofft, durch Vermittlung des Landrats als Bürgermeister frei zu kommen. –

     Frau Eitner fährt morgen wieder nach Bln. zurück. Sie muß am 1. Mai pro forma ihren Laden dort aufmachen, weil sie sonst keine Entschädigung bekommt; nach dem 1. Mai wird sie wieder herkommen.

     Paul hat sich seit einigen Tagen der Organisation des Lagers angenommen. Es macht ihm anscheinend Spaß u. er arbeitet sehr gut, was er macht, hat wenigstens Zweck. Er ist überhaupt ein netter u. angenehmer Kerl, der gern lacht, während Grete meist mit toternstem Gesicht herumläuft, keinen Humor hat u. ausschließlich an sich selbst oder an ihr erweitertes Ich, an ihre Kinder, denkt u. deshalb der Meinung ist, daß sie selbstlos wäre u. sich nur für ihre Kinder aufopfere. Was nicht sie selbst oder die Kinder angeht, interessiert sie nicht.

     Der Garten macht mir täglich Freude. Besonders die Terrasse u. der Steingarten vorm großen Hause sind jetzt endlich schön im Schwung. Die Büsche vor dem kleinen Hause werden nun auch besser werden, nachdem ich die Grasnarbe dort radikal entferne. Es ist zwar eine schwere Arbeit, von der ich ganz erschöpft bin, aber ich hoffe, daß ich dort auch endlich zu einem Resultat kommen werde, besonders, wenn ich im Herbst einige Umpflanzungen der Büsche vorgenommen haben werde, die der stumpfsinnige Gärtner damals alle in Reih und Glied gepflanzt hat, was ganz dumm aussieht. Ich werde sie nun im Herbst einmal ordentlich durcheinander bringen.

Sonnabend, 22. April 1944.     

     Es ist wiederum nichts geschehen. Dieses Warten ist überaus aufreibend. Fliegerangriffe auf Nordfrankreich u. Belgien haben stattgefunden, aber nur schwach.

     Nachmittags verhandelt mit Frau Dr. Quer, sie will im Geschäft helfen an der Kasse, um sich so einen Grund zu schaffen, länger hier bleiben zu können, da Sommergäste nur 14 Tage am Ort bleiben dürfen. Wenn sie als unsere Angestellte gilt, wird sie davon nicht betroffen.

     Draußen Sonnenschein, aber stürmisch u. kalt, sodaß ich nachmittags wieder geheizt habe. Unter den Büschen Grasnarbe umgegraben, seit Tagen eine überaus anstrengende Arbeit mit der ich am Montag fertig zu werden hoffe.

     Frau Eitner heute morgen abgereist.

     Rolf Saatmann soll schwer verwundet sein.

     Frau v. Gutemberg besuchte uns. Sie ist für einige Tage aus Rostock hier, um sich auszuschlafen. Sieht elend aus. Ihr Haus steht zwar noch, aber sie erzählte grausame Dinge, der Angriff am 11. April soll der schwerste gewesen sein, den Rostock bis dahin gehabt hat. Unsere Kirche ist total zerstört. Sie sagt, es habe gerade eine Taufe dort stattgefunden, die Sprengbombe soll bis in den Keller durchgeschlagen sein, wo alle getötet wurden mit Ausnahme des Täuflings, ein drei Tage altes Kind.

Sonntag, 23. April 1944.     

     Auch heute geschah nichts, jedoch wieder verstärkte Luftangriffe außer auf Nordfrankreich u. Belgien auch wieder auf Braunschweig, Osnabrück, Düsseldorf u. besonders Ham, wo 1000 Bomber die Eisenbahnanlagen ziemlich restlos zermalmt haben dürften, ähnlich wie vor einigen Tagen eine Anlage bei Paris.

[8]      Der Sturm ist wieder abgeflaut u. es ist klares Wetter. Heute früh unsere Andacht mit Grete u. Trude. Nachmittags Martha vorgelesen: „Tsushima“ von Frank Tiess, ein sehr wertvolles Buch, das ich allein schon einmal gelesen habe. Die zweite Lektüre eines guten Buches ist stets weit genußreicher als die erste. – Als es zu dunkel wurde, um weiter zu lesen, beteten wir einen Rosenkranz u. nun wird geschlafen. Es war wieder ein schöner Sonntag voll Ruhe u. innerer Sammlung.

Donnerstag, 27. Apr. 1944.     

     Nichts ist seither geschehen, außer schweren Luftangriffen hauptsächlich auf Nordfrankreich, Eisenbahnanlagen bei Paris, aber auch Angriffe auf Braunschweig, Schweinfurt u. a. Städte. Vor allem zwei aufeinanderfolgende, anscheinend sehr schwere Angriffe auf München.

     Von Pfr. Dobczynski ein langer Brief. Er knüpft an an das Gespräch, welches wir bei seinem letzten Hiersein hatten über Belebung des christl. Lebens in seiner Gemeinde. Seine Sehnsucht ist ein Kreis aufgeschlossener Menschen. Das ist schwer in solch einer Gemeinde, die sich in kleine Grüppchen oder gar Einzelpersonen in vielen weit entlegenen Dörfern aufspaltet u. überdies vorwiegend aus geistig bescheidenen Menschen besteht. Es fehlen fast ganz die geistigen Voraussetzungen, um einen solchen Kreis zusammen zu bringen u. außerdem sind die technischen Schwierigkeiten infolge mangelnder Verbindungen zumal jetzt im Kriege sehr groß. Dennoch will er wenigstens anfangen, einen Weg dahin zu finden u. er bittet mich um meine Mithilfe.

     Er erwartet demnächst den Bischof zur Firmung. Da unser Bischof guten Vorschlägen offen ist, – wenigstens behauptet der Pfarrer das, möchte er ihn erst einmal seine in 7jähriger Arbeit in Barth gemachten seelsorglichen Erfahrungen mitteilen, u. zwar schriftlich. Er wird dabei besonders die Konvertiten-Arbeit im Auge haben. Er hofft dann, daß der Bischof dann bei seinem Hiersein ihm Gelegenheit zur gründlichen Aussprache geben wird, u. zu dieser Aussprache möchte er mich gern hinzuziehen. Der Pfarrer steht auf dem sehr richtigen Standpunkt, daß die Glaubensverkündigung nicht allein Sache der Priester ist, sondern auch der Laien u. deshalb möchte er mich mit dem Bischof bekannt machen, damit mir von ihm die missio canonica endgültig erteilt wird, die ich ja praktisch längst ausführe.

     Damit das alles besser klappt, ist es sein Wunsch, mir einen besseren Einblick in seine Gemeindeverhältnisse zu geben. Er möchte mir Gelegenheit geben, an Gottesdienst u. Christenlehre mit den Kindern in der Kirche teilzunehmen, dann aber auch, mich mit den wenigen, aufgeschlossenen Menschen seiner Gemeinde bekannt zu machen. Er hofft, daß ich dazu beitragen kann, diese Menschen näher zusammen zu führen. Deshalb bittet er uns, am Samstag den 13. Mai u. Sonntag d. 14. Mai nach Barth zu kommen. Ein Ingenieur-Ehepaar Namens Hertweck in Barth, am Schützenwall 4 will mir Quartier in ihrem Hause geben u. für Martha hat er ein Quartier bei einem anderen jungen Ehepaar. Am Bischofstage können, wir ebenfalls bei denselben Leuten wohnen. – Es ist überaus rührend, welche Mühe sich der Pfarrer gibt. Er stellt in Aussicht, daß er am Pfingstmontag wieder bei uns zelebrieren will. –

     Sodann von Fritz ein überaus unglücklicher Brief, den ich heute sofort beantwortet habe. Sein angenehmes Privatleben scheint nun endgültig vorbei zu sein. Das neue, motorisierte [9] Regiment, dem er nun angehört als Krankenträger, liegt südlich Paris in der Nähe von Bourges. Seine Spezialaufgabe ist Banden- u. Terrorbekämpfung. So weit ist man nun also in Frankreich schon. Es ist zu fürchten, daß in dem Augenblick wo die Anglo-Amerikaner in Frankreich landen, der Aufstand im ganzen Lande ausbrechen wird u. daß es dann ein Blutvergießen ohne gleichen geben wird. Ich bin deshalb um Fritz in großer Sorge, jedoch habe ich ihm davon nichts geschrieben, sondern ich habe ihn in hoffentlich nicht zu krasser Form ermahnt, endlich seine unernste u. spielerische Lebensauffassung, über Bord zu werfen u. den Dingen mit männlichem Ernst in die Augen zu sehen. Sein Brief ist ein schrecklich waschlappiges Gejammere über das Unglück, das nun über ihn gekommen ist, – dabei ist noch garnichts los. Was soll denn erst werden, wenn es nun für ihn wirklich ernst wird? Mein Brief wird ihm kaum viel Freude machen u. das tut mir leid; aber dieses spielerische Dasein muß nun endlich aufhören.

     Im Garten bin ich mit Graben endlich fertig geworden. Paul organisiert unser Warenlager sehr geschickt u. mit großem Eifer.

     Gestern besuchte mich Erich Seeberg, um sich sein Lutherbuch wieder zu holen. Er muß nun nach Bln. u. Vorlesungen halten, was er nicht gern tut. Sein Sohn Bengt hat geschrieben, er ist bei dem Angriff auf die Tirpitz heil davon gekommen, aber es hat dabei sehr viel Tote gegeben. Von der Gattin des Kapitän z. S. Meyer, welcher dieses Schiff führt, haben wir heute die Nachricht bekommen, daß ihr Marn bei diesem Angriff verwundet worden ist u. nach Kiel ins Lazarett kommt. – Von Irmgard Wegscheider gestern ebenfalls Nachricht, daß sie die beiden Jungens Jens u. Peter mit dem Dienstmädchen herschicken will, nachdem Martha ihr das kürzlich angeboten hatte. –

     Gestern Abend zum Vortrag nur die alte Frau Ziel mit ihrer Tochter Marianne Clemens. Frau Korsch sagte in letzter Minute ab, sie hat sich mit Arbeit übernommen, Grete war auch müde. Ich brachte die Lehre von der Kirche zum Ende.

Sonntag, 30. Apr. 1944     

     Von Fritz zwei weitere Briefe. Er scheint sich in das Unvermeidliche zu fügen, etwas anderes bleibt ihm ja auch nicht übrig. Ich wollte nur, daß er es in einer anderen Gesinnung täte, weniger zähneknirschend, sondern im Glauben u. im Wissen, daß das irdische Leben nur dem Grade nach manchmal noch unangenehmer u. enttäuschender ist, als in normalen Zeiten, anstatt daß er nur immer nach größtmöglicher Bequemlichkeit u. amüsantem Zeitvertreib Ausschau hält.

     Gestern Mittag wieder schwerer amerikan. Angriff auf Berlin. Martha telephonierte mit ihrer Schwiegertochter Anneliese, welche aber keine genaue Auskunft geben konnte, da sie bei ihren Eltern im Osten Berlins krank liegt. Sie hat sich beim Wiederaufbau der zerstörten Wohnung in der Potsdamer-Straße total übernommen, Kurt hat sie natürlich maßlos überanstrengt. Sie wußte bloß, daß abermals die Potsdamer-Straße stark betroffen worden sei bis zum Potsdamer-Platz, zum Halleschen Tor. Auch der Wedding soll stark betroffen sein.

     Gestern Nachmittag Besuch von Erich Meisner u. Frau zusammen mit Küntzels. Erich M. sieht furchtbar elend aus, er kam aus Berlin u. bleibt nur einige Tage hier.

     Abends kam endlich Dr. Wessel u. brachte mir den Zahnersatz. Es ist anfangs sehr unbequem u. es scheint eine gewisse Geschicklichkeit [10] dazu zu gehören, daß man diesen Fremdkörper im Munde behält, ohne dauernd Gefahr zu laufen, ihn zu verlieren. Die anfängliche Schwierigkeit beim Sprechen habe ich aber sehr rasch überwunden, sodaß ich heute die Andacht ohne Schwierigkeit abhalten konnte; aber das Essen fällt mir noch sehr schwer. Dr. W. meint, daß sich das bald geben würde.

     Von Irmingard Wegscheider ein Brief, daß sie Marthas Einladung, ihre beiden Jungens Jens u. Peter herzusenden, gern annimmt. Sie wird das Mädchen mitschicken u. wird die Jungens selbst herbringen. Nach dem, was sie schreibt, wird es sehr notwendig sein, daß ich Jens wieder in strenge Erziehung nehme.

     In der Schaulade findet sich ein Nachruf für den Glasschneider Willy Süßmuth, der als Obergefreiter der Luftwaffe am 21. Jan. 44 tödlich verunglückt ist. Darin heißt es, daß seine Witwe der Todesanzeige die Worte vorangestellt hat: „Geburt ist Sterbens Anfang, der Tod des Lebens Aufgang: Strahlender Beginn“. Und für die Danksagung hat sie sich folgender Verse bedient:

Alles vergehet;
Gott aber stehet
Ohn alles Wanken:
Seine Gedanken,
Sein Wort u. Willen hat ewigen Grund;
Sein Heil u. Gnaden,
Die nehmen nicht Schaden,
Heilen im Herzen
Die tödlichen Schmerzen,
Halten uns zeitlich u. ewig gesund.

     Abends kam überraschend Dr. Krappmann u. Frau zu einem Plauderstündchen. Auch er erwartet nun die Invasion täglich. Wir besprachen die Aussichten, stellten fest, daß man sich keinen Begriff machen kann von dem, was sein wird. Wer wird in das zu erwartende Chaos wieder Ordnung bringen können?

     Im Reich ein Artikel über die geheime Armee in Frankreich. Es geht daraus hervor, daß diese Geheimorganisation außerordentlich weit entwickelt ist. Die Engländer haben seit Monaten Waffen abgeworfen, andere Waffen sind bei der Demobilmachung der franz. Armee nicht abgeliefert worden, selbst ganze Panzer hat man verborgen. Im Falle der Invasion werden diese sicher recht gut bewaffneten Massen unter Führung von anglo-amerikan. Fallschirmtruppen über Nacht aufstehen u. der Kampf wird in allen Teilen Frankreichs auf einmal auflodern, also weit im Rücken des Atlantikwalles. Ebenso ist anzunehmen, daß Millionen von ausländischen Arbeitern in Deutschland selbst aufstehen werden, zweifellos unterstützt von Millionen deutscher Arbeiter, die mit ihnen gemeinsame Sache machen werden. Es wird furchtbar werden! – Auch Dr. K. ist der Meinung, daß die gegenwärtigen Luftangriffe auf Nordfrankreich sich kaum noch steigern lassen u. daß deshalb die Invasion unmittelbar vor der Tür steht, – vielleicht morgen zum 1. Mai.?

     In Berlin soll beim gestrigen Angriff das Luftfahrt-Ministerium schwer getroffen worden sein, ferner der Anhalter Bahnhof, auch Schöneberg, Steglitz, Dahlem u. Tempelhof scheinen wieder schwer gelitten zu haben.