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TBHB 1944-07-30

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1944-07-30
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Entstehungsdatum: 1944
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Originaltitel: Sonntag, 30. Juli 1944.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 30. Juli 1944
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Einführung

Der Artikel TBHB 1944-07-30 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 30. Juli 1944. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Sonntag, 30. Juli 1944.     

[1]      Heute morgen zur Andacht war wieder Frau Grantz da, die gestern aus Bln. zurückgekommen ist. Sehr blaß. Sie erzählte von den Schwierigkeiten der Ausgebombten bei den Behörden. Die Beamten sind natürlich ebenso nervös u. überanstrengt, wie die Hilfesuchenden. – Auch Grete war da. Sie verträgt sich nicht mit Frau Syamken, die seit einigen Tagen bei ihr im Hause wohnt. Sie war beleidigt über irgend eine Aeußerung des Frau S. u. meinte, Monheims hätten sie u. Paul doch nach hier geholt, damit ihr Haus nicht beschlagnahmt würde. Ich fuhr ihr ziemlich über den Mund. Es ist doch stark, wenn sie sich jetzt einreden will, daß sie eigentlich nur aus Gefälligkeit gegen Frau M. hierher gekommen wäre u. deshalb nun von Frau M. verlangen könne, daß ein Ofen gesetzt würde. Grete ist von Kindheit an ein undankbares u. arrogantes Geschöpf gewesen u. das ist sie heute noch. Sie zog mit beleidigtem u. tief gekränktem Gesicht ab. Nachmittags war sie mit Paul bei uns, der ihr anscheinend den Kopf zurechtgesetzt hat, denn es war nun von der ganzen Sache nicht mehr die Rede, obgleich sie morgens mit gereizter Stimme erklärt hatte, sie wolle das alles am Nachmittag nochmals besprechen. –

     An Fritz u. an Faensens geschrieben.

     Es wird jetzt gerüchtweise bekannt, daß an der Generalsrevolte die Generalobersten Zeitzler u. Fromm maßgebend beteiligt waren. Zeitzler war Chef des Generalstabes des Heeres im Führerhauptquartier u. Nachfolger von Halder, welcher s. Zt. davongejagt worden war, weil er sich dem doppelten Unternehmen der Eroberung von Stalingrad bei gleichzeitigem Vormarsch im Kaukasus widersetzt hatte. Fromm war Chef des Heimatheeres u. Vorsitzender für Rüstung usw. Beide Männer standen also an Stellen, in denen sie wie kaum ein anderer einen Ueberblick über die Lage hatten. Es fiel sehr auf, daß Generaloberst Guderian sofort nach dem Putsch vom Führer zum Chef des Stabes ernannt wurde, wie es hieß: „für den erkrankten bisherigen Chef“. Ebenso wurde Himmler zum Kommandierenden des Heimatheeres ernannt, ohne daß man erfuhr, was mit dem bisherigen Kommandierenden geschehen sei. Beide sind also abgesetzt worden u. das muß ja seine Gründe haben. Man konnte aber darüber nicht gut etwas bekannt geben, weil sonst der dümmste Mann der Straße doch schließlich begriffen hätte, daß da irgend etwas nicht stimmte. Es ist kein Zweifel, daß Guderian, der zwar ein brutaler Nazi u. ein Draufgänger ist, dem neuen Posten als Generalstabschef keinesfalls gewachsen ist u. daß nun hemmungslos alles gemacht werden wird, was der Führer befiehlt. Inzwischen geht der russ. Vormarsch gegen Riga u. Warschau weiter. Bei Riga hat man den Eindruck, als ob der Befehlshaber der Gruppe Nord, Generaloberst Lindemann, mit der in Moskau befindlichen Gruppe von Generalen gemeinsame Sache macht. Er kämpft zum Schein u. läßt sich in Estland einkesseln, um dann überzugehen. Die Russen stehen dicht vor Mitau, womit die Einkesselung schon fast vollendet ist. Lindemann befolgt damit aber nur den Befehl des Führers. Estland, Lettland u. Litauen unter allen Umständen zu halten. Dieser Befehl, so sagt man, ist die eigentliche Ursache der Generalsrevolte gewesen. Es heißt, daß auch der berliner Polizeipräsident, Graf Helldorf, ein alter Nazi, bei der Revolte beteiligt gewesen sein soll.

     In der Normandie machen die Amerikaner weiter Fortschritte in Richtung auf Granville. Einem Gerücht zufolge [2] soll Generalfeldmarschall Rommel bei einem Fliegerangriff schwer verwundet worden sein, man sagt: tödlich. Damit würde indessen sicher kein sehr großes Genie ausfallen, aber ein blinder Anhänger des Führers.

     Verfügungen betr. totale Mobilmachung hat Herr Goebbels bis heute noch nicht erlassen, obgleich er nun schon seit 10 Tagen mit dieser Aufgabe betraut ist. Es wird ihm wohl schwerfallen, etwas Neues zu erfinden. Nur der Herr Saukel hat sich vernehmen lassen, daß bis zum 15. August alle diejenigen sich freiwillig zum Arbeitseinsatz melden sollen, die bisher nur zum Schein irgendwo gearbeitet haben. Wer sich bis 15. Aug. nicht meldet, soll bestraft werden. Es wird aber nicht gesagt, woran man erkennen kann, ob jemand nur zum Schein im Arbeitseinsatz ist. In erster Linie sollten davon Leute betroffen werden wie Lorenz u. Alvensleben, die als Generale der Polizei in Stellungen sind, von denen sie nicht die Spur verstehen.

     Heute wurde mir eine hübsche Geschichte erzählt. Es ist in diesen Tagen vorgekommen, daß bei einer sehr großen Wirtschaftsstelle in Berlin angerufen worden ist, es möge sofort ein Beamter mit einer Rolle Bindfaden nach Wannsee kommen, u. zwar mit dem Auto, denn die Frau des Herrn Wirtschaftsministers sei beim Einkochen von Himmbeeren u. es fehle ihr Bindfaden, um die Gläser zuzubinden. Es mag sein, daß diese Geschichte erfunden ist; aber sie beweist dann doch, was das Volk denkt.