TBHB 1944-09-09
Einführung
Der Artikel TBHB 1944-09-09 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 9. September 1944. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[1] Bulgarien hat uns den Krieg erklärt, – gestern, – aber unsere Nachrichten wissen anscheinend davon noch nichts. Da die ganze Balkanbesetzung zu 2/3 aus bulg. Truppen bestand ist die Lage unserer Truppen dort jetzt aussichtslos. Es heißt, daß wir 20 Divisionen dort stehen haben. Die Russen sind über die Donau in Bulgarien einmarschiert u. haben weiter westlich die rumänisch=jugoslawische Grenze erreicht, sie sind nicht weit von Belgrad. Von italienischen Stützpunkten her werden [2] die Verkehrswege in Jugoslawien fortdauernd angegriffen u. es scheint, als ob auch angloamerikan. Truppen von der Adria her gelandet seien. Ganz Jugoslawien soll sich in Aufruhr befinden. Auch die Slowakei ist in ihrem Aufstand anscheinend erfolgreich.
Im Westen ist Lüttich von den Alliierten genommen sowie verschiedene Orte an der Kanalküste, aber Wesentliches hat sich nicht ereignet. Offenbar wollen die Alliierten jetzt erst ihren Nachschub heran bringen, der ja immer noch über den kleinen Hafen Cherbourg gehen muß, da Le Havre von uns immer noch gehalten wird, ebenso wie Boulogne, Calais u. Dünkirchen. Auch Brest u. die anderen Häfen in der Bretagne werden immer noch von uns verteidigt. In Brest soll es zu einer Meuterei gekommen sein. Walter Papenhagen sitzt dort, hoffentlich kommt er heil heraus. Der Bruder unserer Trude Dade, Heinz, war in Toulon, er hat sich gerettet.
Man sagt, daß Hitler jetzt eine illegitime Organisation aufgestellt habe. Diese soll die Aufgabe haben, nach der Niederlage Deutschlands geheimen Widerstand zu leisten. Es soll ein Netz von geheimen Zellen über ganz Deutschland gebreitet werden. Man wird sich also auch nach dem Kriege noch vor dieser Bande vorsehen müssen. – Frau Siegert u. Prof. Reinmöller werden ja Akteure dabei sein, bis ihnen nachdrücklichst das dunkle Handwerk gelegt sein wird.
Die mit der Uebersiedlung von Küntzels in unser Haus verbunden gewesene Räumerei ist nun ziemlich abgeschlossen. Gestern habe ich zum ersten Male wieder in meinem Atelier malen können. Ich habe es sehr hübsch eingerichtet, es sieht viel besser aus als vorher, als Fritz hier wohnte. Es tut mir ja leid, daß er nun diesen Raum verlieren wird, aber ich werde hier nicht wieder rausgehen, – ich habe ja auch ältere Rechte auf diesen Raum, habe ihn selbst gebaut für mich als Atelier. So wie ich meine beiden Zimmer abgetreten habe, wird er mir diesen Raum auch abtreten müssen. – Grete hat sich in meinen Zimmern eingerichtet, sie wird heute zum ersten Male hier schlafen. –