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TBHB 1944-09-14

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1944-09-14
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Entstehungsdatum: 1944
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Originaltitel: Donnerstag, 14. Sept. 1944.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 14. September 1944
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Einführung

Der Artikel TBHB 1944-09-14 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 14. September 1944. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Donnerstag, 14. Sept. 1944.     

[1]      Gestern Taufe bei Scheid's. Sie fand im Hause von Dr. Ziel statt u. wurde von Erich Seeberg vollzogen. Als Gäste waren außer dem Ehepaar Ziel u. der Tochter Marianne Clemens sowie Frau Seeberg nur wir beide zugegen. Die Taufe selbst ging, was den Ritus betraf, sehr einfach u. formlos vor sich, nicht zu vergleichen mit der Feierlichkeit des kathol. Ritus, dagegen hielt Seeberg eine wundervolle Ansprache über den Spruch: „Ich will dich segnen u. du sollst ein Segen sein.“ –

Nach der Taufe gingen wir alle in die Wohnung des Ehepaares Scheid, das nicht weit von Ziels bei der alten [2] Niemann wohnt, wo es guten Tee u. guten Kuchen gab. Ziel hielt eine etwas seichte Rede, nach Seebergs Ansprache besonders seicht. Im Anschluß daran entwickelte sich ein etwas schwieriges, wissenschaftliches Gespräch, bei dem Seeberg führte. Ziel war ein wenig gekränkt. Ich beteiligte mich nicht. – Seebergs gingen dann; auch wir wollten gehen, aber es stellte sich heraus, daß Frau Scheid eine Unmenge sehr appetitlicher Schnittchen aus Weißbrot gemacht hatte, es wäre verletzend gewesen, die guten Leute damit sitzen zu lassen. So blieben wir denn bis 1/2 10 Uhr. Gegen 10 Uhr war wieder Fliegeralarm, – auch gestern während der Taufe. –

     Gestern Mittag waren Herr + Frau Soehlke da u. sahen sich meine Bilder an. – Bei Ziels mußte auch ich ein Porträt bewundern, das Dr. Jaeger von Herrn Ziel im Sommer gemalt hat. Es war sehr ähnlich u. auch lebendig, aber grau u. bildmäßig ohne Komposition. –

     Herr Ziel wußte Bescheid über die Erlebnisse des Herrn Zelk, der nach dem 20. Juli mit anderen sozialdemokratischen Abgeordneten verhaftet worden war. Danach sind alle Verhafteteten, soweit Mecklenburg in Betracht kam, nach Güstrow verbracht worden, wo sie geschoren wurden u. Sträflingskleidung erhielten. Einer der Inhaftierten war schwer Herzkrank. Da alle gärtnerische Arbeiten leisten mußten, die dieser Herzkranke nicht leisten konnte, ging er zum Anstaltsarzt, der aber nichts unternahm. Der Herzkranke erklärte dann, daß er sterben würde, wenn er die geforderte Arbeit leisten müsse, worauf der Arzt geantwortet haben soll: „Das sollen Sie ja grade!“ – In der Tat war der Kranke nach drei Tagen tot. – Nach etwa 14 Tagen wurden alle Inhaftierten wieder entlassen. –

     An den Fronten keine wesentlichen Veränderungen, nur daß die Amerikaner jetzt auch hart südlich Aachen die Reichsgrenze überschritten haben. Im Westen scheinen jetzt sechs Armeen zu stehen, u. zwar vier amerikanische, eine kanadische u. eine britische. Es ist auffällig, daß die Engländer nur mit einem so geringen Prozentsatz beteiligt sind. Vor vielen Monaten sprach Churchill einmal von der bevorstehenden Invasion. Damals sagte er, daß die Hauptlast der Invasion anfangs von den Amerikanern getragen werden würde, erst später würden dann die Engländer ebenso starke oder gar stärkere Kontingente stellen. Die Tatsachen entsprechen dem. Aber man kann nicht einsehen, wo dieses zu erwartende stärkere englische Kontingent eingesetzt werden soll, denn die Front im Westen ist nun lückenlos vom Kanal bis zur Riviera. Soll man daraus schließen, daß die Engländer doch noch eine Landung in der deutschen Bucht vornehmen werden?

     Man spricht davon, daß Guderian dem Führer die Aussichtslosigkeit der allgem. Kriegslage vorgestellt habe. Man sagt, daß es unter den Führenden jetzt zwei Parteien geben soll, – eine Friedenspartei u. eine Untergangspartei. Man sagt, daß Herm. Goering ein führendes Mitglied der Friedenspartei sein soll. Er will sich wahrscheinlich ein Alibi verschaffen. Vor den Winkelzügen dieser Leute wird man sich hüten müssen, ich glaube aber nicht, daß sich die Alliierten davon dumm machen lassen werden. [3]      Gestern wurde bekannt, daß der „Deserteur Lindemann“, ehemaliger General der Artillerie, der steckbrieflich gesucht wurde, in Berlin verhaftet worden sei. Der Denunziant soll ein Ingenieur gewesen sein. Lindemann war also nicht Generalfeldmarschall oder Generaloberst, wie ich früher annahm, sondern nur General der Artillerie. Man nahm an, daß er zu den Russen übergelaufen sei.

     Man wird grade hier in unserer entlegenen u. strategisch uninteressanten Gegend scharf aufpassen müssen, daß hier keine geheimen Waffenlager angelegt werden. Das Grundstück des Prof. Reinmöller würde für dergleichen sehr geeignet sein.