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TBHB 1944-10

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Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1944-10
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Entstehungsdatum: 1944
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Originaltitel: Oktober 1944
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom Oktober 1944
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Einführung

Der Artikel TBHB 1944-10 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom Oktober 1944. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 16 Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Sonntag, 1. Okt. 1944.     

[1]      Der Obermaat Richter teilte telephon. mit, daß Schüler unsere Pumpe an die Fabrik zur Reparatur gesandt habe. Ich fürchte, es wird Wochen dauern, bis wir sie zurück haben.

     Gestern brachten uns die Soldaten den letzten Rest vom Koks ins Haus.

     Gestern Nachmittag Kaffee u. Kuchen im Seezimmer. Gastgeber waren Erika Wollesen u. Mann. Sie baten, meine Bilder sehen zu dürfen, doch war das Verständnis, wie zu erwarten, nicht groß. – Gestern untermalte ich das neue Stilleben.

     Gestern abend Lotte Daubenspeck, die anschaulich vom Osteinsatz in Schneidemühl erzählte. Der Transport kam abens 10 Uhr dort an u. mußte bis 1/2 1 Uhr Nachts auf dem Bahnhof stehen, weil nichts vorbereitet war. Erst dann wurden die Menschen auf Quartiere verteilt, – der Teil mit den Ahrenshoopern kam in eine Schule, die jedoch auch erst von anderen Flüchtlingen geräumt werden mußte. Erst gegen 2 Uhr morgens kamen sie hinein. Inzwischen war Fliegeralarm. – Die Menschen liegen dicht gedrängt auf der Erde auf dünner Strohschütte wie Vieh, die sanitären Verhältnisse sind skandalös, bzw. überhaupt nicht vorhanden. – Frau Schultze-Jasmer u. Frau v. Groß aus Prerow fallen besonders auf wegen ihrer betont nationalsozialistischen Gesinnung, Frau v. G. tut sich in hohen Stiefeln u. Reithosen als Lagerführerin besonders hervor. – Es ergibt sich daraus, daß es Paul sehr schlecht gehen muß, daß er aber darüber nichts schreibt. Man merkt nur aus dem Ton seiner Briefe, wie sehr er leidet. –

     Wollesen fährt morgen früh in den Einsatz. Sein Urlaub ist eigentlich heute zu Ende, doch besteht keine Möglichkeit, nach Ribnitz am Sonntag zu gelangen. – Von heute ab [2] bekommt selbst der Arzt Dr. Meyer kein Benzin mehr. In dringendsten Fällen muß er ein Pferdefuhrwerk benutzen, falls er ein solches bekommt. Herr „General“ Lorenz aber fährt im Auto von Berlin nach Born zum Besuch u. wieder zurück. Das Maaß ist übervoll. –

     Nach der Niederlage bei Arnheim haben die Anglo-Amerikaner jetzt eine große Luftoffensive auf die Städte u. Eisenbahnen hinter der Westfront begonnen. Sie werfen ungeheure Massen von Bomben ab, sodaß man damit rechnen muß, daß ein großer Frontalangriff nun unmittelbar bevorsteht. – Gott schütze unseren Fritz!

     Heute essen wir voraussichtlich zum letzten Male im Kurhaus. – Es ist kalt u. wir heizen täglich. Gott sei Dank, daß ich in all den Kriegsjahren Kohlen eingespart habe, sodaß darin keine Not ist.

     Freitag Abend brachten uns Krappmanns eine große Menge Champignons, die wir gestern aßen. Sie haben sie auf einer Wiese bei Born gepflückt.

     Heute Andacht: Grete u. Frau Krauss. – Am Freitag Rosenkranz: Frau Krauß u. Regine Treffer. – Frau K. wird nun eine sehr eifrige Katholikin.

     Vormittags an Fritz geschrieben.

Mittwoch, 4. Oktober 1944.     

     Es hat sich nichts ereignet. An der Westfront haben die Anglo-Amerikaner zwar ein heftiges Luftbombardement der Anlagen hinter der Front begonnen u. sie haben auch wieder in Holland u. bei Aachen stark angegriffen, aber sie haben bisher nur sehr geringe Erfolge verbuchen können. Mit der Niederlage bei Arnheim scheint für sie eine Pechsträhne begonnen zu haben, welche die Aussicht auf das Kriegsende von neuem wieder in weite Ferne rückt. – In Warschau ist der Aufstand ebenfalls endgültig zusammengebrochen u. auch die Russen sind nirgends weiter gekommen. Ebenso ist es in Italien, wo zwar auch heftig gekämpft wird, jedoch ohne nennenswerten Erfolg der Gegner.

     Von Paul schlechte Nachrichten. Es sind in letzter Zeit viele von den Müttern entlassen worden, wodurch die Läger kleiner geworden u. zusammengelegt worden sind. Dadurch ist er seine Büroarbeit los geworden u. er muß nun mit der Schippe arbeiten. – Ich habe heute Vormittag einen Brief an Pauls ehemaligen Vorgesetzten bei der Technischen Nothilfe aufgesetzt, den Grete abgeschrieben u. gleich abgeschickt hat, – vielleicht kann dieser etwas unternehmen, um Paul frei zu bekommen.

     Heute Nachmittag der Silberschmied Krause, der uns silberne Anhänger macht. Er brachte mir zwei Armbanduhren mit, von denen ich eine als Weihnachtsgeschenk für Martha wählte. Preis 45,– Rm. – sehr billig, wenn ich daran denke, daß ich zum selben Zweck vor zwei Jahren für einen Wecker 100,– Rm. an Loescher zahlte.

Donnerstag, 5. Oktober 1944.     

     Gestern Abend Nachricht von Fritz vom 26. u. 27. Sept. Der Brief war einem Verwundeten mitgegeben u. mit Marke frei gemacht. Er hat nun endlich von uns Post erhalten, Briefe von der zweiten Hälfte des August u. der ersten Hälfte des September. Die vorherigen Briefe sind also wahrscheinlich verloren gegangen. Er war sehr froh, endlich Nachricht erhalten zu haben, ein Kurier hat die Briefe aus Freiburg mitgebracht. -

     Er ist noch beim Hauptverbandplatz, also hinter der Front. [3] Der dortige Arzt möchte ihn gern behalten, aber das Regiment soll nun neu aufgestellt werden u. wahrscheinlich wird er dann wieder zur Truppe kommen. Von allem Sanitätspersonal seines Bataillons, einschl. dem Oberarzt 16 Personen, ist ja nur er u. der Unteroffizier übrig geblieben, alle anderen sind tot, verwundet oder gefangen.

     An den Fronten noch keine Veränderungen, mit Ausnahme von Albanien u. Griechenland, wo alliierte Truppen teils aus der Luft, teils von See her gelandet sind. Das deutet darauf hin, daß nun ein neuer Angriff vom Balkan her versucht werden soll, denn gleichzeitig rücken die Russen gegen Belgrad vor, das bereits im Feuerbereich ihrer Geschütze liegen soll. Auf dem Balkan mögen etwa fünf Divisionen von uns stehen, mit denen man leicht fertig werden wird.

     Gestern Abend Frau Dr. Müller-Bardey.

     Heute das Blumen-Stilleben vollendet. Sehr naturalistisch, – ein Bild, welches dem Publikum gefallen wird.

Sonnabend, 7. Oktober 1944.     

     Nach ziemlich langer Pause hatten wir vorgestern Abend wieder einmal Fliegeralarm, der sich gestern Vormittag u. gestern Abend wiederholte. Gestern Vormittag flogen sehr starke Verbände über uns weg bei wolkenlosem, klarem Wetter, sie griffen Berlin, Hamburg, Harburg u. verschiedene kleinere Plätze in diesen Gebieten an. Gestern Abend sollen sie angeblich Stralsund angegriffen haben. Gestern Vormittag schoß auch unsere Flak, u. zwar, ehe Luftalarm gegeben wurde, die Granaten krepierten teilweise über unserem Grundstück. – Im Westen sind die Fliegerangriffe überaus stark, es werden fast täglich fünf, sechs, sieben Städte gleichzeitig angegriffen, wobei immer viele Lokomotiven u. Güterwagen zerstört werden, neben den Fabriken. Es ist undenkbar, daß wir in der Lage sind, für diese Zerstörungen kriegswichtigster Betriebe u. Verkehrsanlagen Ersatz zu schaffen. So ist auch der Dortmund-Ems-Kanal völlig zerstört worden, die Schleppkähne liegen auf dem Grunde.

     An den Fronten wird hart gekämpft, ohne daß irgendwo entscheidende Resultate erzielt werden. Im Baltikum, wo der Fall von Riga zu erwarten war, ist es still, nur im äußersten Süden sind die Russen, vereint mit Titos Streitkräften, jetzt dicht vor Belgrad. In den letzten Tagen sind die Engländer in Griechenland gelandet, haben Patras genommen, wo unsere Truppen anscheinend so gut wie keinen Widerstand geleistet haben, u. sind jetzt im Vormarsch auf Athen. Man muß annehmen, daß unsere in Griechenland u. Mazedonien stehenden Divisionen sich rasch ergeben werden, da sie keine andere Wahl haben, – sie können weder zurück, noch können sie Nachschub aus der Heimat erhalten.

     Frau Dade erwartet heute Trude, die für eine Woche herkommen soll, um sich Wintersachen zu holen. Ueber Paul ist bis jetzt noch keine Entscheidung erfolgt, Grete hatte gestern einen Brief von ihm. Er weiß, daß wir einen Antrag auf Entlassung gestellt haben, aber von einer Wirkung ist noch nichts zu merken. –

     Infolge des Alarms gestern Abend war Regine Treffer nicht zum Rosenkranz gekommen. – Heute war wieder um 1/2 12 Uhr Mittags Alarm, der bis 215 Uhr dauerte. Man hörte starke Verbände über uns, doch sah man [4] nichts, weil es zu diesig war. – In den letzten 24 Stunden sind nicht weniger als neun Städte angegriffen worden.

     Martha telefonierte heute mit Schüler in Ribnitz. Wir hofften, unsere Pumpe heute zurück zu bekommen, doch stellte sich heraus, daß er die Pumpe bis jetzt überhaupt noch nicht abgeschickt hat.

Sonntag, 8. Oktober 1944.     

     Auch gestern wieder Fliegeralarm. Es sind jetzt täglich Angriffe über ganz Deutschland, schwerer als je. Vorgestern wurden neun Städte gleichzeitig bombardiert, es waren 5000 Flugzeuge einschl. Jäger über Deutschland.

     Gestern Abend Agnes Borchers. Ihr Mann ist in Untersuchungshaft in Hamburg. Man weiß nicht genau, was vorliegt. Der arme Kerl wird sich vermutlich Morphium verschafft haben. Er war schon vor dem Kriege schwer krank, ist überhaupt nur mit Mühe lebensfähig. Damals hat ihm der Arzt Pantopon gegeben u. er gewöhnte sich daran, wurde süchtig. Als er dann Soldat wurde, machten sie mit ihm eine Entziehungskur mit Insulin-Einspritzungen. Danach war es gut. Jetzt wurde er zum Munsterlager kommandiert, wo er als Ausbilder für die HJ. ausgebildet werden sollte. Der Dienst dort ist überaus schwer u. übersteigt die Kräfte dieses schwachen Menschen bei weitem. Wahrscheinlich ist er dadurch wieder zum Morphium gekommen, das er sich natürlich unrechtmäßig beschafft haben wird. Heute Morgen Agnes wieder bei uns. Sie hat einen kurzen Brief von ihm bekommen, in dem er um Verzeihung bittet. Sie ist schrecklich unglücklich, dabei selber krank. Hinzu kommt, daß ihre Eltern das alles nicht verstehen können, es geht nicht in ihren einfachen Verstand. Es ist sehr, sehr traurig. Borchers ist ein ausnehmend anständiger u. ehrenhafter Mensch, aber körperlich schwach u. durch u. durch krank. Es ist ein Verbrechen, diesen Menschen überhaupt zum Soldaten gemacht zu haben.

     In der Andacht war heute morgen Trude, die seit gestern bei ihren Eltern ist, um sich Wintersachen zu holen. Sie erzählte mit Abscheu von dem Leben in Schneidemühl.

     Der Milchmann erzählt heute, daß er morgen eingezogen würde zum Schanzen in Holstein! – Man erwartet also doch von dort eine Invasion. – Wer uns nun die Milch bringen wird?

     Gestern Abend wurde uns ein Telegramm von Fritz durchgegeben. Er war drei Stunden im Reich, er ist gesund. –

Montag, 9. Oktober 1944.     

     Heute das neue Blumenbild in Rahmen gesetzt, es sieht recht gut aus, wenngleich es auch sonst nichts Besonderes ist. Ich habe die Studie mit diesen selben Blumen in Verbindung mit der Madonnenfigur noch einmal neu gezeichnet. Ich glaube, daß es so etwas werden kann. –

     Die Luftoffensive der Anglo-Amerikaner nimmt immer stärkere Formen an. Vorgestern waren nicht weniger als 7000 Flugzeuge über Deutschland bei 9000 Einsätzen. Unsere Städte werden jetzt gleich in Serien von einem Dutzend u. darüber bombardiert. Auch die Kampfhandlungen an den Fronten nehmen zu, besonders in Holland u. bei Aachen. In Holland wollen sie um jeden Preis den Hafen von Antwerpen gewinnen, den sie zwar [5] haben, aber noch nicht benützen können, weil die davor gelagerte Insel Walcheren noch in unserem Besitz ist. –

     Die Russen wollen anscheinend jetzt gegen Memel vorstoßen. Sie schneiden, wenn es glückt, wieder große Teile unserer dortigen Armeegruppe ab u. Riga fällt ihnen dann von selbst zu, zumal sie die großen Inseln vor dem Rigaer Busen in diesen Tagen erobert haben. Sie beherrschen damit den Seeweg nach Riga vollkommen. – Auch im Süden gegen Ungarn kommen sie voran. –

     Gestern Nachmittag waren die beiden Soldaten, die uns den Koks in den Keller schafften, zum Kaffee bei uns. Der ältere mit Namen Maass ist Studienrat an der holl. Grenze, der andere ist Textilkaufmann. Beide waren glücklich, ein paar Stunden in einem gemütlichen Hause sitzen u. frei sprechen zu können.

     Abends war wieder Agnes Borchers da. Sie zeigte verschiedene Briefe an Aerzte usw. durch die sie ihrem Manne zu helfen hofft. Wir gaben ihr Ratschläge, so gut wir konnten. Ich gab ihr einen Brief, den ich an ihren Mann am Nachmittag geschrieben hatte, worüber sie sehr glücklich war. Frau Beichler rief gestern Nachmittag an u. sagte, daß Gerda Knecht zum sechsten Male operiert wird u. daß es ziemlich hoffnungslos um sie steht. –

     Die noch vorhandenen Männer in Mecklenburg sind aufgerufen zum Schanzen in Schleswig-Holstein. Und das jetzt mitten in der Ernte! – Vor einigen Tagen bombardierten den Engländer unseren großen U=Boot=Stützpunkt Bergen in Südnorwegen. Dies in Verbindung mit der neuen Schipp=Aktion läßt darauf schließen, daß man doch noch eine neue Landung in der Deutschen Bucht erwartet, trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit.

     Frau Dr. Kemper hat mit dem Pfarramt in Barth teleponiert. Der Pfarrer soll jetzt eine Dauervertretung bekommen haben, sodaß er ins Krankenhaus in Greifswald gehen konnte. Der Vertreter soll die Absicht haben, demnächst bei uns eine Messe zu lesen.

Dienstag, 10. Oktober 1944.     

     Schwere Kämpfe an allen Fronten. Die Russen machen Fortschritte auf Memel u. Libau, sowie in Südungarn. Auch in Italien scheint schwer gekämpft zu werden.

     Churchill ist mit Eden u. ziemlich großem Gefolge nach Moskau geflogen, nachdem er eben erst in Kanada war. Es ist erstaunlich, was dieser alte Mann leistet. –

     Gestern Abend wurde bekannt, daß die Telephon-Verbindung zwischen Berlin u. Schweden seit 36 Stunden eingestellt ist. Dasselbe war damals der Fall, als das Attentat auf den Führer stattfand, – u. zwar auffälligerweise 24 Stunden vor dem Attentat. –

     Von Otto Wendt Nachricht, daß es ihm leider unmöglich ist, von Günter Wagner Oelfarben zu beschaffen. Einige Pinsel schickte er mir vor einigen Tagen.

     Von Schw. Gertrud Nachricht, daß ihr Bruder nun im Krankenhs. in Greifswald, wo er bei den kathol. Schwestern liebevoll gepflegt wird. Es geht ihm aber sehr schlecht. In Barth ist eine Vertretung, ein Jesuitenpater Dr. Kurz aus Wien. Dieser will am kommenden Sonntag Nachmittags bei uns Gottesdienst halten, falls nicht wieder Fliegeralarm ist. Er kann dann das Enkelkind von Frau Krauss taufen. Da wir nun im Hause keinen Platz mehr haben, muß er bei Frau Longard übernachten u. er kann dann am Montag früh noch eine hl. Messe lesen. Dieser Pater ist Neupriester u. wird allen Anwesenden [6] den Primizsegen erteilen.

     Es scheint, daß heute die lange angekündigten evakuierten Mütter mit Kindern angekommen sind. Im Nachbarhause Dohna ist jedenfalls erheblicher Kinderlärm u. ich sehe eine Dame dort hantieren. Frau Booth hat den Schlüssel von Monheims abgeholt, es sollen dort gleich vier Mütter mit Kindern einquartiert werden. Es ist zwar unverantwortlich, denn das Haus läßt sich ja nicht heizen; aber für Monheims empfinde ich eine leise Genugtuung. Sie haben sich wenig nett benommen.

Mittwoch, 11. Okt. 1944.     

     Die evakuierten Mütter sind also da. Aus Stralsund. Sie sind einfach in Häusern untergebracht, in denen es am Notwendigsten fehlt. Sie haben kein Brennmaterial, um sich Essen zu kochen, unser schwaches Stromnetz reicht schon für unseren Bedarf nicht aus, sodaß jeden Abend wenigstens einmal das Licht ausgeht. Nun kommt dies noch dazu. –

     Aachen ist nun völlig eingeschlossen. Die Amerikaner haben an den Kommandanten ein 24stündiges Ultimatum gestellt, die Stadt zu übergeben, andernfalls wird sie völlig zusammengeschossen werden. Das Ultimatum läuft heute Vormittag 1/2 11 Uhr ab. – Die Russen haben südlich Libau die Ostsee erreicht u. anscheinend auch südlich Memel das kurische Haff. Damit sind wieder einmal große Armeeteile abgeschnitten, die aus Riga kaum herauskommen werden, nachdem die Russen die vorgelagerten Inseln besetzt haben. In Ungarn sind sie weiter im Vormarsch u. mögen etwa 70 km. vor Budapest stehen.

     Die Engländer sind nun schon vor einer Woche in Südgriechenland gelandet, haben den ganzen Peloponnes besetzt u. Korinth erobert; aber von all dem weiß man in Deutschland kein Wort. –

     Der Telephonverkehr zwischen Deutschland u. Schweden ist immer noch unterbrochen, man kennt den Grund aber nicht.

     Heute das neue Bild untermalt, verspricht, sehr schön zu werden.

     Gestern Abend brachte Spangenberg einen Rucksack, den Fritz als Wehrmachtsgut an uns aufgegeben hat. Er enthielt für mich einen dunkelblauen Overall, den ich heute beim Malen an hatte. Er ist sehr schön warm, sodaß ich im Atelier nicht heizen brauchte, ferner noch eine Ueberzieh=Hose für die Gartenarbeit, ein grünes Hemd, viele Zigarren, die er nicht geraucht hat u. für Martha u. mich je ein Stück prachtvolle Palmoliveseife. Es ist rührend von dem Jungen. Auch eine Flasche Cognac war darin mit der Aufschrift: „Für meinen Vater“.

     Für Fritz kam heute das Postgeld zurück nach hier, welches er an sich selbst über Postscheck geschickt hatte. mit dem Vermerk: „Neue Anschrift abwarten.“ Gestempelt vom 9. 8. 44.

Donnerstag, 12. Okt. 1944.     

     Der Kommandant von Aachen hat Kapitulation abgelehnt, das Bombardement der Stadt hat seit gestern begonnen.

     Vor einigen Tagen starb ein General-Chef der Heeres-Personalabteilung, an den Folgen seiner Verwundungen, die er beim Attentat gegen den Führer erlitten hatte. Es wurde ein Staatsbegräbnis angeordnet, Beisetzung in Tannenberg, aber der Führer war nicht zugegen. Er ließ sich vertreten durch [7] Generalfeldmarschall Busch, der vor einigen Monaten an der Ostfront abgesetzt worden war. – Hermann Göring, der sonst den Führer bei solchen Anlässen vertritt, war bemerkenswerter Weise ebenfalls nicht zugegen, es scheint also, als hätte er immer noch Hausarrest, denn auch sonst hört u. sieht man nichts von ihm.

     Die Telephonsperre nach Schweden ist jetzt wenigstens gelockert. Es gehen Gerüchte. Man spricht von einer neuen Offiziersrevolte, die ihre Stütze in schwedischen Kreisen haben soll. Herm. Göring unterhält ja auch gute Beziehungen nach Schweden. Aus der deutschen Gesandtschaft in Schweden haben sich in dieser letzten Zeit drei höhere Beamte von Hitler losgesagt. –

     In der Zeitung steht, daß sich 70% der Hitlerjugend des Jahrganges 1928 freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hätten. Also die Sechzehnjährigen! Und die „Freiwilligkeit“ solcher Jungens ist bekannt!

     Frau Ilse Schuster ist von Schneidemühl zurück gekommen u. sagt, Paul habe ihr aufgetragen, zu bestellen, daß unser Gesuch um seine Entlassung abgelehnt worden sei.

Freitag, 13. Okt. 1944.     

     Gestern Abend Brief von Fritz vom 30. Sept. –, außerdem ein Päckchen, das er trotz der Päckchensperre als „Nachlaßsache“ aufgegeben hat u. das für den 15. Okt., unseren Hochzeitstag, bestimmt ist. Ich habe es nicht geöffnet u. werde es Martha am Sonntag auf den Frühstückstisch legen. Es ist einfach rührend, daß der Junge daran denkt. – Leider ist er nun nicht mehr beim Hauptverbandsplatz. Das Bataillon ist neu aufgestellt u. hat einen neuen Arzt bekommen, sodaß nun wieder ein Truppen-Verbandsplatz eingerichtet wurde. Auf dem Hauptverbandsplatz wurde der Gefr. Hebert aus Ahrenshoop eingeliefert, jedoch nicht sehr schwer verwundet. Fritz hat sich um ihn besonders bemüht. Er stellte fest, daß dieser Mensch nur zwei Zähne besaß. Man hatte ihm in der Heimat alle übrigen Zähne herausgezogen, es aber nicht für nötig gehalten, ihm neue Zähne zu geben, sondern hat ihn so ins Feld geschickt. Solch ein Mensch ist eben nichts wie Kanonenfutter. –

     Von Erich die Nachricht, daß er mir nochmals einige Oelfarben besorgen kann. –

     Von Wollesen liegt, seitdem er hier abgereist ist, noch keinerlei Nachricht vor. Am Montag sind es 14 Tage, daß er fort ist, – die Sache beginnt, unheimlich zu werden.

Sonnabend, 14. Okt. 1944     

     Gestern Abend wieder Brief von Fritz vom 3. Oktober. Er berichtet einen interessanten Fall: Die Amerikaner hatten einen seiner Kameraden einen verwundeten Sanitäter, gefangen genommen u. haben ihn dann wieder entlassen. Er fand sich wieder bei der Truppe ein. – Der Unteroffizier, der mit Fritz allein von allen Sanitätern übrig geblieben war, ist Feldwebel geworden, aber Fritz hat leider noch nicht einen Sanitäts-Dienstgrad erreicht, wodurch er Unteroffizier geworden wäre. – Er soll sich aber dazu garnicht drängeln. –

     Die Russen haben Riga genommen. Auch Athen ist im Besitz der Alliierten. Von beidem weiß der deutsche Rundfunk noch nichts, nicht einmal die schon vor längerer Zeit stattgefundene Landung der Alliierten in Griechenland u. Albanien ist bis heute bekannt.

[8]      Heute Nachmittag wird Frau Caspari beerdigt, Schwester von Frau Geh-Rt. Koehn, die am Montag schon plötzlich an Herzschwäche gestorben ist. Es fand sich niemand im Dorf, der die Leichenwäsche vornahm oder sonst etwas tat. Die Verstorbene lag im Obergeschoß, der Sarg wurde im Erdgeschoß abgestellt. Der Bäcker Hagedorn u. unser Nachbar, der alte Papenhagen, haben die Leiche heruntergetragen.

     Gerda Knecht soll es sehr schlecht gehen, man befürchtete gestern das Schlimmste; aber jetzt soll eine Besserung eingetreten sein. Sie liegt in der Klinik in Rostock.

     Von Herrn Otto Luke, der jetzt Gefreiter bei der Marine-Artillerie bei Hamburg ist, erhielt ich gestern einen Brief mit inliegendem Reichsbezugsausweis für Künstlerbedarf. Ich kann darauf in Berlin zwei große Tuben Weiß u. 29 sonstige Farbentuben bekommen, sowie Firnis. Sehr erfreulich, besonders nachdem Otto Wendt mir keine Farben über Günther Wagner beschaffen kann. Nun werde ich in absehbarer Zeit mit Farben nicht in Verlegenheit sein.

     Gestern Abend Rosenkranz: Frau Krauss u. Regina Treffer.

Sonntag 15. Okt. 1944.     

     Unser zweijähriger Hochzeitstag Blumen auf dem Frühstückstisch, dazu das Päckchen von Fritz, welches echte portugiesische Sardinen enthielt. Andacht fiel aus, weil Nachmittags hl. Messe. –

     Gestern ist der Fischer Heinrich Meyer gestorben.

     Gestern Abend Marianne Clemens u. Frau Dr. Scheid.

     Belgrad soll von serbischen Freischärlern u. Russen genommen worden sein. Sie sind jetzt im Anmarsch auf Nisch. – Das Gerücht, nach dem die Ungarn um Waffenstillstand nachgesucht haben, welches vor einigen Tagen aufkam, verdichtet sich immer mehr u. gewinnt an Wahrscheinlichkeit. Damit würde der letzte Bundesgenosse ausfallen, wenn man von der Slowakei u. Kroatien absieht, von denen wir so wie so längst keine aktive Hilfe mehr haben. Die Flucht der Beamten aus unserer Gesandtschaft in Stockholm nimmt weiter zu. In Schweden sollen zwei höhere deutsche Offiziere angekommen sein, von denen man noch nicht weiß, ob sie aus Norwegen oder Dänemark geflohen sind.

     Herm. Göring, der lange verschwunden war, hat wieder einmal eine Rede gehalten.

Montag, 16. Oktober 1944.     

     Zur schönen, hl. Messe gestern 22 Personen. Vorher die Taufe des Enkelkindes der Frau Krauss, ein allerliebster kleiner Junge, der den Namen „Peer-Michael“ erhielt. Ich assistierte u. vertrat den abwesenden Paten. Leider ging während der Messe wieder einmal das Licht aus, wie täglich, u. ging bis Abends 8 Uhr nicht mehr an. Nach der Messe ging P. Dr. Kurz mit Frau Krauss zu deren Tochter Masurek, wo ein recht üppiges Taufessen stattgefunden hat. Wir waren auch eingeladen, hatten aber abgesagt. Genächtigt hat der Pater bei Frau Longard. Heute morgen um 8 Uhr hatten wir nochmals Messe, leider regnete es stark, sodaß viele Leute nicht kamen, besonders die von Wustrow. Wir frühstückten mit dem Pater, der sich als ein sehr gebildeter u. [9] u. kluger junger Mann von etwa 30 Jahren erwies. Ich zeigte ihm meine Bilder, die er erstaunlich sachlich beurteilen konnte. Gegen 11 Uhr fuhr er nach Born, wo er noch eine Taufe hatte. Ueber den Gesundheitszustand des Pfr. Dobczynski konnte er nichts Gutes berichten, er schwebt dauernd in Lebensgefahr. Er hat Angina pectoris u. dazu noch einen zu hohen Blutdruck, sodaß wir annehmen müssen, daß wir ihn als Pfarrer nicht mehr wiedersehen werden. Selbst wenn er bei der guten Pflege, die er jetzt in Greifswald bei den Schwestern genießt, wieder einigermaßen hergestellt werden sollte, so wird er nach Ansicht des Paters sein Amt nicht mehr ausüben können. Pater Dr. Kurz sagte, daß unser Pfarrer in der Diözese berühmt wäre wegen seines Priestertums. – Wir sind sehr betrübt über die Aussicht, diesen Pfarrer verlieren zu sollen. –

     Gestern Abend wurde bekannt, daß die Ungarn um Waffenstillstand gebeten haben. Nun ist es also so weit! Die Lage ist heute verworren, denn in Budapest haben sich die ungarischen u. deutschen Nazis der Regierung u. des Rundfunks bemächtigt u. es kommt nun ganz darauf an, was die Armee tun wird. In jedem Fall kann eine Naziregierung den Zusammenbruch nur aufhalten, nicht verhindern. – Die Russen haben Petsamo erobert. –

     Am Freitag ist Duisburg Tag u. Nacht angegriffen worden, es wurde eine Bombenlast von 9500 Tonnen geworfen. Damit hat diese Stadt aufgehört, zu existieren. Aachen – Duisburg! soll es so weitergehen?

     Generalfeldmarschall Rommel ist seinen Verletzungen erlegen, die er s. Zt. an der Invasionsfront durch Fliegerangriff erlitten hat. Sein Tod wird bei uns als Autounfall dargestellt. –

     Heute wieder mit Schüler telephoniert. Die Pumpe ist nun wenigstens in der Fabrik, wenn sie zurückkommt, konnte er nicht sagen.

Mittwoch, 18. Okt. 1944.     

     Die Vorgänge in Ungarn sind weiter undurchsichtig. Durchsichtig ist nur, daß von uns betrügerisch gespielt wird, – wie nicht anders zu erwarten war. Der ungarische Reichsverweser v. Horty hat selbst am Rundfunk eine Proklamation verlesen, nach welcher er um Waffenstillstand gebeten habe, da Deutschland den Krieg offensichtlich verloren habe. Er hat die Soldaten aufgefordert, den Kampf einzustellen. Der Sender Budapest ist nun in deutschen Händen u. es wird behauptet, v. Horty habe widerrufen, er selbst hat aber nichts dergleichen gesagt. Die ungarischen Nazis, die sog. Pfeilkreuzer, haben Horty abgesetzt u. einen anderen Mann aus ihren Reihen eingesetzt, der nun die Fortsetzung des Kampfes betreibt. Wie weit die Offiziere u. Soldaten diesem Manne folgen werden, ist bis jetzt noch nicht zu erkennen, nur der Befehlshaber der I ungar. Armee ist mit seinem Stabschef u. einigen anderen Offizieren zu den Russen übergegangen. Die ungar. Gesandtschaft in Stockholm hat erklärt, daß sie mit dieser neuen Regierung nichts zu tun haben wolle. –

     Sonst hat sich die Lage an den Fronten nicht verändert. In der Stadt Aachen wird nach wie vor gekämpft, wie auch in den Straßen von Belgrad. Nisch ist erobert u. in Athen ist die griech. Regierung eingetroffen. [10] Ein sehr bemerkenswertes Vorkommnis hat sich in Hamburg ereignet. Bei einem der letzten nächtlichen Fliegerangriffe war die Stadt hell erleuchtet. Die Lichter gingen erst nach u. nach straßenweise aus, nachdem die ersten Bomben gefallen waren. Dies ist die erste, große u. offene Sabotagehandlung im Reich, von der ich gehört habe, man kann erwarten, daß weitere Sabotageakte bald folgen werden. –

     Heute wurde Heinrich Meyer zu Grabe getragen.

     Von Pfr. Dobczynski Brief aus Greifswald. Der rührende Mann sorgt sich um uns. –

Donnerstag, 19. Oktober 1944.     

     Der Abgrund, in den Deutschland versinkt, öffnet sich immer grauenvoller. Gestern, am Jahrestage der Schlacht von Leipzig, fand in einer Stadt in Ostpreußen eine Kundgebung statt, bei welcher ein Aufruf des Führers zur Bildung eines „Volkssturmes“ verlesen wurde. Alle Männer zwischen 16 u. 60 Jahren, so weit sie wehrfähig sind u. nicht schon bei der Wehrmacht stehen, sollen zu bewaffneten Bataillonen zusammengefaßt werden zur Verteidigung des Landes. Die Schießausbildung untersteht dem sog. Stabschef der SA, die ganze Organisation der einzelnen Gaue den Gauleitern, also nicht der Wehrmacht, sondern der Partei. Der Wehrmacht traut man wohl bereits nicht mehr. Heinrich Himmler, – ich weiß nicht, ob mit einem oder zwei m, führte die Bedeutung dieses Unternehmens in einer langen Rede aus, in der allein zu bewundern war, wie dieser Halunke es verstand, die Redeweise u. das Organ des Führers nachzuahmen. Dieser Kerl hat sicher mit nicht geringer Mühe erlernt, das rollend r des Führers nachzuahmen, die lange Dehnung der Vokale u. vor allem den ganzen Tonfall. Er führte aus, daß dieser sog. Volkssturm die Aufgabe haben würde, jedes Dorf, jedes Haus, jeden Graben u. jeden Busch mit dem Gewehr zu verteidigen, besonders auch dann, wenn der Feind bereits das Land besetzt haben sollte. Es dürfe niemals Kapitulation geben. – Was also bei den anderen bisher als feiger u. hinterhältiger Heckenschützenkrieg genannt wurde, das soll uns jetzt zur Pflicht gemacht werden. – Nach diesem Schwätzer trat der Gauleiter von Ostpreußen, Koch, auf den Plan u. schrie und kreischte eine Rede herunter, als ob das Messer schon an seinem eigenen Halse säße. – Es mag wohl sein, daß er etwas Aehnliches fühlte.

     Damit ist denn also die entscheidende Maßnahme getroffen, die den vollständigen Ruin Deutschlands herbeiführen muß. Unsere Gegner werden dadurch direkt zur grausamen Ausrottung des Volkes gezwungen, ob sie nun wollen oder nicht, besonders, wenn es so gehen würde, wie Herr Himler es verlangt, daß nämlich notfalls auch Frauen u. Mädchen zum Gewehr greifen. Man kann nur hoffen, daß die überwiegende Mehrheit des Volkes diesen Wahnsinn nicht mitmachen wird, ja daß das Volk die Waffen umkehren u. diesen Verbrechern den Garaus machen wird.

Freitag, 20. Oktober 1944.     

     Gestern Mittag Erich Seeberg. Er wollte sich bei mir Rat holen, was er tun solle, wenn er zum Volkssturm eingezogen wird. Er wies mir seinen Militärpaß vor, nach dem er Divisionspfarrer ist u. somit eigentlich der [11] der Wehrmacht angehört. Das wird ihm aber garnichts nützen, so wenig mir selbst mein eigener Militärpaß etwas nützen wird. Dagegen besitzt er zwei ärztliche Atteste, von Prof. Jaensch u. von Prof. Curschmann, die ihm nützlich sein könnten, wenn er Gelegenheit haben sollte, sie anzubringen, denn eine ärztliche Untersuchung wird es ja wahrscheinlich garnicht geben. Ich bin freilich der Meinung, daß seine Einziehung sein Tod sein würde, – aber das wäre den Nazis ja egal, möglicherweise sogar erwünscht. Seeberg hat dann noch die Möglichkeit, sich vom Armeebischof als Divisionspfarrer anfordern zu lassen, doch ist es sehr fraglich, ob dazu ein Bedarf vorliegt. Ich habe ihm geraten, vorläufig nichts zu unternehmen u. abzuwarten. –

     Abends Frau Korsch. Sie möchte gern, daß ich meine religiösen Mittwoch-Vorträge wieder aufnehme. Ich habe es für November in Aussicht gestellt.

     An den Fronten keine wesentlichen Veränderungen. Nur an der Slovakischen Ostgrenze scheinen die Russen einige Fortschritte gemacht zu haben. In Aachen wird weitergekämpft, es wird nichts stehen bleiben von dieser Stadt. Starke Fliegerangriffe auf Köln, Mainz usw.; aber nichts, was auf eine Entwicklung schließen ließe. Es sieht sehr trostlos aus.

     Im Pazific hat bei Formosa eine Schlacht stattgefunden, welche die Japaner als Riesensieg feiern, während die Amerikaner behaupten, die Japaner geschlagen zu haben.

Sonnabend, 21. Oktober 1944.     

     Die Ruinen von Aachen sind nun im Besitz der Engländer. Zehn Tage hat der Kampf gedauert. In Ungarn haben die Russen Debreczen erobert u. auch Belgrad ist jetzt von Deutschen gesäubert, nachdem von uns behauptet worden war, wir hätten die Lage wieder hergestellt u. in Belgrad herrsche Ruhe.

     Der Riesensieg der Japaner über die amerikan. Flotte stellt sich nun als das heraus, was zu vermuten war: ein Riesenbluff. Dazu hat Großadmiral Dönitz eigens ein Glückwunsch-Telegramm nach Japan gesandt. Die Amerikaner sind nämlich mit starken Kräften im Centrum der Philippinen gelandet. Wahrscheinlich war ihr Angriff auf Formosa nur ein Manöver, um die japan. Flotte zu beschäftigen, indessen haben die Amerikaner ihre Landung auf den Philippinen ohne jede japan. Störung durchgeführt.

Montag, 23. Oktober 1944.     

     Gestern zur Andacht erstmalig Agnes Borchers-Papenhagen. Auch Frau de Bree war wieder da. – Sonst hat sich nichts von Belang ereignet. Schrieb an Fritz, von dem wir nun auch seit über einer Woche keine Nachricht mehr haben, u. an Pfr. Dobczynski nach Barth. Gestern Abend nach einiger Zeit wieder einmal Fliegeralarm, aber nur kurz.

     Deutschmann sagte zu Martha, daß ich nun doch in die Liste des Volkssturm aufgenommen sei mit dem Vermerk „Invalide“. – Die Partei verlangt jetzt wieder einmal Listen aller 50%igen Judenstämmlinge. – Das ist der wahre Grund des plötzlichen Todes der alten Frau Caspari. Sie ist mit einem Juden verheiratet gewesen u. hat zwei oder drei Töchter. Als sie von dieser neuerlichen [12] Aktion hörte, erregte sie sich so, daß ein Herzschlag eintrat. So häufen diese Mörder immer neues Blut.

     Die Engländer machen an der Scheldemündung sehr langsame Fortschritte, etwas besser scheint es bei den Russen in Süd= u. Ostungarn zu stehen.

     Am Sonnabend habe ich das Stilleben Maria mit Blumen vollendet. Es ist wirklich sehr schön geworden, sowohl in den Farben Gelb, Braun, bis ins Rot u. dazu die grünen Blätter, wie auch in der Linienkomposition. Ich glaube, daß ich nun einige Landschaften malen werde. Ich habe meine alte Mappe mit Naturstudien vorgeholt, die ich 1931 u. 32 gemacht habe, alle hier in der Gegend aus dem Jahre 1931, als ich nach dem Autounfall wieder anfing, etwas gehen zu können u. einige aus dem Jahre 1932, als ich mit Frau H. in Neu=Kunersdorf in der Nähe von Schneidemühl war. – Diese Landschaften werden allerdings wohl sehr abstrakt werden, ich will es versuchen.

Dienstag, 24. Oktober 1944.     

     Gestern Abend ist Gerda Knecht in der Klinik in Rostock gestorben. Sie hat qualvolle Wochen voller Schmerzen hinter sich u. das mag ihr das Sterben erleichtert haben. Damit ist ein sehr junges Leben voller Eitelkeit u. Hoffart zu Ende gegangen u. es ist zu fürchten, daß damit auch das Leben der ganzen Familie Knecht zu Ende gehen wird. Eine zweite Frau dieser Art, die bereit ist, in dieses verschuldete Anwesen hineinzuheiraten u. die zugleich seiner aufgeblasenen Eitelkeit Genüge tut, wird Walter Knecht nicht finden. Es wird ihm nichts übrig bleiben, als seine Schwester, Frau Matz, wieder zurück zu holen, die ihm früher nicht mehr genügte; aber inzwischen ist diese älter u. nicht tüchtiger geworden. Sie wird aber zurückkommen müssen, weil es sich ja auch um ihr Vermögen handelt, – u. diese ganze, zahlreiche Familie Beichler, die bisher sich dort breit gemacht hat u. alles kahl gefressen hat wie die Heuschrecken, – sie wird nun wohl wieder verschwinden. – Und nun wird das Geschrei um ein kathol. Begräbnis groß sein, – aber vergeblich. – Es ist alles sehr traurig.

     Dem Gerücht nach soll sich gestern noch ein anderer Tod ereignet haben: Himmler soll gestern in Budapest das Ziel eines Attentates gewesen sein. Sein Stabschef soll tot sein, Himmler selbst nur verwundet. Gott verzeih mir, wenn ich wünsche, daß dieses Gerücht sich bewahrheiten möge! –

     Mit dem Tode Himmlers würde dann auch die Schmarotzer=Existenz des Herrn Lorenz vorbei sein. Grade gestern wurde davon gesprochen, daß dieser Kerl sich überall in Deutschland Grundstücke gekauft habe u. sein errafftes Vermögen in Industriewerten angelegt habe. Einem anderen Gerücht zufolge, sollen alle führenden Industriellen des Rhein= u. Ruhrgebietes verhaftet worden sein, weil sie für den Abschluß eines sofortigen Friedens agitiert hätten. Auch diese Leute verdienen nichts Besseres. Sie haben von Anfang an Hitler unterstützt, weil sie wußten, daß Hitler Krieg bedeutet u. sie am Kriege verdienten. Nun, wo es schief gegangen ist, sie aber dennoch ungeheuer verdient haben, – nun wollen sie Frieden, um ihre Kriegsgewinne zu retten, denn sie wissen, was sie verlieren werden, wenn es dem ganzen Industriegebiet geht wie Aachen. –

     Ueber Aachen u. seine Evakuierung werden nach u. nach grauenhafte Einzelheiten bekannt. Die SS=Männer [13] Himmlers sind mit grausamster Brutalität vorgegangen u. nachdem die Bevölkerung abgeschoben war, haben diese selben SS-Männer u. deutsche Soldaten sich an's Plündern gemacht. Vor allem sind die Juwelierläden ausgeräubert worden u. in den Taschen der gefangengenommenen deutschen Soldaten haben die Amerikaner das Gold wiedergefunden. –

     Eine nette Scherzfrage hörte ich gestern: Wer hat die größte Flotte! – Antwort: Deutschland, – nämlich 80 Millionen Kohldampfer u. einen Zerstörer.

     Gestern Mittag war Herr Söhlke hier. Seine Frau war in der Nacht vorher schwer erkrankt u. in akuter Todesgefahr. – Wir sprachen natürlich vom Volkssturm u. über seine Organisation, die völlig unklar ist. Klar ist nur, daß Himmler jetzt Chef der Polizei ist, Chef der SS sowohl an der Front wie in der Heimat, Chef des Heimatheeres u. nun auch Chef des Volkssturmes. Nach Soehlkes Meinung soll der Volkssturm in der Heimat als Ersatz des Heimatheeres eingesetzt werden, wenn es zu Aufruhr kommen sollte, nachdem dieses Heimatheer jetzt restlos an die Front kommen soll. Diese Ansicht ist einleuchtend. Es fragt sich nur, woher man die Waffen für den Volkssturm nehmen soll, u. vor allem die Offiziere. – Erich Seeberg kam dazu u. sagte, sein Schwiegersohn, der für einige Tage hier ist u. Oberleutnant u. Adjutant bei irgend einer Dienststelle in Halle ist, habe ihm von der immer sichtbarer werdenden Vorbereitung einer neuen Waffe berichtet, welche furchtbare Wirkungen haben soll. –

     Neuerdings sollen nun die Russen auf einer sehr breiten Front etwa 30 km. tief in Ostpreußen eingedrungen sein. Auch in Ungarn haben sie anscheinend recht bedeutende Fortschritte gemacht. –

     Gestern machte ich eine Zeichnung für ein Landschaftsbild nach einer Studie aus Neu-Kunersdorf: zwei schlanke Erlen am Wasser, dahinter eine weite Landschaft mit leicht gewellten Hügeln. Sehr räumlich u. sehr einfach.

Donnerstag, 26. Oktober 1944.     

     Gestern am Spätnachmittag war Martha bei Knechts. Frau Beichler, die Schwester von Gerda, war völlig fassungslos. Martha sagt, sie habe sich an sie geklammert u. geschrieen u. sich völlig unbeherrscht benommen. Die andere Schwester Frau Bierwirth, die jetzt irgendwo im Sudetengau untergekommen ist, war auch da. An Walter ist über unsere Batterie ein Telegramm gegangen. Die Leiche soll heute aus Rostock hier eintreffen, man sagt, daß Johannsen aus Ribnitz sie abhole mit seinem Personenauto, da soll er sie in den kleinen Anhänger, in dem sonst die Koffer liegen, herbringen. Ich kann mir das nicht gut denken, denn in diesem Anhänger könnte die Leiche nicht einmal ausgestreckt liegen. Prof. Reinmöller, der sich wirklich aufopfernd um die ganze Sache bekümmert hat, soll sie selbst herbringen; – sollte nicht einmal er in der Lage sein, ein Krankenauto mit einer Bahre zu besorgen? – Martha erzählt mir, daß drüben bei Knechts die Wände der Wohnstube voll von Photographien von Gerda hängen. Sie haben alle einen Götzenkult mit dieser jungen Frau getrieben, – nun ist von all der Schönheit nur ein Häufchen Dreck übrig, das im Kofferanhänger hergeschafft wird. –

     Von Fritz haben wir lange keine Nachricht, – letzter Brief am Freitag den 13.10. vom 3.10., morgen sind es also 14 Tage. Ich bin in Sorge. – Papenhagens haben Nachricht über das Rote Kreuz von Walter, der in Brest gewesen war u. nun [14] mit Arm= u. Beinschuß im Lazarett in französischer Gefangenschaft liegt. Da er die Nachricht selbst geschrieben hat, läßt sich vermuten, daß es ihm nicht schlecht geht. Der alte Papenhagen ist sehr froh. –

     Gestern kam Erika zurück vom Besuch ihres Mannes in der Nähe von Bremen. Ich habe sie noch nicht gesprochen. Eben verabschiedete sich Trude, die wieder nach Schneidemühl zurückgeht – ich gab ihr Cigaretten für Paul mit. –

     An den Fronten langsame Fortschritte, nur die Russen kommen rascher vorwärts in Ungarn, wo sie jetzt im Osten an der obersten Theiss dicht vor der slowakischen Grenze sind. In Ostpreußen sind sie bei Gumbinnen.

     Im Pazifik scheinen sich jetzt sehr entscheidende See= u. Luftkämpfe bei den Philippinen abzuspielen. Die Japaner siegen natürlich unentwegt.

     Heute einen neuen Bogen aufgespannt für die neue Landschaft. Das Marien-Stilleben habe ich auf die letzte Sperrholzplatte aufgezogen, die ich besitze, – wie ich die künftigen Bilder behandeln soll, ist mir unklar. Habe Papenhagen gebeten, daß er mir Sperrholz besorgen soll, doch scheint es aussichtslos.

Freitag, 27. Okt. 1944.     

     Gestern Nachricht von Fritz vom 11. Okt. Er schickte einige Dosen Oelsardienen aus seiner Verpflegung die, wie er schreibt, immer noch sehr gut u. reichllch sei. Sonst schrieb er weiter nichts.

     Heute Morgen kamen Briketts für Küntzels, 30 Centner, die vor die Gartentür geworfen wurden. Mir blieb nichts übrig, als sie eimerweise reinzuschleppen. Bis Mittag war ich fertig, sowohl mit den Briketts, wie mit mir selbst.

Sonnabend, 28. Oktober 1944.     

     Soeben komme ich von der Beerdigung Gerda Knecht. Der Sarg war in der großen Veranda aufgestellt, – sehr viele Kränze, sehr starke Beteiligung der Menschen.

Montag, 30. Oktober 1944,     

     Am Sonnabend unterbrochen durch Martha, die von Frau Beichler kam. Frau B., die ältere Stiefschwester von Gerda Knecht, die Mutterstelle vertreten hatte, war bei der Beerdigung sehr fassungslos gewesen. Es war unmöglich, daß sie mit zum Friedhof ging, so blieb Martha bei ihr.

     Der Sarg war in der großen Veranda aufgestellt. Es waren überraschend viele Kränze da, obwohl es jetzt sehr schwer ist, solche zu bekommen; die Leute hatten sie wohl selbst gemacht. Auch die Beteiligung war ziemlich groß, obschon die junge Frau in den sechs Jahren ihres Hierseins im Ort mit den Einwohnern kaum Fühlung gehabt hat. Man mochte sie nicht, weil sie allzu städtisch war u. gern die Dame spielte wie ein Sommergast. Auch Walter Knecht ist nicht sehr beliebt, er ist tatsächlich ein aufgeblasener u. eitler Mensch mit der dazu passenden Dummheit.

     Der Pfarrer aus Prerow sprach am Sarge recht gut, wenn auch reichlich lange. Prof. Reinmöller, der sich sehr um Gerda in ihrer Krankheit bemüht hatte u. die Rostocker Universitäts Klinik für sie in Anspruch genommen hatte, war sehr beteiligt, er weinte. Es scheint, daß er für diese junge Frau eine senile Altmännerliebe empfunden hat. Frau Beichler war, wie gesagt, fassungslos. Walter war nicht da, es ist ungewiß, ob er zur Stunde überhaupt weiß, daß seine Frau gestorben ist. Dafür war die alte Knecht da mit Tochter u. Schwiegersohn Matz u. auch Johanna Matz, deren Bräutigam vor einiger Zeit gefallen ist. [15] Diese Familie Knecht=Matz trat nun wieder sehr in den Vordergrund. Vermutlich werden sie ihre Rechte geltend machen, während Beichlers durch diesen Tod wohl alle ihre Hoffnungen verloren haben werden. Aber Knechts können, so wie sie sind, nach dem Kriege die Gastwirtschaft auch nicht mehr führen u. so wird wohl dieser Tod der Anfang vom Ende sein. –

     Gestern Christkönigsfest, Andacht mit stärkerer Beteiligung: Frau Korsch mit ihren beiden Jungens, Frau de Bree, Frau Krauss, Grete u. Agnes Borchers, die nach meiner Ansprache fortging. Nachher an Fritz, Pfr. Dobczinski u. an Paul geschrieben.

     Eben am Gartenzaun Erich Seeberg, der in großer Sorge ist um seinen Sohn, der Marinepfarrer auf der Tirpitz ist. Dieses Schiff, welches von früheren Luftangriffen schwer mitgenommen ist, wird zur Zeit abgeschleppt. Es lag bisher hoch im Norden in Norwegen. Die Sache ist so wenig geheim gehalten worden, daß die Stockholmer Zeitungen dieses Abschleppen schon vorher ankündigten. Natürlich haben die Engländer das Schiff von Neuem schwer angegriffen.

     Die Engländer machen an der Scheldemündung langsame, aber stetige Fortschritte. Sie werden die Einfahrt nach Antwerpen jetzt bald freigekämpft haben. Sonst hat sich nichts ereignet. Unser Widerstand in Ostpreußen ist verstärkt, sodaß die Russen nicht weiter kommen. In Ungarn geht es etwas besser, aber auch nicht sehr rasch.

     Der Waffenstillstand mit Bulgarien ist unterzeichnet.

Dienstag 31. Oktober 1944.     

     Meine Landschaft macht Fortschritte u. verspricht, sehr gut zu werden, ein Bild mit großer Tiefe u. sehr klar gegliedertem Raum. Heute habe ich die beiden dunklen Stämme der Erlen im Vordergrunde hineingesetzt, sodaß die räumliche Illusion jetzt klar zum Ausdruck gekommen ist. Das Wasser im Vordergrunde fehlt aber noch, durch dieses soll der Raum erst voll zur Entfaltung kommen.

     Gestern Nachricht von Fritz vom 13. – 14. Oktober. Es geht ihm, Gott sei Dank gut, besonders scheint sein neuer Stabsarzt ein netter Mensch u. guter Vorgesetzter zu sein.

     An den Fronten geht es weiter langsam vorwärts, besonders an der Scheldemündung, wo es den Engländern nun wohl bald gelingen wird, die Insel Walcheren zu nehmen, durch die die Einfahrt nach Antwerpen beherrscht wird. Wahrscheinlich haben wir aber auch noch am Südufer der Schelde schwere Geschütze stehen, die ebenfalls noch erobert werden müssen.

     Churchill hat im Unterhaus gesagt, er könne nicht annehmen, daß der Krieg vor Ostern 1945 beendet sein könne, wenngleich einige engl. Generale der Meinung seien, daß er schon zu Weihnachten beendet sein würde. Seine Rede, die er im Unterhause über die Konferenz in Moskau gehalten hat, war eigentlich nicht sehr freudig. Er sprach sehr offen von gewissen Schwierigkeiten u. verzeichnete es schon als Erfolg, daß die Partner die Berechtigung dieser Meinungsverschiedenheiten eingesehen hätten. Diese Meinungsverschiedenheiten werden sich niemals beseitigen lassen, – u. das mag [16] wohl auch sehr gut sein. –

     Fritz schreibt, daß der Ersatz, den sie jetzt bekommen haben u. mit dem das Bataillon neu aufgestellt worden sei, aus Luftwaffensoldaten, Marinesoldaten, SS=Leuten u. Soldaten des Heeres, bestünde. Es ist das ein Beweis, wie sehr unsere Reserven aufgebraucht sind. Jetzt fängt man auch langsam an, zu merken, was es mit den sog. „Volksdivisionen“ auf sich hat, von denen so viel die Rede ist, seitdem Herr Himmler das Heimatheer befehligt. Es sind das neu aufgestellte Formationen, die sich aus all den Leuten zusammensetzen, die bisher noch nicht Soldaten waren, besonders die Parteifunktionäre, die bisher irgend einen Druckposten in der Heimat hatten, aber auch alle, die sonst bisher u. k. gestellt waren oder auch solche, die bisher wegen mangelnder Gesundheit nicht Soldaten wurden. Diese Formationen hat man nach 14tägiger Ausbildung als Kanonenfutter an die Front geschickt, manche sind nicht einmal 14 Tage ausgebildet. Es läßt sich denken, was das für Soldaten sein werden. Nur die Offiziere u. Unteroffiziere sind Leute mit Fronterfahrung. –

     Dennoch läßt sich nicht ersehen, wann dieser Krieg ein Ende finden soll. Das Luftbombardement der Städte im Westen, der Industrie= u. Verkehrsanlagen geht in schärfster Form seinen Gang u. nach dem, was man hört, kann im Westen von einem Eisenbahnverkehr schon längst keine Rede mehr sein. Auch Fritz schreibt, daß die Straßen am Tage für den Autoverkehr unbenutzbar seien u. daß der ganze Verkehr über Feld= u. Nebenwege gehe, die freilich in einem tollen Zustand sind; aber dennoch wird gefahren. Wenn die Anglo-Amerikaner in demselben Tempo weiterkommen, wie bisher, seitdem sie an unserer Grenze stehen, dann ist der Krieg auch Ostern nicht zuende. Zwar werden wir in diesem Winter eine Hungersnot durchmachen, wie wir sie in Deutschland wohl selbst im 30jähr. Krieg nicht erlebt haben; aber den Nazis ist das egal, – sie hungern schon nicht. Eine hier aus Berlin evakuierte Dame erzählte mir kürzlich, daß in Berlin schon seit längerer Zeit überhaupt kein Gemüse zu bekommen sei infolge der Verkehrsschwierigkeiten. Es sei der Weißkohl in Scheiben zu 200 Gramm verkauft worden. –