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TBHB 1945-02-11

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-02-11
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Sonntag, 11 Febr. 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 11. Februar 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-02-11 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 11. Februar 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Sonntag, 11 Febr. 1945.     

[1]      Gestern Abend rief Kpt. Lt. Dr. Krappmann an, ob er kommen dürfe, er habe etwas zu besprechen. – Er kam dann mit seiner Frau. Er wollte sich Rat holen, ob er die Frau mit d. Kindern in die Heimat schicken solle, etwa nach Bamberg, da ihre eigentliche Heimat Schweinfurt ja nicht mehr existiert. Im Bamberg könne sie „vielleicht“ bei einer Freundin unterkommen. Er fürchtet drei Möglichkeiten. Bei eventuellen Kampfhandlungen kann er ums Leben kommen, oder er wird gefangen genommen, oder es gelingt der Batteriebesatzung, sich in Kähnen durchzuschlagen.

     Ich sagte ihm, daß ich diese dritte Möglichkeit für unwahrscheinlich halte, so viele Kähne gibt es hier ja garnicht. Wenn er aber gefangen genommen wird oder fällt, dann ändert sich für seine Frau nichts, ob sie nun in Bamberg ist, oder hier. Andererseits aber ist das Elend der Flüchtlinge furchtbar, denn mitnehmen kann sie nichts u. eine Reise nach Bamberg mit den Kindern ist höchst riskant. Außerdem macht es einen nicht sehr guten Eindruck, wenn die Frauen der Herren Offiziere, die so lange hier waren, jetzt das Weite suchen. Man wird sagen: „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff“. Er ließ sich überzeugen u. beschloß, seine Frau hier zu lassen. –

     Wir besprachen dann die möglichen Ereignisse. Er rechnet mit einem Angriff vom Süden aus Rostock, nicht von Stralsund durch den Darss. Im Falle eines solchen Angriffes würde er die Dörfer rechtzeitig warnen, sodaß die Bewohner in den Darss flüchten können. Seine Batterie reicht nicht bis Rostock, sie würde also erst in Aktion treten, wenn einige Panzer von dort her eine Streife durch Fischland u. Darss machen würden. In diesem Falle müßte er natürlich schießen, aber er vertraute mir an, daß die Batterie so wenig Munition besitzt, daß es sich nur um wenige Schuß handeln könne, die dann freilich genügen würden, um alle Fensterscheiben der Umgegend zu zerschlagen. Die feindl. Panzer würden natürlich antworten, doch würde Ahrenshoop davon kaum berührt werden. Möglicherweise würden auch Fliegerbomben geworfen werden, die dann größeres Unheil anrichten würden. Nach dem letzten Schuß würde sich die Batterie ergeben müssen. – Sollte ein Angriff aber doch durch den Darss kommen, so wäre das für Ahrenshoop zwar sehr viel unangenehmer, denn der Ort würde dann zwischen den Fronten liegen, aber die Batterie würde bestimmt nicht in den Ort hineinschießen. –

     Ich habe mir nun diese Sache überlegt u. bin zu folgender Ueberzeugung gekommen:

     Die Russen, die immer noch nichts verlauten lassen über ihre Operationen im Raume Küstrin-Frankfurt, werden versuchen, Berlin durch Handstreich zu nehmen. Gelingt das nicht, so wird um Berlin gekämpft werden u. sie werden es nehmen. Dann werden die Russen sofort einen deutschen General als provisorische Regierung einsetzen, u. zwar den General v. Seydlitz, der ja in Moskau Vorsitzender des Komite'es „Freies Deutschland“ ist. Dieser wird sofort mit Rußland, England u. Amerika Waffenstillstand schließen, während Hitler mit seinen Kumpanen u. der SS in Süddeutschland noch weiter kämpfen wird. Die Alliierten werden es dann [2] vielleicht dem General v. Seydlitz allein überlassen, diese Bande zu liquidieren, oder sie werden bloß die notwendigste Hilfe stellen. Für uns in Norddeutschland wäre dann wenigstens der Krieg zuende, um so mehr, da dann die Engländer u. Amerikaner sehr rasch hereinströmen würden.

     Dr. K. erzählte dann noch anschaulich von seiner kürzlichen Italienreise, die ihn nach Venedig geführt hat. Er erzählte ferner furchtbare Dinge von den in Swinemünde angekommenen Flüchtlingsströmen, die er selbst gesehen hat. Die Organisation hat so völlig versagt, daß z.B. ein ganzer Kasernenblock, den die Wehrmacht für die Flüchtlinge geräumt hatte, eine ganze Nacht hindurch leer blieb, während die Flüchtlinge die Nacht in Regen u. Kälte am Hafen zubrachte. Es habe keine Nahrung gegeben, für nichts war gesorgt u. die verzweifelten Menschen machten ihrer Wut Luft durch Reden u. Verwünschungen gegen Hitler u. die Partei. – Er erzählte ferner, daß das ganze Offizierkorps heute gegen Hitler + den Krieg sei u. daß alle Offiziere ungeniert davon sprächen.

     Er hat übrigens das K.V.K.I bekommen.

     Heute haben wir den ganzen Tag noch keinen elektr. Strom gehabt, Grete hat bei Frau König Kartoffeln gekocht u. einen Rest einer Erbsensuppe aufgewärmt, den wir eigentlich gestern Abend essen wollten, aber nicht konnten, weil wir auch da keinen Strom hatten.

     Die Andacht heute war wieder sehr voll, es kommen immer mehr Menschen. Ich sprach über die zu erwartende polit. Entwicklung u. hatte die Freude, daß alle sehr getröstet u. zuversichtlich fortgingen.

     Wie gewöhnlich an Fritz geschrieben.