TBHB 1945-02-28
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel TBHB 1945-02-28 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 28. Februar 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Gestern Nachmittag waren Martha u. ich bei Frau Seeberg. Erich lag schon aufgebahrt in dem großen Zimmer zur ebenen Erde in dem Teil des Zimmers, welches ehemals eine Veranda war u. die durch Entfernung der Wand mit dem Zimmer in Einem verbunden ist, ohne daß doch eine gewisse Absonderung dadurch aufgehoben ist. So machte diese einfache Aufbahrung einen feierlichen Eindruck, obwohl sonst noch kein Schmuck vorhanden war, außer einem großen Kranz aus Kiefern u. Stechpalmen, der auf der Bahre lag. Der Entschlafene war überraschend verändert. Dieses sonst von ungeordneten Leidenschaften u. Gemütserregungen beherrschte Gesicht war ganz zur Ruhe gekommen, ganz ruhig u. friedlich u. versöhnt. Dadurch bekam Erich eine große Aehnlichkeit mit seinem Vater, die ich im Leben niemals an ihm bemerkt habe. – Koch-Gotha war da u. zeichnete den Toten, weshalb wir nicht näher zu ihm heran traten.
Frau S., die uns dann in das daneben liegende Zimmer führte, machte einen ruhigen, gefaßten u. sehr würdigen Eindruck. Auch sie habe ich noch nie so gesehen. Sie ist ja sonst eine etwas laute Frau, die nur wenig Gefühlswärme zeigt; aber nun war sie ruhig sehr gesammelt u. würdig. Sie sprach mit tiefem Verständnis von dem Verstorbenen, der in der letzten Zeit oft den Wunsch geäußert habe, bald zu sterben, u. noch am Abend seines Todestages habe er bei Frau Höffer davon gesprochen. Seebergs sind gegen 11 Uhr abends von dort nachhause gekommen u. um dann noch um 12 Uhr Mitternachts, wie es seine Gewohnheit war, den engl. Sender abzuhören, habe er sich in sein Arbeitszimmer oben gesetzt, um Briefe zu schreiben, während Frau S. unten das Gleiche tat. Kurz vor 12 habe er gerufen. Er sei ihr entgegengekommen u. habe gesagt: „Ich habe einen Gehirnschlag, ich werde sterben!“ Er habe gewankt u. über Schwindel u. Kopfschmerz geklagt, doch ist es Frau S. noch gelungen, ihn ins Bett zu bringen, wo er dann gleich das Bewußtsein verloren habe, ohne noch einmal aufzuwachen. Erika ist zu Prof. Reinmöller gelaufen, der eine Diagnose auf Gehirnblutung gestellt hat. Am Morgen ist Dr. Meyer gekommen, der dieselbe Diagnose stellte. Frau S. hat dann noch mit Prof. Curschmann telephonisch in Rostock gesprochen, dessen Diagnose ebenso lautete.
So ruhig Frau S. auch ist, sieht man ihr doch an, wie sehr sie innerlich von diesem Tode betroffen worden ist. Sie hat vor wenigen Wochen ihren ältesten Sohn Bengt verloren nun ist der Mann dahingegangen u. der letzte Grund für seinen zu frühen Tod, er ist ja nur 57 Jahre alt geworden, ist in unseren polit. Verhältnissen zu suchen, die ihm sein Arbeitsfeld mehr u. mehr eingeengt u. untergraben haben, der zweite Sohn Ando ist wahrscheinlich in Graudenz eingeschlossen u. der Schwiegersohn ist beim letzten Angriff auf Dresden verwundet worden. Alles dies „dankt sie dem Führer!“
[2] Vor=Gestern soll der Tagesangriff auf Bln. wieder sehr schwer gewesen sein: Alexanderplatz, Görlitzer Bhf u. Nord=Kreuz. Im Westen machen die Anglo-Amerikan. gute Fortschritte u. es ist zu hoffen, daß diese Front dort bald zusammenbricht. –