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TBHB 1945-05-01

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-05-01
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Dienstag, 1. Mai 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 1. Mai 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-05-01 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 1. Mai 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über sechs Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Tagebuch
Heft 17
[2]
Tagebuch
Heft 17.

Begonnen: 1. Mai 1945.

Geschlossen: 13. August 1945

[3]
Dienstag, 1. Mai 1945.     

     Dieses neue Heft beginnt mit der Notiz, daß jetzt stündlich der Abschluß des Waffenstillstandes zu erwarten ist. So gab es jedenfalls heute früh der Soldatensender zu. Graf Bernadotte vom schwed. Roten Kreuz ist in der Nacht vom Sonntag zu Montag in Apenrade mit Himmler zusammengetroffen u. hat das erneute Angebot bedingungsloser Kapitulation an alle drei Verbündeten entgegengenommen. Er ist dann sofort nach Stockholm zurückgeflogen u. hat das Angebot weitergeleitet. –

     Ein Mitglied der schwed. Gesandtschaft in Berlin ist bis in die allerletzten Tage hinein in Berlin gewesen u. ist jetzt eben von dort zurück nach Schweden gekommen. Dieser Mann hat erklärt, er habe in Berlin mit den höchsten militär. Stäben engste Fühlung gehabt, doch habe er Hitler niemals zu Gesicht bekommen. Auch habe er keinen einzigen Offizier oder General oder sonst einen Menschen gesprochen, der Hitler gesehen hätte. Es wird somit bezweifelt, daß Hitler überhaupt in Berlin ist. – Es ist ja auch sehr merkwürdig, daß dieses Kapitulations-Angebot von Himmler ausgeht. Dieser muß doch irgend welche Dokumente vorlegen können, die beweisen, daß er zu solchem Schritt bevollmächtigt ist. Wer hat ihm diese Vollmacht gegeben, wenn Hitler nicht mehr da ist? Man sagt, daß Himmler den Hitler selbst umgebracht hätte u. seine Vollmacht sich selbst ausgestellt hätte. Jedenfalls will dieser Kerl, der noch vor wenigen Tagen jeden hängen ließ, der von Kapitulation sprach, sich nun mildernde Umstände verschaffen. Auch hütet er sich, in russische Hände zu fallen, er hält sich in Lübeck auf, das höchst wahrscheinlich von den Engländern besetzt wird.

     In Berlin sind inzwischen die letzten Reste dieser Stadt [4] völlig zerstört worden. Es ist zwar nicht besonders schade darum, denn was da zerstört ist, ist fast ausschließlich preußisch=militärische Tradition u. es ist nur zu begrüßen, wenn von all dem möglichst garnichts der Nachwelt erhalten bleibt, besonders nichts von den Protz=Bauten des Dritten Reiches wie Luftfahrt-Ministerium u. Reichskanzlei. Aber es sind ja auch schrecklich viele Wohnungen zerstört u. die Einwohner, die diese Tage des Kampfes erlebt haben, müssen Entsetzliches durchgemacht haben.

     Für uns war die Kapitulation der letzte Augenblick. Die Russen waren gestern bereits in Greifswald, sie werden heute in Stralsund sein u. morgen in Ribnitz. Es wäre immerhin möglich gewesen, daß es dann auch bei uns zu Kampfhandlungen gekommen wäre, da Kapitänlt. Dr. Krappmann nicht mehr hier ist u. der junge Kapitänlt., welcher aus Swinemünde mit seinen Soldaten im Kurhause liegt, ein etwas dummer Mensch ist, der am Ende Dummheiten gemacht hätte. –

     Eben um 10 Uhr kam Dr. Ziel, um die Dinge zu besprechen u. sich Rat zu holen, wie er sich verhalten solle, da er schon seit 2 Monaten keine Pension mehr bekommen hat. Ich beruhigte ihn u. meinte, daß er gewiß seine Pension wieder bekommen, würde, sobald die Lage geklärt sei. – Ferner wiederholte er, was uns schon vorher erzählt worden war, daß den Soldaten der Batterie gesagt worden sei, sie würden heute Mittag um 12 Uhr entlassen u. jeder solle zusehen, wo er bleibe.

     Während wir sprachen, kam Frau Ziel sehr aufgeregt u. sagte, es sei alles garnicht wahr, ein Soldat habe es gesagt, außerdem seien die Russen schon in Ribnitz, welches in Flammen stünde. Ich glaubte das nicht u. beruhigte die aufgeregte Frau. Zum Glück kam dann auch der treue Mehlis und gab uns richtige u. sachliche Auskunft. Danach ist die Batterie heute Nacht um 3 Uhr alarmiert worden, die Leute mußten angekleidet liegen. Heute sei ihnen nun bekannt gegeben worden, daß alle Geräte zerstört u. die Geschütze unbrauchbar gemacht werden sollten. Die 5. Kompanie, das ist die Kompanie, die im Kurhause liegt, würde tatsachlich um 12 Uhr entlassen, jeder soll sehen, wo er bleibt. Ihnen selbst, der alten Batterie, sei von der Entlassung noch nichts bekannt, was wahrscheinlich daher käme, weil sie eben noch die Zerstörungen vorzunehmen hätten. Dagegen sei die SS, die bisher ihr geheimnisvolles Wesen im Darss getrieben hätte, heute Nacht mit ihren vollgepackten Panzern abgehauen, sie wären an der Batterie vorbeigefahren. Auch die Soldaten in Zingst wären gestern schon entlassen worden. Mehlis selbst war eben im Begriff, den letzten Befehl nach Darsser Ort zu bringen. Er wird bei dieser Gelegenheit feststellen, ob der Darss noch immer gesperrt ist u. ob in Prerow noch Soldaten sind. Auf der Rückfahrt wird er uns Bescheid geben. Da Frau Ziel auch gehört hatte, daß das Batterie-Auto heute morgen nach Barth hätte fahren wollen, aber wieder zurückgekommen sei war es sehr gut, daß Mehlis auch dies dementieren konnte. Das Batterie-Auto fährt im Gegenteil eben jetzt nach Barth.

     Gestern Abend flogen hier uralte Flugzeuge an der Küste entlang Richtung Kiel. Wahrscheinlich wurden diese alten Kästen für irgendwelche Leute zur Flucht benutzt. Heute fahren die merkwürdigsten Fahrzeuge an der Küste entlang Richtung Kiel. Es scheint, daß alles, was schwimmen, kann benutzt wird, um nach dem Westen zu entkommen. Eben fuhr ein Lazarettschiff mit einer Rote-Kreuz-Flagge vorbei.

     Im Dorf stehen die Leute vor den Geschäften Schlange, um einzukaufen, was sie noch kriegen können. –

     Gestern kam ein Feldwebel von der 5. Kompanie, um zu bitten, daß unser Auto, welches bei Monheim steht, in die [5] Garrage von Mc Dornan gebracht werden könne. Wir gaben ihm den Autoschlüssel. Ich fürchte sehr, daß die Leute sich des Autos zur Flucht bemächtigen werden. –

Nachmittags 3 Uhr.

     Die SS fuhr Mittags mit Autos, Kübelwagen u. Lastwagen hier durch. Vier Kübelwagen standen lange vor der BuStu., die Offiziere, die darin saßen, hatten ihre Frauen oder Weiber mit sich. Die Lastwagen vollgepackt mit Mannschaften u. Weibern. Eines der Autos fuhr später wieder zurück, während die anderen Richtung Ribnitz weiterfuhren. Dieser eine Wagen ist eben wieder gekommen u. steht wieder vor der BuStu. Man hat nie geahnt, daß im Darss so viel SS steckt. Auch zu Fuß u. per Rad zogen Soldaten vorbei, manche mit kleinen Wagen, die aus alten Fahrrädern zurecht gemacht waren, denn alle schleppten viel Gepäck. Auch der Treck von Brandt, der nebenan im Hause Dohna gewohnt hatte, ist abgehauen mit zwei großen Lastwagen mit Zugmaschinen davor u. einer Kutsche mit seinen zwei Pferden. – Es war irgendwoher gesagt worden, daß die Kanonen der Batterie um 12 Uhr mittags zerstört werden sollten, ob es geschehen ist, weiß ich nicht.

     Eben aber kommt Agnes Borchers sehr aufgeregt von Bernh. Saatmann herüber u. gleich darauf Frau Daubenspeck noch viel aufgeregter. Sie erzählten, es sei bei Bernh. S. ein Zollbeamter gewesen, der berichtet hat, daß die Russen z. Zt. in Marlow seien u. daß die Batterie den Befehl bekommen habe, sich selbst zu verteidigen. Er habe gesagt: „Das hat euch grade noch gefehlt!“ – Nun, ich habe den beiden gesagt, sie sollten nicht auf jedes Geschwätz hören u. sich nicht überflüssig aufregen. – Herr Soehlke war Mittags auf der Straße u. sagte mir, daß zufällig ein neuer Marine-Oberlt. bei der Batterie sei, der hier dienstlich zu tun gehabt hat u. nicht wieder weggekommen ist. Dieser ist dienstälter als der Oblt. Quast, welcher jetzt die Batterie führt u. er soll ein verständiger Mann sein, der geäußert hat, er garantiere dafür, daß die Batterie keinen Schuß abgeben werde.

     Um 4 Uhr nachm. fahren immer noch hoch bepackte Lastwagen, anscheinend zur Flag in Zingst gehörend, durch den Ort, ebenso immer noch Kübelwagen der SS, auch ein großer, schnittiger u. sehr eleganter Personenwagen mit höheren Offizieren. Flag-Offiziere u. Soldaten gehen bescheiden zu Fuß, die Soldaten allerdings in übler Form, teilweise haben sie sich Zivil besorgt. Viele übel aussehende Weiber sind dabei. Frl. Reg. Treffer war bei Martha. Sie geht mit einer Kollegin zu Fuß nach Warnemünde, denn alle Helferinnen sind entlassen worden. Die Soldaten sind jedoch noch nicht entlassen.

Nachm. 6 Uhr.

     Mehlis war wieder da u. berichtete, daß der junge Kapitänlt. Wegener das Kommando übernommen habe. Er habe die Soldaten antreten lassen u. eine Rede gehalten, daß sie doch deutsche Soldaten seien u. das Vaterland lieben müßten u. was dergl. Phrasen mehr sind, – u. daß sie sich eben verteidigen müßten, wenn die Russen kämen. – Die Soldaten sind einschließlich der Unteroffiziere + Feldwebel außer sich vor Wut u. wollen alles tun, um einen Schießbefehl zu sabotieren. Er verriet mir, daß die Absicht bestünde, die Schlagbolzen ins Meer zu werfen. Man wird nun abwarten müssen u. hoffen müssen, daß dieser Narr irgendwie zur Vernunft kommt, bzw. daß ihn endlich ein Befehl seiner vorgesetzten Dienststelle erreicht, die Waffen niederzulegen. – Mehlis sagte, daß der ganze Darss noch voller Lastwagen stecke, die nach u. nach von Raupenschleppern herausgeholt werden müssen. Die Soldaten der Batterie sind natürlich wütend, denn [6] sie sehen ja die ganze Flag u. die SS an ihrem Lager vorbeimarschieren, während sie selbst da bleiben sollen, um eventuell sogar noch zu schießen.

     Der Bursche von Dr. Krappmann hat Sachen von Dr. K. zur Aufbewahrung gebracht, sowie den Kinderwagen, den wir für Eva leihen wollen.