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TBHB 1945-05-16

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-05-16
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Mittwoch, 16. Mai 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 16. Mai 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-05-16 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 16. Mai 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Mittwoch, 16. Mai 1945.     

[1]      Der arme Paul ist furchtbar deprimiert. Ich holte gestern Abend eine Flasche franz. Cognag herauf u. gab ihm zu trinken, um seine Lebensgeister wieder aufzufrischen.

     In der Nacht waren wieder Plünderungen, wie es jede Nacht der Fall ist. Man ist niemals sicher, daß man nicht selbst drankommt. Es ist wie ein Wunder, daß bei uns noch nie etwas passiert ist.

     Heute ist nun also das Lebensmittel-Auto nach Ribnitz gefahren, vielleicht bringt es etwas. Mit dem Auto sind auch Flüchtlinge abgefahren, wie überhaupt ununterbrochen Flüchtlinge Ahrenshoop verlassen. Wenn wir diese [2] erst einmal los sein werden, wird es um vieles besser werden.

     Eben war Dr. Ziel bei mir. Später kam Paul dazu. Dr. Ziel will nach Wustrow u. will versuchen, den Kommandanten zu sprechen. Er will es unter der Firma eines Märtyrers des 3. Reiches versuchen. Anscheinend verfolgt er die Absicht, nach Chemnitz zurückzukehren u. wieder Landgerichtspräsident zu werden. Falls er zum Kommandanten vordringt, wollte er diesem vorstellen, daß Gräff seinen Bürgermeister-Geschäften nicht gewachsen ist, – was ja auch stimmt, – u. er fragte, ob er mich dann in Vorschlag bringen dürfte. Ich lehnte das aber mit Entschiedenheit ab. Ich werde nie wieder freiwillig mich in politische Geschäfte begeben. Ich schlug ihm aber Paul vor. Paul meinte, daß er die Verhältnisse dazu zu wenig kenne, daß er aber nach wie vor bereit sei, Gräff zu helfen u. später vielleicht die Geschäfte übernehmen werde. – Unter diesen Umständen verzichtete Ziel darauf, diese Sache beim Kommandanten zu berühren. Er will aber versuchen, zu erreichen, daß diese Plünderungen aufhören, die wirklich schwer zu ertragen sind. Man ist nie sicher. – Bei dieser Gelegenheit erzählte Ziel, daß gestern ein Ukrainer bei ihm gewesen sei, d.h. also ein russischer Soldat. Ziels hatten das Haus verschlossen u. wollten den Mann nicht hereinlassen. Da er heftig pochte, ging Ziel hinaus. Der Mann sagte, daß er Auftrag habe, das Haus zu besichtigen u. daß er kein Russe, sondern Ukrainer sei u. daß man vor ihm keine Angst haben brauche. Er hat dann gefragt, wieviele Leute im Hause wohnten u. als er hörte, es seien 8 Personen, hat er das Haus garnicht weiter betreten. Dieser Mann hat zu Ziel gesagt, daß die Russen am 15. Mai alle zurückgezogen würden östlich der Oder. Dieser Termin ist ja auch schon früher häufig genannt worden, aber wir haben alle nicht daran gedacht, daß der russ. Kalender 13 Tage zurück rechnet. Es würde also nach unserem Kalender der 28. Mai sein, also in 12 Tagen. Ich traue mich nicht, daran zu glauben, aber es wäre sehr schön. Martha hat von irgend jemand, der Radio hören kann, gehört, daß Churchill eine Rede gehalten hat, in der er mit größter Energie die sofortige Auslieferung jener Polen=Kommission verlangt hat, die z. Zt. von London nach Warschau oder Lublin gesandt worden sei u. nachher nach Moskau verschleppt worden ist. Es scheint, daß die Spannung zwischen England = Amerika u. Rußland erheblich zugenommen hat, aber daß England entschlossen ist, nicht nachzugeben. Churchill soll gesagt haben, daß die Westmächte unter keinen Umständen einen neuen totalitären Staat in Europa dulden würden. Das hat er ja früher auch schon erklärt. In der Tat würden ja England u. Amerika sonst um die Früchte ihres Sieges geprellt werden. Und daß Amerika u. England sehr viel stärker sind als Rußland, kann niemand bezweifeln, der diese russischen Soldaten gesehen hat. Sie sind nichts als eine disziplinlose Horde. Allerdings wäre der Ausbruch eines offenen Konfliktes für uns ein furchtbares Unglück.

     Heute Morgen ist unsere Trude wiedergekommen. Die Eltern Dade haben zwar Einquartierung bekommen, aber keine Soldaten. Es ist eine Russin, die bei ihnen untergebracht worden ist. Seitdem ist bei ihnen aber ein großes Gelaufe von Soldaten u. Trude ist deshalb wohl dort nicht mehr sicher. Sie wird nun wohl auch Nachts bei uns schlafen.

[3]      4 Uhr Nachm. Die Russen waren in der Nacht in mehreren Häusern. Mittags 1 Uhr waren zwei Kerle bei Frau König. Sie haben den Keller nach Wein durchsucht u. dabei alle Flaschen mit Hollunderbeer-Saft auf den Boden gegossen. So geht es immerzu.

     Ilse Schuster, die ein Akku-Radio hat, erzählte mir von der ernsten Spannung zwischen England-Amerika u. Rußland, aber auch, daß die Engländer garnicht daran denken, eine deutsche Regierung einzusetzen. Sie sprechen nur von der alliierten Militär-Regierung. Sie sollen gesagt haben, daß sie mit einem Volke, welches die Greuel der Konzentrationslager geduldet habe, keine freundschaftlichen Beziehungen haben wollten. Welch ein Unsinn! denn diejenigen, welche Insassen dieser Konzentrations-Lager waren, waren doch ebenfalls deutsche Volksgenossen u. sie haben doch eben bewiesen, daß wir solche Greuel nicht dulden wollten, wohl aber erdulden mußten. Aber man erkennt daraus, daß die Leiden unseres Volkes noch lange nicht aufhören werden.