Zum Inhalt springen

TBHB 1945-05-30

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: TBHB 1945-05-30
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1945
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel: Mittwoch, 30. Mai 1945
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 30. Mai 1945
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


Einführung

Der Artikel TBHB 1945-05-30 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 30. Mai 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Mittwoch, 30. Mai 1945     

[1]      Der Arbeitstag war vorgestern sehr anstrengend, wir arbeiteten bis 8 Uhr abends. Gestern war vormittags noch einmal großer Andrang, doch ebbte es am Nachmittag rasch ab, sodaß wir um 6 Uhr Schluß machen konnten. Bis dahin waren etwa 750 Menschen registriert u. mit Lebensmittelkarten versehen. Schrecklich ist dabei nur, daß alle diese Menschen pro Woche nur 500 gr. Brot bekommen u. sehr wenig Fleisch u. Fett, von anderen Lebensmitteln ist überhaupt nicht die Rede. Vor allem ist es erschütternd, die vielen Kranken u. Schwachen zu sehen, die größtenteils schon seit langem durch die Kriegsereignisse schwer erkrankt sind, u. die alten Leute die alle nicht mehr satt werden können u. dringend einer zusätzlichen Ernährung bedürfen. Dabei haben wir jetzt acht Fischer im Dorfe, doch nehmen die Russen stets die ganzen Fänge weg u. es bleibt nichts für uns übrig.

     Widerlich ist auch das Drängeln nach der Futterkrippe. Der Lehrer Deutschmann ist zwar aus der Haft entlassen u. wieder zuhause; aber gestern kam Herr Zelk, ein Schulrektor aus Hamburg, der dort sozialdemokrat. Bürgerschafts-Mitglied gewesen u. seit 1933 entlassen worden war u. der schon seit einigen Jahren bei uns Zuflucht vor dem Bombenkrieg gesucht + gefunden hatte, zu mir ins Amt u. eröffnete mir, daß er zum Schulrat für das Fischland ernannt worden sei, – natürlich durch die Gnade des Herrn Dr. Hoffmann. Einen solchen Posten hat es früher nie gegeben. Er sagte mir, daß Herrn Deutschmann die Lehrerlaubnis entzogen worden sei u. daß an seine Stelle zwei Lehrerinnen treten würden. Von der einen habe ich bisher überhaupt noch nicht ermitteln können, woher sie kommt u. welche Berechtigung sie zum Lehren hat, die andere entpuppte sich bei näherem Zusehen als die Frau des ehem. Kapitänleutnants Wegener, der immer Nazi war u. durch seinen albernen Schießbefehl beim Anmarsch der Russen fast die Existenz des ganzen Fischlandes aufs Spiel gesetzt hätte. Nachdem die Russen einmarschiert waren, hat dieser Mann sich mit seiner Frau, mit dem Oberlt. Meyer u. dessen Frau u. mit der Frau des Nazi=Rechtsanwalts Denzin im Hause der Frau Smith verborgen gehalten. Diese alle sind dann getürmt, nur Wegener u. seine Frau blieben zurück. W. wurde von den Russen verhaftet u. auf Fürsprache von Dr. Hoffmann wieder entlassen u. für die Elektrizitäts-Versorgung des Fischlandes bereitgestellt.

     Dieses Amt hat früher für alle Dörfer der Elektromeister Maaß in Wustrow mit einem Lehrjungen versehen. Jetzt sind für Ahrenshoop allein Herr Liebers u. Herr Stramm, beides Fachleute u. ehem. Soldaten, eingesetzt. Gestern Abend berichtete mir Herr Liebers, daß auf Hoffmanns Anordnung nun auch noch der ehem. Obermaat. Knoop u. der ehem. Stabsfeldw. Voigt dafür angestellt sind. Das sind mit Herrn Wegener 5 Personen, – u. dabei gibt es keinen Strom. Wegener, Knoop u. Voigt sind ehem. Nazis.

     Gestern brannte die Scheune des Bauern Ahrens in Althagen ab mit dem letzten Getreide, welches der Gemeinde Wustrow gehörte. Man sagt, es sei Brandstiftung von Polen.

     Heute morgen fuhr wieder unser Flüchtlings-Auto mit 25 Personen ab. Kurz ehe es abfuhr, kam Herr Gläser mit der Bestellung von Dr. Hoffmann, es müßten noch 17 Plätze für Wustrow reserviert werden. Das war technisch nicht mehr möglich u. ich ließ den voll besetzten Wagen abfahren. Um 10 Uhr wurde mir bestellt, der Wagen stände immer noch am Dorfausgang am Schlagbaum, die Russen ließen ihn nicht durch. Ich ging gleich hin u. erwirkte durch einen russ. Offizier, der grade vorbei kam, daß der Schlagbaum hochgezogen würde. Ich fuhr dann gleich mit bis zu Dr. H., um Beschwerde anzubringen. Dort fand ich auch Herrn Gläser. Herr Dr. H. mußte bald fort, er wird von nun an in Wustrow residieren, sodaß ich meine vielen anderen Beschwerdepunkte nicht anbringen konnte. Dr. H. versprach, heute oder morgen nach Ahr. zu kommen. [2] Draußen traf ich dann Herrn Schulrat Zelk, dem ich ausführlich über die Schulangelegenheit meine Meinung sagte. Er zeigte sich sehr einsichtig.

     Nachmittags Konferenz mit Ortsbauernführer Paetow betr. Milch- u. Butter-Versorgung, die ein viel besseres Bild gab, als ich erwartet hatte. Wir werden morgen die Sache so organisieren, daß alle Kleinstkinder ihren 1/2 Ltr. Milch täglich bekommen u. alle Kinder vom 3. – 6. Lebensjahr wenigstens 1/4 Ltr. Milch. auch Butter wird es wenigstens etwas geben u. ich hoffe, auch Eier zu bekommen für Kranke u. alte Leute.