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TBHB 1945-06-02

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-06-02
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Sonnabend, 2. Juni 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 2. Juni 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-06-02 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 2. Juni 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Sonnabend, 2. Juni 1945.     

[1]      Gestern räumten die Russen Ahrenshoop. Alles, was sie in den letzten Tagen herangeschleppt hatten, um hier ein Erholungsheim einzurichten, wurde auf Lastwagen gepackt u. wieder fortgebracht. Zurück blieb nur ein unvorstellbarer Haufen Dreck. – Heute morgen erzählt Trude, daß auch die Batterie ganz leer sei, in ganz Althagen sei kein Russe mehr.

     Gestern um die Mittagszeit erschien eine Limousine vor dem Gemeindeamt, der ein Hauptmann, eine junge Frau u. zwei bewaffnete Soldaten entstiegen. Der Hauptmann u. die Frau kamen in mein Amtszimmer u. wünschten mich allein zu sprechen. Paul verließ deshalb das Zimmer. Der Hauptmann sprach nur russisch, die Frau konnte mäßig deutsch. Der Hauptmann stellte nun allerhand Fragen u. es schien mir so, als ob er mißtrauisch wäre, worauf ich ihm erklärte, daß ich sehr gern sofort mein Amt niederlegen wolle, wenn den russ. Behörden meine Person nicht genehm wäre, – vorläufig jedoch sei ich auf Anordnung eben dieser russ. Militärbehörde hier eingesetzt. Ich zeigte ihm die entsprechenden Urkunden, worauf er bedeutend höflicher wurde. Er stellte ganz alberne Fragen, so z.B. ob ich eine Schule besucht hätte. Ebenso fragte er nach Paul. Schließlich ersuchte er mich, meinen Lebenslauf zu schreiben, Paul solle dasselbe tun, er würde in einer Stunde wiederkommen.

     Als ich dann, nachdem ich meinen Lebenslauf geschrieben hatte u. Paul nachhause gegangen war, auf ihn wartete, erschien Frau Paetow sehr aufgeregt u. sagte, ihr Sohn Fritz sei verhaftet, es stünden zwei Soldaten vor seiner Tür u. sie könne nicht zu ihm, die Russen seien gekommen u. hätten behauptet, Fritz Paetow sei SS=Offizier. Ich beruhigte die Frau u. versprach ihr, mein Möglichstes zu tun.

     Schließlich kamen die Russen wieder, Fritz P. mit ihnen. Der Hauptmann + die Frau gingen noch zum Strande u. Fritz P. kam zu mir herein u. versicherte mir, [2] daß er nie bei der SS gewesen u. nicht einmal Partei=Mitglied gewesen sei. Ich ließ ihn gehen u. dann kam der Hauptmann mit der jungen Frau zurück. Die Frau nahm unsere Lebensläufe in Empfang u. war sehr unzufrieden, daß diese Schriftstücke so kurz seien. Sie meinte, so etwas könne auch ein kleines Kind schreiben, man müßte doch viel mehr Worte machen. Ich versuchte, ihr klar zu machen, daß diese Art, den Lebenslauf zu schreiben, in Deutschland amtliche Vorschrift wäre, daß ich aber auch gern bereit sei, einen neuen Lebenslauf zu schreiben, der dann 14 – 15 Seiten lang sein würde. Es gelang mir aber nicht, ihren Unwillen zu besänftigen. – Ich fing dann an, von Fritz P. zu sprechen u. gab mein Ehrenwort, daß er nie bei der SS gewesen sei. Damit hatte ich nun offenbar den eigentlichen Grund des Zornes der jungen Frau entdeckt. Sie erklärte mir sehr erregt, daß man sie im Haute Paetow unhöflich behandelt hätte u. den Eintritt ins Haus verwehrt hätte, sie aber hätte das Recht, zu jeder Tages= u. Nachtzeit deutsche Häuser zu betreten. – Ich hatte nun vorher, als die Russen fort gewesen waren, den Schofför des Autos ausgefragt u. hatte von ihm erfahren, daß sie aus Zingst kämen u. daß es GPU=Beamte seien. Ich versuchte nun, der Frau klar zu machen, daß die Paetows das nicht gewußt hätten. Der Kommandant in Wustrow hätte allen seinen Soldaten streng verboten, deutsche Häuser zu betreten, u. deshalb hätten Paetows ein Recht gehabt, ihnen den Eintritt zu verweigern. Außerdem hätten die Leute Angst vor den Russen, denn sie vergewaltigten unsere Frauen u. plündern die Häuser. Die junge Frau meinte sehr erregt, daß die deutschen Soldaten es in Rußland noch viel schlimmer getrieben hätten. Ich antwortete, daß ich das wohl wüßte u. es sehr bedauerte, aber grade deshalb haben die Deutschen nun um so mehr Angst vor den Russen. – Nun, sie ließ sich schließlich durch all meine freundlichen Worte etwas besänftigen, doch konnte ich nicht erreichen, daß der Befehl zurückgenommen wurde, daß Fritz P. sich am gleichen Nachmittag um 6 Uhr in Zingst zu melden habe. Ich versuchte, ihr klar zu machen, daß das einfach unmöglich wäre. Sie bestand darauf, andernfalls würde man Fritz P. abholen u. dann würde es noch schlimmer werden.

     Der ganze Zorn war also nichts weiter als ein kleinbürgerlicher Minderwertigkeits-Komplex, der verletzt worden war. Man hatte diese Leute nicht mit der nötigen Hochachtung behandelt, oder sie glaubten es wenigstens. Es ist immer wieder dasselbe: diese Bolschewisten wollen gern Bürger sein, ohne daß sie wissen, wie sie das machen sollen. Sie wittern überall, daß wir sie nicht für voll nehmen u. darüber sind sie beleidigt. Schließlich gelang es mir aber doch wohl, diese junge Frau zu besänftigen. Sie u. der Hauptmann gaben sich mit unseren Lebensläufen zufrieden, packten sie ein u. bestiegen wieder ihr Auto, wobei mir die junge Frau zwei mal noch sehr freundlich zunickte. – Sie war eine kleinbürgerlich aussehende Person, trug an der rechten Hand einen goldenen Ehering u. an der linken einen Brillanten, der wahrscheinlich geklaut war. Der GPU-Hauptmann trug sogar ein weißes Oberhemd. [3] Eben wird mir gesagt, in der Batterie seien schon wieder 150 neue Russen eingetroffen.