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TBHB 1945-06-05

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-06-05
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Dienstag, 5. Juni 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 5. Juni 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-06-05 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 5. Juni 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Dienstag, 5. Juni 1945.     

[1]      Der gestrige Tag war wieder einmal randvoll Aerger u. Verdruß. Der Bürgermeister von Prerow schickte mir einen Radfahrer, einen alten Mann, der mir einen Brief übergeben sollte, lt. dem ich mich umgehend in Barth beim Landrat zu melden hätte. Es ist einfach grotesk, welch Unsinn dieser Landrat sich da ausdenkt. Selbst wenn die Verfügung, daß wir jetzt zu Mecklenburg gehören u. dem Landratsamt Rostock [2] gehören, von sehr zweifelhafter Rechtskraft ist, da sie nur einseitig von Rostock aus ergangen ist, so muß dieser Herr in Barth doch wissen, daß es einfach unmöglich ist, von hier nach Barth zu kommen. Ich habe ihm seinen Wisch urschriftlich zurückgegeben. Dazu mußte der alte Mann per Rad von Prerow hierher fahren u. wieder zurück.

     Dieser Mann erzählte von den Zuständen in Prerow, die offenbar noch schlimmer sind, als bei uns. Die Russen haben sich dort in den Dünen regelrecht eingegraben u. haben auch Artillerie herangezogen. Sie behaupten, die Küste gegen die Amerikaner verteidigen zu müssen. Die Wiesen sind ebenso wie bei uns von den Pferden abgeweidet, in dieser Woche gibt es überhaupt kein Brot, während wir doch wenigstens 500 gr. ausgeben. Prerow liegt voll Russen.

     Dr. Ziel war in Wustrow u. berichtet, daß tatsächlich Dr. Hoffmann nicht mehr Bezirksbürgermeister ist sondern der Bürgermeister Halier von Wustrow ist es. Dr. H. bemüht sich lediglich um die Verpflegung u. und den Abtransport der Flüchtlinge. Als erste Maßnahme ist dem Förster Damm aufgegeben worden, sein Lastauto von nun an in Wustrow zu stationieren, wogegen wir uns selbstverständlich zur Wehr setzen, da es Unsinn ist. Der Lastwagen gehört natürlich an den Endpunkt der Strecke u. nicht mitten hinein.

     Unsere Milch= u. Butter-Regelung, die wir nun endlich mit großer Mühe so weit haben, daß sie anlaufen könnte, wird völlig wieder in Frage gestellt, da die Russen gestern wieder auf Paetows Hof waren u. die Milch ausgetrunken haben. Dasselbe taten sie schon vorgestern. Außerdem stahlen sie ihm sechs Legehennen, deren Köpfe Paetow im Stall fand. Der arme alte Mann ist am Rande der Verzweiflung.

     Abends kurz vor 8 Uhr erschienen noch zwei Russen mit einer Dolmetscherin. Sie kamen per Auto von Barth. Sie wollten meinen Namen wissen, wieviel Handwerks-Betriebe im Dorfe seien, wieviel Fabriken, wieviel Acker bestellt sei, wieviel Wiesen, wieviel Pferde, Kühe, Schafe, Hühner u. Schweine u. dergl. mehr. Die Dolmetscherin, offenbar eine Deutsche, schien das Verhältnis des einen Russen zu sein, der ein junger, hübscher Flegel war, offenbar ein Nachkomme des untergegangenen russ. Adels oder Bürgertums. Der andere Russe war ein Knoten wie sie alle sind. Die Dolmetscherin versicherte mir, daß sie gekommen seien, uns zu helfen, worauf ich ihr sagte, es wäre besser, wenn die Russen uns in Frieden ließen, dann würden wir uns schon selber helfen. Ich holte die Dolmetscherin aus u. hörte, daß nun alles wieder einmal neu geregelt werden solle. Es handele sich jetzt um Besatzungstruppen u. sie kämen nun zur Abwechslung von Barth her u. nicht von Ribnitz. Daß wir hier schon von Ribnitz her besetzt sind, wußten diese Leute garnicht. Der Knoten machte sich ein paar schluderige Bleistiftnotizen auf einem Papierwisch. Er verlangte, daß ich den Bauern Paetow holen ließe, damit dieser Auskunft geben sollte über landwirtschaftl. Belange, aber dann warteten sie dessen Ankunft nicht ab, stiegen in ihr Auto, nachdem sie meine jungen Fliederbüsche geplündert hatten, um ihrer Dolmetscher=Nutte Blumen zu schenken u. fuhren los. Sie behaupteten, heute noch einmal wiederkommen zu wollen. Als Paetow kam, waren sie schon weg.