TBHB 1945-06-18
Einführung
Der Artikel TBHB 1945-06-18 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 18. Juni 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[1] Gestern beauftragte ich Krull, die angeschwemmte Leiche fortschaffen zu lassen. Nachmittags bekam ich Unruhe, ob die Sache gemacht worden sei u. ich ging zum Strande, wo die Leiche auch tatsächlich noch lag. Ein schauerlicher Anblick. Die Leiche war ganz nackt, nur am linken Fuß war eine graue Wollsocke, die B. K. gezeichnet war, um den Hals eine Erkennungsmarke Nr. 1910, die auf der Rückseite eine Zeichnung trug, einem Segelschiff ähnlich. Die Leiche war bereits sehr aufgedunsen, ein Mann von etwa 40 Jahren. Ich ging darauf zu Meier, damit er für die Fortschaffung sorge, was er auch bereitwillig tat. Dann kam sehr aufgeregt Krull. Er war erst um 4 Uhr nachhause gekommen u. niemand hatte mich benachrichtigt, daß er nicht zuhause gewesen war. Die Sache ging [2] nun rasch vorwärts u. zwei Stunden später war die Leiche auf dem Friedhof bestattet.
Abends kam Jolly Hartung, geb. König. Sie war von Warnemünde zu Fuß hergekommen, um die Mutter zu sehen. Sie erzählte von ihren recht dramatischen Schicksalen u. von den Zuständen in Warnemünde, die wesentlich besser sind, als bei uns, sowohl in Bezug auf Ernährung, wie auch sonst. Die dortige russ. Besatzung scheint in kultureller Beziehung auf einer höheren Stufe zu stehen, als unsere Kosacken, vor allem hat der Kommandant den Ehrgeiz, ein gebildeter Mann zu sein. In den ersten Tagen des Mai, am 2. Mai, war Jolly in Diedrichshagen zufällig in das Haus des Geflügelzüchters v. Harder geraten u. war dort Zeuge des tragischen Todes dieses Mannes geworden. Er hatte viele polnische Arbeiter u. russ. Kriegsgefangene gehabt, die er schlecht behandelt hatte. Diese hatten ihn den eindringenden Russen angegeben u. er war kurzer Hand von den Russen erschossen worden. – Jolly hatte sich der Vergewaltigung durch einen Sprung aus dem Fenster entzogen, hatte sich dabei den Unterarm gebrochen, war zu Fuß nach Warnemünde u. von dort nach Rostock gegangen in die Klinik. –
Heute früh wurde ich von Paul mit der Nachricht geweckt, daß die Russen bis 8 Uhr 40 Matratzen verlangten. Herr Dr. Hahn u. Paul haben das Notwendige veranlaßt, ich selbst habe mich bisher nicht darum gekümmert. Weiß der Himmel, wozu die Leute die vielen Matratzen gebrauchen, nachdem sie schon so viele bekommen haben u. am Sonnabend noch das ganze Haus am Meer ausgeräumt haben. Offenbar kommen noch viele neue Kosacken hierher. Das Ostseebad Ribnitz ist nun gestern doch von Zivilpersonen geräumt worden u. mit Kosacken belegt worden, vielleicht gehen die Matratzen dorthin.
Das Lastwagen-Kommando aus Barth, welches gestern vormittag hier war, hat zwei Autos, die ohne Räder bei Helms standen, aufgeladen u. ist damit abgefahren nach Barth.