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TBHB 1945-08

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-08
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: August 1945
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom August 1945
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Einführung

[Bearbeiten]

Der Artikel TBHB 1945-08 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom August 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 18 Seiten.

Tagebuchauszüge

[Bearbeiten]
[1]
Mittwoch, 1. August 1945.     

[1]      Nachts um 12 Uhr wurde ich durch Klopfen geweckt. Unten stand der Kommandant aus Althagen mit seinem Unteroffizier. Er erzählte eine große Geschichte, aus der ich entnahm, daß ein General zu Besuch gekommen sei u. daß er diesem Schnaps oder Brennspiritus geben müsse. – Diese Geschichte mit den Generälen kenne ich nachgrade, sie treten stets auf, wenn es sich darum handelt, ungesetzliche Dinge zu decken. Der Kommandant forderte mich auf, mich anzuziehen u. auf die Suche nach Schnaps oder Brennspiritus zu gehen, wobei er auf den General schimpfte, für den er jetzt rumlaufen müsse, anstatt schlafen zu können. – Ich zog mich also an. Die Pferde der beiden, – des Kommandanten u. seines Unteroffiziers, – standen an der Gartentür. Ich verlangte, daß der Dolmetscher Daschewsky geholt würde. Als er kam, – er mußte natürlich ebenfalls aus dem Bett geholt werden, – gingen wir erst zu Liebers rüber. Ich klopfte, der Kommand. wurde ärgerlich, weil ich zu leise klopfte, er ließ mich sein Pferd halten u. donnerte gegen die Tür, bis Liebers kam. Er versicherte, nichts zu haben u. wir zogen weiter zu Saatmann. Dasselbe Spiel. Dann ging es zu Graeff, aber in diesem Hause rührte sich nichts, obgleich wir viel Lärm machten. Der Kommand. wurde immer wütender. Es ging zu Budde, wo es nicht lange dauerte, daß eine Fensterscheibe kaputt ging. Der Kommand. u. der Unteroffizier wollten den ganzen Fensterrahmen herausbrechen u. hätten es getan, wenn ich nicht dazwischen getreten wäre. Ich zerschlug die Scheibe ganz, riegelte das Fenster von innen auf u. wir stiegen ein. In der Küche fand ich eine Kerze. Endlich erschienen Budde u. seine Frau [2] im Nachthemde ein sehr komischer Anblick. Der Kommand. schrie Budde in langer Rede an, zwischendurch schrie er auch mich an, indem er behauptete, ich hätte ihn nicht genug unterstützt. Dann bedauerte er sich, daß er für den General Schnaps suchen müßte, aber dann bestritt er wieder, daß es sich überhaupt um Schnaps handelte, er wäre in Ausübung seines Dienstes hier u. suche Spione u. Budde hätte solche beherbergt, sie seien aber inzwischen entwichen usw. usw. Kurzum, es war ein Höllenspektakel. – Inzwischen hatte sich Daschewsky entfernt, er kam nun zurück u. der Herr Kommand. wurde plötzlich freundlicher. D. hatte nämlich wunderbarerweise etwas Brennspiritus aufgetrieben u. ihm gegeben. Der Kommand. drohte zwar noch, daß er noch weitere Häuser aufsuchen wolle, aber dann lockte ihn der neue Spiritus doch zu sehr. Er verließ das Haus, schwang sich auf's Pferd u. ritt mit seinem Unteroffizier ab. – Bei der ganzen Sache kam auch der heimliche Haß des Proletariers gegen die Menschen mit Bildung zum Vorschein. Er nannte mich einen Professor, der nichts versteht u. nicht arbeitet, um mir dann wieder seine Hochachtung auszudrücken. Die ganze Geschichte war höchst widerlich u. verächtlich. Um 2 Uhr war ich endlich wieder zuhause.

     Der Leutnant, der gestern hier Teller + Tassen requirierte u. mich heute mit nach Barth nehmen wollte u. der wahrscheinlich der „General“ war, mit dem der Kommand. die Nacht durchgesoffen hat, ließ mir heute sagen, daß er erst morgen fahren würde, weil das Auto in Rostock kaputt läge. Es scheint also so, als ob es sich dabei um unseren eigenen LKW. handelte, der in der Tat gestern nicht zurückgekommen ist u. von dem es heißt, daß er in Rostock läge.

     Heute vormittag erschien wieder GPU. bei mir: ein Hauptmann u. ein gewöhnlicher Soldat, recht intelligent aussehend. Der Hauptmann ein sehr unsympatischer rothaariger Sommersprossen=Typ ohne Augenwimpern. Sie fragten mich wie gewöhnlich aus u. wollten dann ein Zimmer zum Arbeiten u. Verhören haben. Ich brachte die Leute mit ihrem Pferdewagen, mit dem sie gekommen, zu Lukas=Saatmann. Sie ließen sich zuerst Emil Gräff rufen.

Donnerstag, 2 August 1945.     

     Heute morgen schickte der Kommandant Althagen seinen Unteroffizier u. ließ mir sagen, das Auto führe nach Barth, ich solle mitfahren. Ich wußte es schon u. stand am Auto. In Wustrow vor der Kommandantur ließ mir der neuerdings dort befindliche Hauptmann der GPU. durch den Dolmetscher sagen, ich solle nach Ahrenshoop gehen u. mich um den Ernteeinsatz bekümmern. –

Den so erzwungenen Aufenthalt in Wustrow benutzte ich, um Herrn Brüssow zu besuchen, um ihn für unsere Butterversorgung zu interessieren. Ich war zum gleichen Zweck vorher schon in der Molkerei gewesen, wo man mir beste Hoffnungen gemacht hatte, es sei genug Butter vorhanden. Herr Brüssow sagte mir zu, sich dafür zu interessieren. Anschließend ging ich zu dem neu zu gründenden Krankenhaus in der Strandstraße. Ich traf dort den Apotheker Jesse aus Rostock, der die Apotheke einrichtet mit Medikamenten, die er aus seiner ausgebombten Apotheke in Rostock gerettet hat. Er zeigte mir das Haus, das sich vorzüglich eignet, ebenso das dazugehörige prächtige Gartenland. Später kam Herr Dr. Lasch dazu, den kennen zu lernen ein wirkliches Vergnügen war. Es ist ein Genuß, in dieser Zeit des [3] entfesselten Proletentums einmal mit einem gebildeten Mann sprechen zu können, wenngleich unser Gespräch sich auch nur um sachliche u. trockene Dinge drehte. Ich erkundigte mich nach den Voraussetzungen des neuen Krankenhauses u. nach seinen Wünschen, die sich hauptsächlich um die innere Einrichtung drehten u. ich versprach ihm, zu helfen so weit ich könnte.

     Um 2 Uhr war ich endlich wieder zuhause.

Freitag, 3. Aug. 1945.     

     Gestern Abend erschien der Althäger Kommandant mit dem Feldwebel aus dem Hause Monheim. Sie brachten Daschewsky mit. Er sagte mir, daß künftig das Betreten des Strandes verboten sei. Er würde heute Mittag wiederkommen u. mir die Linie angeben, über die hinaus das Meeresufer nicht betreten werden dürfe. Er sagte mir, daß auch einige Häuser innerhalb dieser Linie liegen würden, diese Häuser müßten dann geräumt werden. Ferner soll nach wie vor Verdunkelt werden, besonders die Fenster nach dem Meere. Schließlich verlangte er bis heute Mittag eine Liste in russ. Sprache über alle diejenigen, welche nicht einheimisch hier sind, also auch über die Verwandten von Einheimischen, die hier bei Einheimischen wohnen, wobei er aber doch wieder Einschränkungen machte, wenn es sich um ganz nahe Verwandte handelt.

Ich habe Frau Seeberg und Herrn Gläser im Amte sitzen, die die Übersetzung der Listen fertigen, welche wir gestern abend noch mit Frau Schuster aufstellten. Ferner schärfte der Kommandant nochmals ein, daß Fremde sofort bei ihm zu melden seien. – Ich weiß nicht, was das Ganze soll, es ist höchst unheimlich.

     Um 1/2 1 Uhr Nachts hörten wir im Radio das Kommuniqué, das von der Potsdamer Konferenz herausgegeben worden ist, die vorgestern ihr Ende gefunden hat. Es ist bemerkenswert, wie geheim man alles behandelt hat u. mit welcher Schnelligkeit die Partner das Feld geräumt haben. Der amerikan. Präsident war nur wenige Stunden in England u. ist gleich weitergefahren.

     Das Kommuniqué selbst ist sehr allgemein gehalten. Es ist ein ständiger Rat der fünf Außenminister von England, Amerika, Rußland, Frankreich u. China gebildet, der in London tagt u. den Frieden mit Italien, Bulgarien, Rumänien u. Finnland vorbereiten soll. Der Friede mit Deutschland liegt noch in weiter Ferne, ebenso die Bildung einer deutschen Regierung. Königsberg wird Russisch, Polen reicht bis zur Oder u. Netze bis zur Tschecho-Slowakei. Polen, Ungarn u. die Tschecho-Slowakei werden die Deutschen ausweisen. Rußland wird zur Wiedergutmachung auch weiterhin Industrie=Einrichtungen nach Rußland schleppen, sodaß Ost=Deutschland tatsächlich ein Kartoffelacker werden wird.

     Für Ahrenshoop ergibt sich, daß es mit dem Fremdenverkehr endgültig aus sein wird. Andererseits kann das Dorf kein Bauerndorf werden, es sei denn, es würde etwa auf 1/4 seines Bestandes zurückgebracht. Hotels, Pensionen u. Sommerhäuser [4] sind dann natürlich überflüssig, ebenso die Bunte Stube. Man könnte sie vielleicht abreißen u. das Gelände mit dem jetzigen Vordergarten mit Obstbäumen u. Obststräuchern besetzen u. im Hintergarten einen Geflügelhof anlegen.

Montag, 6. August 1945.     

     Der althäger Kommandant ist bisher nicht wiedergekommen. Die Russen sind eben auch in solchen Dingen unzuverlässig. Inzwischen geht aber der Abtransport der Flüchtlinge, den ich in der letzten Woche eingeleitet habe, weiter. Morgen um 8 Uhr geht der Dampfer von Althagen ab, der dann den größten Teil der Flüchtlinge, die noch hier sind, fortbringen wird. Von da ab wird Ahrenshoop dann ziemlich leer sein, u. es wird eine fühlbare Erleichterung der Ernährungslage geben.

     Soeben berichtet mir der Polizist Jakowski, daß der althäger Kommandant heute Nacht um 19 Uhr die beiden Polizisten losgeschickt hat, Spiritus zu besorgen. Sie sollten in einer Stunde Spiritus herbeischaffen. Sie haben das natürlich nicht gekonnt. Aus Wut darüber fordert er für heute früh 8 Uhr sechs Männer und acht Frauen zur Arbeit an, was natürlich wieder nicht geht. Herr Dr. Hahn ist heute früh in meinem Auftrage nach Barth gefahren, um Verbindung mit dem Landrat aufzunehmen, so daß der junge Herr Meinhard sich mit diesem Arbeitseinsatz abplagen muß, ohne es natürlich zu schaffen.

     Diese brutalen Willkürakte stehen im krassen Gegensatz zu dem, was der engl. Sender zur Lage sagt. Wenn man das hört, dann meint man, es müsse jetzt alles viel besser werden. In Wahrheit benehmen sich die Russen immer brutaler. Eben kommt der Sergeant von Monheim u. will auch vier Arbeiter. Er tut immer sehr freundlich. Ich kann ihm keine Arbeiter stellen. – Paul sagt mir eben, daß der althäger Kommandant in der Nacht in die „Gute Laune“ eingedrungen sein soll, um nach Schnaps zu suchen, er soll dort alles durcheinandergewühlt haben. Er war natürlich wieder total betrunken. Es ist ein Glück, daß er mich wenigstens bei dieser Sache aus dem Spiel gelassen hat. Entweder habe ich mich das letzte Mal zu dumm benommen, oder er geniert sich vor mir.

     Am Sonnabend Nachmittag war ich mit Paul u. dem alten Meyer auf dem Paetow'schen Acker und habe Getreidehocken aufgestellt. Es war sehr heiß. Paul machte zuerst schlapp, nach einer Stunde ich, als nämlich Fischer Meyer zur Hilfe kam u. dadurch unsere Arbeit Tempo bekam. Der alte Meyer dagegen hielt bis zum Schluss durch.

     Nach dem englischen Sender sollen nun bald Gemeindewahlen stattfinden, um damit die unterste Grundlage eines Wiederaufbaues zu schaffen. Man sagt, daß in dieser Woche Ribnitz wieder elektrischen Strom [5] bekommen soll; möglicherweise werden auch wir dann wieder Strom haben.

Dienstag, 7. Aug. 1945.     

     Heute früh sind 132 Flüchtlinge abgefahren. Ich hoffe, daß damit eine fühlbare Erleichterung der Ernährungslage für den Ort eintreten wird. Die Leute, die abgefahren sind mit dem Dampfer ab Althagen, gehen einem schweren Schicksal entgegen, möge ein gütiger Gott sie schützen. Ich konnte es nicht mehr u. viele von ihnen messen mir die Schuld an ihrem Schicksal zu. Es ist sehr hart, das tragen zu müssen.

     Herr Dr. Hahn erstattete Bericht über seine Reise nach Barth, die äußerst schwierig war. Ueber die Zingster Brücke ist er nur gekommen mit falschen Pässen, die ihm der russ. Wachtposten gegeben hat, da Dr. H. sein Schreiben des hiesigen Kommandanten aus dem Mohnheim'schen Hause an ihn vorwies. Es war nicht ungefährlich, aber die Reise hat sich gelohnt. Leplow, der mitgefahren war, hat seine Handelserlaubnis für Damgarten bekommen. Dr. H. hat mit dem stellvertr. Landrat verhandelt, der unmittelbar im Begriff stand, nach Schwerin zur Regierung zu fahren u. der sich alle Klagen genau notiert hat. Ebenso hat Dr. H. mit dem Forstmeister wegen Holzlieferung günstig verhandelt.

     Leider brachte Dr. H. aber auch die traurige Nachricht, daß Pfr. Dobczynski den Aufregungen erlegen ist u. am 4. Juni bereits heimgegangen ist. Seine Schwester Gertrud schreibt mir ausführlich über die furchtbaren Tage des Russeneinmarsches u. über das Ende ihres Bruders. Gott hat sonst alle Insassen des Pfarrhauses gnädig beschützt, aber es muss furchtbar in Barth gewesen sein. Auch jetzt sind die Verhältnisse noch sehr schlimm, die Ernährungslage ist nicht besser, wie bei uns. – Schwester Gertrud schickt uns ein Foto vom Sterbelager und ein kleines Gebetbuch. Sie bittet mich, mir ein Buch aus der Bibliothek des Pfarrers zu wünschen.

Mittwoch, 8. Aug. 1945.     

     Gestern abend kam der Dampfer, der die Flüchtlinge abgefahren hatte, mit Lebensmitteln zurück: Kartoffeln, Rübenschnitzel, Mehl u. Graupen. Mit dem Mehl war es besonders hohe Zeit, sonst hätten wir heute kein Brot mehr gehabt.

     Nach dem Dienst half ich bei Paetow, die Scheune aufzuräumen, weil er heute den Roggen einfahren will. Er hat viel vorjähriges Stroh übrig behalten, da er es nicht gebraucht hat, nachdem ihm seine Pferde gestohlen worden sind. Abends kam die kleine Enkelin u. sagte, daß Kämmerer bei Paetow Klee abmäht u. abfährt. Es stehlen nicht bloß die Russen, sondern auch die Deutschen. – Gretel Neumann war gestern Abend noch da u. berichtete aus Ribnitz. Sie hat den Dampfer beladen und hat sich wieder in [6] jeder Weise bestens bewährt im Verhandeln mit der Verwaltung usw.

Mit Herrn Dr. Ziel allerhand Differenzen u. Spannungen. Er ist offenbar mit meiner Tätigkeit sehr unzufrieden, wozu er ja ein Recht haben mag. Mir macht diese Tätigkeit weder Spaß, noch habe ich sonst irgendetwas davon, außer, daß mein Haus relativ geschützt ist; aber Herr Ziel ist ja ein Mäckerer von Beruf. Er fühlt sich jetzt mächtig als Demokrat u. glaubt, daß er alles besser verstünde, u. da ich auf seine Ratschläge nicht eingehe, ist er mir gram. Gestern traf ich ihn auf der Straße mit Herrn Schulrat Zelk, der mich grüßte. Herr Ziel tat so, als hätte er mich nicht gesehen u. grüßte dann in einer herabsetzenden Art, wie man etwa einen unbeliebten Hausknecht grüßt, mit einem Kopfnicken ohne mich dabei anzusehen.

Donnerstag, 9. Aug. 1945.     

     Am heutigen Tag hat Rußland an Japan den Krieg erklärt, u. zwar auf Ansuchen der amerikan. u. engl. Regierung. Dies gab gestern Abend der engl. Sender durch.

     Ebenfalls wurde gestern die Anwendung der neuen Atom=Bombe gegen Japan bekannt gegeben. Es ist das die geheimnisvolle Wunderwaffe, welche die Nazis immer erfinden wollten u. die nun die Engländer + Amerikaner wirklich erfunden haben. Nach dem engl. Sender muß die Wirkung dieser neuen Waffe furchtbar sein u. alle Vorstellungen übersteigen. Man hat nur eine Bombe auf einen japan. Kriegshafen geworfen u. es heißt, daß damit alle Lebewesen einschl. Pflanzen vernichtet worden seien. Die entwickelte Hitze soll alles getötet haben. Man will nun Japan einige Tage Zeit geben, ehe man mit dieser Waffe fortfährt. – Mit dieser Bombe ist der Anfang gemacht zu einer neuen technischen Entwicklung, deren Ausmaße sich überhaupt nicht übersehen lassen. Die Wirkung ist so ungeheuer, daß Kriege künftig schlechthin unmöglich sein werden. Wer diese Waffe besitzt, ist in der Lage, ganze Länder u. Kontinente zu vernichten.

     Heute früh wieder große Aufregung. Ich wurde zum Kommandanten nach Althagen bestellt, was sich dann später als Irrtum herausstellte. Zugleich bekam ich Nachricht, daß das Kommando im Monheim’schen Hause das Kinderheim ausplündert u. auf Wagen verläd. Ich machte dem Kommandanten Meldung u. er sagte, er würde sofort hinfahren, doch hat er es jetzt nach zwei Stunden noch nicht getan.

     3 Uhr nachm. – Der Wustrower Kommandant war per Auto hier am Baltischen Hof. Er hat dort Gardinen abreißen lassen u. a. Dinge beschlagnahmt unter der Devise, daß die Fazisten keine Gardinen brauchten, wenn die russ. Soldaten keine hätten. Dann ließ er mich rufen. Er saß schon im Auto am Steuer, der Althäger Kommandant war auch da. Als ich kam, zeigte er mit dem Finger auf mich u. sagte [7] irgend etwas Gehässiges gegen mich zu dem Althäger. Daschewsky, der mich geholt hatte, übersetzte, warum die Evakuierten den Ort noch nicht verlassen hätten. Ich antwortete, daß das vorgestern geschehen sei. Er fragte, ob alle raus wären, die noch nicht fünf Jahre in Ahr. wohnten. Ich verneinte das, da mir von Brüssow schriftlich mitgeteilt worden sei, es brauchten nur die den Ort zu verlassen, die noch keine 18 Monate hier wohnten. Darauf erklärte er mir, daß bis zum 15. Aug. kein Mensch das Fischland verlassen dürfe. Ferner solle ich alle noch vorhandenen Radiogeräte u. alle Schreibmaschinen einsammeln u. in Wustrow abliefern. Schließlich solle ich wieder eine Liste der ehem. Parteigenossen bei der Batterie abliefern. – Damit ist es also nun mit dem Radio endgültig vorbei, u. man wird nun nichts mehr erfahren, was in der Welt los ist, wenn nicht gelegentlich mal eine Zeitung her kommt. Das Ganze ist nichts als eine gemeine Schikane. Der Kerl hat eine große Wut, daß Dr. Hoffmann durchgegangen ist, seinen Nachfolger Dr. Grantz hat er auch abgesetzt.

Freitag, 10.8.45.     

     Heute früh wurde ich von einem Oberleutnant mit 15 Kosacken aus Zingst aus dem Bett geholt. Alle Häuser u. Menschen sollten kontrolliert werden, alle mußten zu Hause bleiben, niemand durfte auf Arbeit gehen. Es gab natürlich wieder große Aufregung. Bis 11 Uhr war knapp ein Viertel des Dorfes kontrolliert, als ein Reiter kam u. eine Meldung machte. Darauf wurde die Kontrolle abgebrochen, alle gingen zum Kurhaus, wo Essen für die Leute gemacht worden war u. bald darauf ritten alle in Richtung Wustrow. Ich hoffte, Ruhe zu haben, aber um 2 Uhr kamen sie wieder zurück u. die Sache ging weiter. Allein, es dauerte nur kurze Zeit, bis es dem Oberleutnant offenbar zu dumm wurde u. er die Sache wiederum abbrach. Er gab mir noch den Auftrag, dass um 6 Uhr im Kurhause Essen für seine Leute bereit sein solle u. außerdem ein Abendbrot für 5 Offiziere. – Es muß doch bei den Russen irgend etwas im Gange sein, daß sie solche Maßnahmen treffen.

Sonnabend, 11. Aug. 1945.     

     Am Spätnachmittag kam gestern die Tochter des Bauern Paetow, Frau Schmmartz, u. berichtete, der Vater würde im Monheim'schen Hause festgehalten, weil er keinen Personalausweis besaß. Paetow ist dort schwer erkrankt u. man hat Dr. Zabel holen müssen. Da Frau Kansi, die Dolmetscherin, um 6 Uhr zu mir bestellt war, um bei mir auf den Oberleutnant zu warten, der ihr bei der Kontrolle am Morgen ohne jeden sichtbaren Grund die Papiere abgenommen hatte, stellte ich rasch für Paetow einen neuen Ausweis auf. Frau Sch. hatte zum Glück ein Foto des alten P. [8] mitgebracht. Frau Kansi fertigte dann gleich die russ. Übersetzung. Ich ging mit Frau Sch. zu Monheim. Der alte Paetow lag auf der Erde hinter dem Pferdestall u. Zabel war mit seiner Tochter um ihn bemüht. Paetow selbst konnte ich nicht sehen.

     Im Hause traf ich Bütow, der ebenfalls festgenommen worden war, anscheinend, weil man ihn für einen SS=Mann hielt. Wir hatten vorher Herrn Glaeser getroffen u. ihn gebeten, mitzukommen. Es gab nun erst wieder ein Verhör des Bütow mit dem Ergebnis, daß die Russen angeblich nichts glaubten, was Bütow sagte. So machen sie es immer. Die Sache zog sich endlos hin u. war ergebnislos. Es musste dann noch Frau Kansi geholt werden, die immer noch in meinem Hause wartete. Man saß dann um den runden Tisch im Erker herum u. die Russen erzählten sich offenbar Zoten, es wurde gelacht, geschrien, Mundharmonika u. Ziehharmonika gespielt u. gesungen, dazu rauchten sie ihren stinkenden Tabak aus Zeitungspapier. Man sagte, daß ein höherer Offizier noch erwartet würde, der die Sache Bütow u. Kansi entscheiden solle, aber er kam nicht. Ich saß bis gegen 11 Uhr dort u. ging dann nach Hause. Der höhere Offizier ist nie gekommen, Bütow u. Frau Kansi mussten die ganze Nacht dort bleiben u. sind heute morgen wieder entlassen worden. Ich selbst wurde zu dem Oberleutnant gerufen, der mir erklärte daß nun alles in Ordnung sei u. der mir dankte. Jetzt reitet die Bande wieder ab, nachdem heute früh schon eine ziemlich starke Abteilung der gleichen Leute von Wustrow her hier durchgeritten ist in Richtung Zingst.

     Die Russen erzählten mir gestern, daß Japan kapituliert habe. Radio höre ich nun nicht mehr.

Gestern Nachmittag wurde Albert Waterstadt beerdigt. Pastor Loeber sprach entsetzlich sabbelig am Grabe. Es war mit größter Schwierigkeit gelungen, den Sarg aus Wustrow zu beschaffen, denn der Verkehr zwischen hier u. Wustrow war gestern ganz gesperrt u. vorher konnte der Sarg nicht beschafft werden. Budde hat keine Bretter mehr, um Särge zu machen, die Russen haben ihm alles Holz genommen, um ihren Pferdestall zu bauen.

     Heute Morgen traf ich Dr. Zabel, den ich nach Paetow fragte. Er erzählte mir, er habe den Alten hinterm Pferdestall am Boden hockend gefunden wie ein weidwundes Tier. Dieser Vergleich ist überaus treffend. Er ist wirklich langsam zu Tode gehetzt.

Montag, 13. August 1945.     

     Gestern wieder ein Tag mit viel Plötzlichkeiten. Morgens früh wurde ich aus dem Bett geholt mit der Aufforderung, mich sofort nach Ribnitz zu einer Besprechung der Bürgermeister zu begeben. Ich stellte mich krank u. beauftragte Dr. Hahn, der um 9 Uhr mit dem LKW. losfuhr, aber mitsamt den anderen Bürgermeistern nicht bis Ribnitz kam, da der Wagen versagte. Alle mussten dann wieder zurück. – Am Nachmittag kam die [9] Kunde, daß die Monheimer Russen das Haus Kumpf ausplünderten. Kumpf's sind am letzten Dienstag mit dem Flüchtlingstransport abgefahren u. haben den größten Teil ihrer Habe hier gelassen, dazu die Sachen von Beckers, den Hausbesitzern. Zufällig kam der althäger Kommandant mit seinem Vorgänger, der seit Sonnabend bei ihm zu Besuch ist, zu mir. Ich teilte ihm die Sache mit u. er war sofort sehr hilfsbereit, in erster Linie wohl, weil er selbst Beute für sich machen wollte. Wir gingen alle in das Haus, wo der Kommandant zunächst die Monheimer Russen raus warf, die aber schon allerhand geholt haben müssen, besonders Bettwäsche, u. dann ging ein gieriges Durchsuchen von Seiten der beiden Herren Offiziere los. Es fanden sich sehr bedeutende Werte. Der Kommandant ließ sich zwei Mann u. einen Wagen von der Batterie kommen u. es wurde aufgeladen. Der Wagen fuhr zwei Mal. Alle Sachen wurden in unser kleines Haus gebracht. Ich ließ dann den Wagen von Brand mich noch zweimal fahren, sodaß wir nun die wertvollsten Sachen geborgen haben. Nur die Möbel sind noch im Hause, die aber wertlos sind. Bei mir im Hause haben dann die Offiziere sich alles herausgesucht, was für sie von Wert war: Stiefel, Kleiderstoffe, Anzüge, Bettdecken, Wäsche usw. Immerhin benahmen sie sich dabei ziemlich anständig. Um 1/2 12 Uhr Nachts schickte der Kommandant dann noch seinen Unteroffizier mit einem Kosacken, welcher den Auftrag hatte, die Nacht über im Hause zu wachen. Er blieb dort bis heute früh. Es ergab sich eine neue Schwierigkeit, da dieser Kosack uns heute nicht erlauben wollte, die Sachen zu sichten u. zu ordnen u. wir fürchteten, daß die Russen diese Sachen doch noch für sich abholen würden. Wir schickten Borchers zum Kommandanten, der aber sagen ließ, daß die Sachen zu unserer Verfügung stünden. Nach einigem Zureden ließ der Kosack sich dann bewegen, abzumarschieren. Mit dieser Sache gewinnen wir einen Großteil dessen, was wir für das neue Wustrower Krankenhaus zu liefern haben.

     3 Uhr nachm. – Als ich Mittags nachhause kam, stellte sich heraus, daß der Kommandant aus Althagen am Vormittag einige Leute geschickt hatte, die nun die Sachen aus dem Hause Kumpf noch einmal gründlich durchgeplündert haben. Wir haben mit dieser ganzen Sache den Russen das Plündern also bloß erleichtert. Sie sind mit einem Wagen dagewesen u. haben alles, was Leib= u. Bettwäsche war, sowie Decken, abgefahren.

[10]
Tagebuch
Heft 18.

     Begonnen: 14. August 1945.

     Geschlossen am 10. März 1946.

[11]
Dienstag, 14. August 1945.     

     Gestern den alten Paetow besucht, dem es immer noch sehr schlecht geht, aber doch schon in der Lage war, ein kurzes Stück mit mir durch die Felder zu gehen. Die Roggenernte ist jetzt fast eingefahren. – Die Felder von Ripke besichtigt, die ich für die Gemeinde abernten lassen werde. – Hoffentlich bekommen wir bald Strom, damit der Roggen gedroschen werden kann. –

     Nachm. 4 Uhr. – Ueber Mittag in Wustrow, Wäsche u. Haushaltsgegenstände für das neue Fischland-Krankenhaus abgeliefert. Man war dort über die Sachen sehr erfreut. – Ich suchte Herrn Brüssow auf in seiner Privatwohnung, wo ich jedoch nur seine Frau antraf, die ein seichtes u. nuttenhaftes Puttchen ist. Die Wohnung ist entsprechend mit Klubsesseln usw. eingerichtet. Die Frau ließ mich wissen, daß der Herr Kommandant fast jeden Abend bei ihnen sei u. Radio höre. Herr Brüssow verfügt über einen fabelhaften Radio-Apparat, verbunden mit Grammophon. Er hat den Apparat also nicht abgegeben.

     Jetzt eben haben wir Strom bekommen. –

Mittwoch, 15. Aug. 1945.     

     Gestern Abend kam noch spät der Althäger Kommandant mit einem Wagen. Er verlangte für den Wustrower Kommandanten drei Sofas u. drei Spiegel. Er gab sich dabei große Mühe, zu mir sehr freundlich zu sein u. seinen Aerger zu unterdrücken, daß er für den Wustrower diese Arbeit tun müsse. Ich brachte ihn in das Haus Schorn, wo ein [12] Sofa u. ein Spiegel war. Außerdem luden sie noch zwei Sessel auf. Der Kommandant meinte dann, ich solle ruhig nach Hause gehen, er würde die Sache alleine weitermachen. – Heute früh ergab sich, daß er im Hause Helms regelrecht geplündert hat, er hat Wäsche, Silber u. Bilder von den Wänden mitgenommen u. sämtliche Stühle. Ich war drüben u. habe gesehen, daß buchstäblich kein Stuhl mehr im Hause ist. – Soeben sind nun wieder Leute aus Wustrow da mit unserem LKW. Sie holen sich die Gummiräder eines Lastwagens ab, den ich für die Gemeinde requirieren wollte u. den Herr Brandt von einem Flüchtling gekauft hat, außerdem wollen sie noch ein Sofa u. einen großen Teppich. Es ist nun soweit, daß dergleichen Dinge in ganz Ahrenshoop kaum noch aufzutreiben sind.

Freitag, 17. Aug. 1945.     

     Leplow war gestern endlich wieder einmal unterwegs nach Damgarten, um Vieh zu kaufen. Es gelang ihm tatsächlich, zwei Tiere zu erstehen, doch wurden sie ihm dann wieder vom Bürgermeister durch die Russen abgenommen. Er kam ohne Vieh zurück.

     Gestern kam der Althäger Kommandant, um mir zu sagen, daß Munition gesprengt werden würde. Alle Fenster sollten geöffnet werden, alle Menschen sollten in den Häusern Deckung nehmen. Ich ließ es bekannt machen, aber es erfolgte nichts.

     Der Darss ist immer noch gesperrt, weil die Russen dort irgendetwas suchen, angeblich Spione. Das Brennholz kann nicht abgefahren werden.

Von Dr. Wessel bekamen wir gestern eine Karte aus Ribnitz, er ist nach dreimonatiger Abwesenheit dort wieder eingetroffen.

Montag, 20. Aug. 1945.     

     Der Strom funktioniert nun wieder gut. Ueber die Mittagszeit ist ausgeschaltet, damit nicht zu viel Kochstrom verbraucht wird, aber wenigstens haben wir nun wieder Wasser. Dieses war zunächst tintenschwarz, man mußte es tagelang ablaufen lassen, jetzt ist es aber wieder fast weiß. Mit dem Strom habe ich als einziger in Ahr. Radio, aber am Sonnabend habe ich eine Lautsprecher-Anlage unter dem Vorbau der Bu-Stu anlegen lassen, wo ich Bänke aufstellen ließ. Gestern funktionierte die Sache zum ersten Male, die Leute freuten sich, Neuigkeiten u. Musik zu hören.

     Der Kommandant ist auffallend liebenswürdig zu mir. Er versichert mir immerfort, daß er mich sehr schätze. Gestern war er da mit einem Freunde u. dessen Frau. Für die Frau mußte Maß genommen werden für ein Kostüm, für den Freund für eine Jacke. Die Stoffe dazu stammen aus dem Kumpf'schen Hause. Es war ein schöner, dunkler Anzugstoff dabei u. er schenkte mir davon einen Anzug.

     Sonst ist nichts von besonderen Interesse geschehen, nur daß gestern Frau Hartmann aus Berlin hier ankam, um sich Sachen zu holen. Sie erzählte von ihrer Reise nach Bln. vor etwa 6 Wochen, die überaus schwierig gewesen ist u. 14 Tage in Anspruch genommen hat. Jetzt hat sie 3 Tage hierher gebraucht.

[13]
Donnerstag, 23. Aug. 1945.     

     Gestern abend mußten wieder Sofas, Sessel, Spiegel u. Gardinen beschafft werden, der Althäger Kommandant kam selbst, offenbar um zu verhindern, daß bei dieser Gelegenheit wieder geplündert wurde, wie es das letzte Mal geschehen ist, besonders bei Bernh. Niemann. – Inzwischen kam ein Russe u. nahm sich in der Schneiderei einfach einen Rock, der Krull gehörte. Martha rief mich zur Hilfe, aber es gelang nicht, dem unverschämten Kerl den Rock wieder abzunehmen. Bald darauf kam der Kommandant von der Möbelsuche zurück u. ich machte ihm gleich Mitteilung. Er war noch eine gute Stunde bei uns, da ich ihm Schnaps anbot. Er war überaus nett, versicherte mir, daß er den gestohlenen Rock zurückschaffen wollte, bat aber gleichzeitig, Martha solle ihm die Anzüge u. Stoffe, die er selbst bei Kumpf gestohlen hat, zusammenpacken, damit er sie mitnehmen könnte. Er bestellte uns für heute Morgen zur Batterie, wo wir den Rock wiederbekommen sollten.

     Heute morgen erschien ein Soldat u. meldete, ich solle eiligst zum Kommandanten kommen. Wir gingen beide hin, weil wir glaubten, es handele sich um den Rock. Borchers, der heute ganz früh noch die Gardinen hingebrachte hatte, welche gestern Abend noch gefehlt hatten, hatte mir schon gesagt, daß dort irgendetwas los sei, der Kommandant schliefe noch, er hätte bis 5 Uhr Morgens getrunken. Wir fanden ihn in seiner Stube auf dem Sofa sitzend u. mit dem Kinde der Wirtin spielend. Wieder einmal ergab sich, daß er garnicht mich hatte rufen lassen, sondern die Polizei. Er sagte, daß er die ganze Nacht aufgewesen sei u. nun sofort 10 Mann von uns zur Arbeit brauche, Althagen müsse ebenfalls 10 Mann stellen. Allmählich bekommt diese Sache nun ein anderes Gesicht. Daß der Kerl gestern Abend den Rock stahl, ließ mich vermuten, daß dieser Bursche wohl auf Urlaub fahren will, denn dann stehlen die Soldaten immer am meisten. Jetzt aber sieht es so aus, als wollte mindestens ein Teil der Russen abrücken, denn wozu brauchten sie dann so viele Arbeiter. Die Leute haben mir in den letzten Tagen schon berichtet, daß die Russen ihr Sattelzeug in Ordnung bringen u. ihre Spaten mit Silberbronze anpinseln u. daß das alles nach Aufbruchs-Vorbereitung aussähe. Wenn der Kommandant gestern plötzlich die gestohlenen Sachen verpackt haben wollte, nachdem sie schon so lange bei uns liegen, ist das ja auch auffällig. Auf dem Rückweg vom Kommandanten trafen wir Frau Dr. Hahn, die uns erzählte, es sei bei ihr in der Nacht eingebrochen worden u. es sei ein Koffer mit Wäsche gestohlen worden. Auch das sieht nach Aufbruch der Russen aus. –

     3 Uhr Nachm. – Liebers sagt mir, daß die Russen in Wustrow abrücken. Der ekelhafte Kommandant ist schon weg. Es besteht die Gefahr, daß sie unsere beiden LKW's mitnehmen. Frau Leprien, die Tochter des Fahrers Butt, war hier u. sagt, der Vater hätte in der Nacht nach Greifswald fahren müssen. – Von uns wurden eben sämtl. Wagen u. Pferde für die Batterie angefordert. – Soeben war Mett bei mir, der jetzt als Forstsekretär nach Barth [14] gekommen ist u. der mir erzählte, daß man auch in Barth Anzeichen des Aufbruches wahrnehme. – Liebers erzählte mir noch, daß die Russen in Wustrow nicht nur alle geraubten Sachen verpacken, sondern daß sie auch die Sowjet-Embleme mitnehmen, die sie überall angebracht haben.

Freitag, 24. Aug. 1945.     

     Gestern Nachmittag requirierten Russen aus Wustrow, ein Kommando von fünf Mann, die einen Wagen mithatten. Sie holten Matratzen, Sofas, Bilder usw. aus den Häusern. Ich schickte zum Althäger Kommandanten, der aber nicht reagierte. Nachher kamen auch noch Soldaten paarweise mit Gewehren u. durchsuchten die Häuser. Ich schickte wieder zum Kommandanten, der diese Leute dann durch den Unteroffizier vertreiben ließ. Der Unteroffizier kam dann noch am Abend zu mir u. versicherte mir die alte Leier, daß kein Soldat ein Haus betreten dürfe u. daß nicht geplündert werden dürfe. Er behauptete, daß die Sachen, die die Russen abgefahren hätten, alle wieder zurückgebracht werden würden. Ich fragte nach dem Rock, den der Russe in der Schneiderstube gestohlen hätte; – auch dieser, sagte er, würde wieder zurückgegeben werden. Aber bis jetzt ist nichts geschehen. Dagegen haben unsere Gespanne, sowie die Althäger Gespanne, alle Möbel u. Betten, die sie seither aus den Häusern rausgeholt haben, abfahren müssen, man sagt, in Richtung Stralsund. Die Gespanne sind noch nicht zurück. Es heißt, daß der Wustrower Kommandant fort sei, der Althäger ist noch hier, aber die Abteilung ist offenbar im Aufbruch. Man sagt, es käme jetzt Marine-Infanterie hierher.

     Heute Morgen erschien der Oberleutnant, der kürzlich die Razzia hier geleitet hat. Er wollte einen Dolmetscher haben u. ich ließ Daschewski kommen. Der Oberleutnant sagte irgendetwas von Wiek, Born, Ahrenshoop, Althagen u. Wustrow. Es scheint, als solle da eine Neueinteilung vorgenommen werden u. als ob diese Orte unter eine Leitung kommen sollten. Prerow u. Zingst sollen nicht dazu gehören. Jedenfalls ist irgend was los. Der Oberleutnant hat Daschewski mitgenommen nach Wustrow, er will um 12 Uhr wiederkommen u. hier Mittag essen.

Sonnabend, 25. Aug. 1945.     

     Der Oberleutnant kam Mittags zurück. Er war lange bei Frau Kansi, doch konnte weder sie noch Daschewski herausbringen, was er hier gewollt hat. Er ließ sich in der Schneiderstube am Rock eine Aenderung machen u. wollte gern einen Koffer haben. Martha besaß einen alten, ziemlich wertlosen Koffer, den er einschl. der Aenderungsarbeit an seinem Rock mit 150,– Rm bezahlte. Gegen 2 Uhr fuhr er wieder ab. –

     In der Nacht kamen unsere Gespanne zurück, sehr schwer erschöpft. Sie hatten all die bei uns requirierten Möbel abfahren müssen nach Stralsund. Heute sollen die Gespanne schon wieder auf der Batterie sein, wahrscheinlich, um noch die verbliebenen Reste abzufahren. Von unserem Kommandanten ist nichts zu sehen, er ist aber noch da.

     Heute von Anneliese Nachricht aus Berlin. Sie hat gestern über Fritz Nachricht bekommen von einem Kameraden. Demnach hat Fritz im April einen Unfall gehabt u. er hat bis Juni mit einem Schädelbruch im Lazarett gelegen. [15] Jetzt ist er wieder gesund, er befindet sich in Freiburg in einem amerikan. Gefangenenlager. Als Kaufmann wird er nicht so rasch entlassen, wie gewisse andere Berufe. Nach seiner Entlassung will er erst einmal nach Regensburg gehen. – Von Kurt fehlt jede Nachricht, dagegen teilte gestern Irmingard mit, daß Klaus lebt u. im Braunschweigischen ein Lazarett leitet.

Montag, 27. Aug. 1945.     

     Sonnabend Abend kam der Althäger Kommandant geritten mit dem neuen Kommandanten, einem Leutnant, der bemittleidenswert unbedeutend aussieht. Anscheinend ist die neue Truppe Marine-Infanterie. In der Nacht rückten die Kosaken ab. Sie nahmen wiederum unsere Wagen u. Pferde mit u. schleppten alles ab, was irgendwie beweglich war. Aus der Batterie haben sie Türklinken u. Schlösser u. Fensterrahmen mitgenommen u. von dem Pferdestall, den wir mit unseren Brettern gebaut haben haben sie ebenfalls alle Wände u. Bretter mitgenommen. Der Althäger Kommandant hat die ganze Zimmereinrichtung des Zimmers in dem er gewohnt hat, mitgenommen. – In Wustrow ist es noch viel schlimmer. Dort hat der Kommandant beide Lastkraftwagen mitgenommen, sowie das Rohöl des Dampfers, sodaß wir nun überhaupt keine Verbindung, mehr mit dem Inlande haben u. nicht wissen, wie wir künftig unsere Lebensmittel heranbringen werden. Ich habe heute morgen zunächst einmal Frl. Neumann nach Wustrow geschickt, damit sie beim dortigen Kommandanten vorfühlen soll. Ich werde dann selbst hinfahren u. mein Glück versuchen. Der Bürgermstr. Brüssow in Wustrow, der ja vom bisherigen Kommandanten gestützt wurde, wird sich nun ja auch unsicher fühlen, man spricht bereits von einem abermaligen Wechsel.

     Das Kosackenkommando im Hause Monheim scheint indessen hier zu bleiben. – Gestern habe ich den ganzen Tag über keinen russ. Soldaten hier auf der Straße gesehen, es scheint, als hielte sich die neue Truppe mehr in Althagen; es sind wohl auch viel weniger Leute u. vor allem haben sie keine Pferde. Es soll viele unter ihnen geben, die gut deutsch sprechen.

     Heute morgen besuchten mich die beiden Schwestern Gräfinnen zu Dohna. Sie sind aus Altenburg hierher gekommen, um nach ihrem Hause zu sehen. Gestern Nachmittag kam völlig überraschend Erika Wollesen aus Berlin zurück, da sie dort keine Lebensmittelkarten bekam.

     Gestern Nachmittag veranstaltete ich wieder mal eine Volksversammlung im Balt. Hof. Es war die zweite seit meiner Amtszeit. Ich sprach wohl 1 1/2 Stunden sehr umfassend über alles, was die Leute interessiert. So weit ich gehört habe, hat meine Rede sehr gefallen u. die Leute haben neuen Mut bekommen. Am Sonnabend Nachmittag hatte ich eine Vorstands-Sitzg. einberufen, die ebenfalls sehr harmonisch verlief. Dieser Gemeindevorstand ist sehr gutwillig u. ohne jede Opposition.

     Am Sonntag früh bald nach 5 Uhr, es war noch finstere Nacht, kam der Kosacken-Unteroffizier von der Batterie u. verlangte Wagen u. Pferde für den Abtransport. Ich mußte aufstehen u. Handschak, den Kutscher von Brandt, u. Spangenberg wecken. Borchers, der Hilfspolizist, ist nämlich wieder krank, sodaß er dieses Wecken nicht machen konnte. Der Unteroffizier entschuldigte sich [16] sehr, daß er mich bemühen mußte. Er war schwer angetrunken u. nahm von mir zärtlichen Abschied.

     Nachm. 3 Uhr. – Frau Daubenspeck war gestern in Wustrow. Sie erzählt, daß der Wustrower Kommandant beim Abzug die ganze Kommandantur ausgeräumt hätte, der neue Kommandant hätte nicht einen Stuhl u. nicht einen Bleistift. Frau D. will mit ihm gesprochen haben. Er habe gesagt, daß die Kosacken in Rußland selbst einen sehr schlechten Ruf hätten u. daß viele von ihnen aus Gefängnissen kämen. Das ist sehr glaubwürdig. So hat der Kommandant sämtliche Butter aus der Molkerei mitgenommen, sodaß kein Pfund Butter da ist. Uebrigens soll dieser neue Kommandant garkein Kommandant sein, der richtige käme garnicht hierher, angeblich: „weil es sich nicht lohnte“. Es erhält sich hartnäckig das Gerücht, daß diese neue Truppe nur etwa 10 Tage hierbliebe u. daß dann Engländer kämen. Jedenfalls ist das bisherige strenge Passierscheinwesen bereits gelockert worden, wenngleich die Sperre bei Körkwitz noch besteht. Frau Daubenspeck erzählt, daß die Russen in Wustrow sehr sauber u. adrett aussehen sollen wie deutsche Soldaten. Frau Brandt will wissen, daß der Kommandant, der hier in der Batterie liegt u. der doch wohl identisch sein wird mit dem jungen Leutnant, den ich am Sonnabend kennen lernte, in der Batterie alle Embleme mit Hammer u. Sichel überstreichen u. unkenntlich machen läßt. – Daß der Wustrower unsere beiden Lastkraftwagen mitsamt den Fahrern u. deren Familien mitgenommen hat, scheint sich zu bestätigen, ebenso daß er den Betriebsstoff des Dampfers mitgenommen hat. Es ist furchtbar, wie diese Bande uns ausgeräubert hat; aber wenn es nun vorbei ist, dann will ich dennoch nicht klagen, denn wir haben sonst vom Kriege ja nicht viel gespürt. Andere Gegenden sind weit schlimmer mitgenommen. Ich selbst habe bis jetzt noch keinen von den Russen gesehen, entweder sind es sehr wenige oder sie bleiben im Batteriegelände. Martha sagt, daß einer bei ihr in der Schneiderstube war, er will sich eine neue Hose machen lassen. Er soll angeblich der Kommandant der Batterie sein, also der, den ich am Sonnabend kennen lernte. Er soll sehr höflich gewesen sein u. sehr jung.

Dienstag, 28. Aug. 1945.     

     Gestern Abend Verfügung aus Barth, aus der zu ersehen ist, daß wir neu mit Flüchtlingen belegt werden sollen. Es wird sich um die Flüchtlinge handeln, die aus Polen ausgewiesen werden. Wir sprachen mit Küntzels darüber u. kamen zu der Ansicht, daß diesmal eine Belegung mit Flüchtlingen wahrscheinlich auf sehr viele Jahre erfolgen wird, denn wo sollten die Menschen sonst hin? Mithin ist es nun wohl ratsam, daß Küntzels sich eine dauernde Wohnung suchen u. wir haben das Haus Kroog in Aussicht genommen, das mühelos frei gemacht werden kann. Ich gewinne dann endlich wieder meine eigenen Zimmer zurück u. habe wieder die Möglichkeit zur Arbeit im Hause.

Mittwoch, 29. Aug. 1945.     

     Gestern mit Frau Futterlieb verhandelt, die im Hause Kroog mit 2 Kindern allein wohnt. Sie sah alles ein u. war bereit, das Haus zu räumen. Später mischte sich ihre Kusine Frau Daubenspeck ein u. entfachte eine große Hetze gegen mich, sodaß alles wieder in Frage gestellt ist. Habe heute an Dr. Ziel in dieser Sache eine schriftl. Darstellung [17] gesandt mit der Bitte, besänftigend zu wirken. Ich hoffe, daß dieser Mann, der sich sonst so gern zum Organ der „kochenden Volksseele“ macht, auch diesmal diese Funktion übernehmen wird, wenn es einmal gilt, mich in Schutz zu nehmen, zumal er ja als Leiter der höheren Schulkurse einen gewissen Einfluß auf Frau Futterlieb hat, die als Lehrerin mitwirkt. –

     Gestern Abend um 10 Uhr erschien der Sergeant der neuen Besatzung in der Batterie in Begleitung mit einem Mann mit Gewehr u. verlangte in sehr grober Weise das Radio zu sehen. Ich zeigte ihm den Apparat u. er fragte, woher ich ihn hätte. Ich sagte, es sei der meinige u. als Bürgermeister hätte ich Erlaubnis, Radio zu hören. Nach einigem Hin u. Her, (der Mann sprach ganz gut deutsch) merkte ich, daß er den Lautsprecher auf der Straße meinte. Ich führte ihn rüber in die Bunte Stube u. zeigte ihm den Apparat den er sofort abmontierte. Ich sagte ihm, daß die Anlage ja grade eben erst auf Anordnung der russ. Behörde gemacht worden sei. Er sagte, daß er auch gegen die Anlage nichts einzuwenden hätte, daß aber der Apparat gestohlen sei. Es stellte sich dann heraus, daß Frau Kurts, von der dieser Apparat stammte, sich hinter die neuen Leute gesteckt hat. Frau Kurts hat anfangs mit ihren freundschaftl. Beziehungen zu dem verflossenen Kommandanten geprahlt. Diese Beziehungen sind dann irgendwie gestört worden. Als wir die Lautsprecher-Anlage einrichten wollten, brauchten wir einen Apparat, da die Russen uns kurz vorher die letzten Apparate abgenommen hatten. Der Kommandant wies uns daher diesen Apparat der Frau Kurts an. – Nachdem der Sergeant den Apparat abgenommen hatte, wurde er freundlicher, sogar sehr freundlich. Er sagte selbst, daß die Kosacken gestohlen hätten u. daß sie dergleichen nicht täten. Er hatte offenbar auf die Kosacken eine große Wut.

Freitag, 31. Aug. 1945.     

     Gestern Herr Dr. Ziel. Er hat meiner Erwartung nur zum kleinsten Teil entsprochen, indem er mir mitteilte, daß Frau Futterlieb das Haus räumen u. nach Althagen ziehen wolle. Ob dieser Entschluß auf seine Einwirkung hin gefaßt worden ist, oder von Frau F. allein, steht dahin. Auch widersprach er nicht, als ich sagte, es sähe nach Feindseligkeit aus, daß Frau F. nach Althagen ziehen wolle, vielmehr verbarg er nicht, daß er auf Frau F's. Seite stünde. Die Unterredung mit ihm war sehr unerfreulich. Er gab zu erkennen, daß er darüber beleidigt ist, daß ich seine Tätigkeit für die höheren Schulkurse in meinem Vortrage am Sonntag nicht erwähnt hätte. Ich habe das in der Tat vergessen. In der Sache selbst zeigte er nicht die geringste Einsicht u. keine Bereitschaft, die Sache zu entspannen u. ihr einen gütlichen Ausgang zu geben. Grade das aber hatte ich erwartet. So schieden wir ziemlich frostig. Am Nachmittag bzw. Abend begegnete ich ihm auf der Straße, er ging drüben auf der anderen Seite u. tat so, als ob er mich nicht sähe. – Ich weiß nun, wo ich mit ihm dran bin. Es ist das Schlimmste, wenn man solche Leute in ihrer Eitelkeit verletzt.

     Heute früh war Dr. Hahn in Wustrow zur Besprechung mit dem Kommandanten. Es ergibt sich, daß der eigentliche neue Kommandant in Müritz-Graal sitzt, in Wustrow [18] ist nur ein Vertreter von ihm. Offenbar sind die Grenzen seines Bezirkes nicht klar abgesteckt, denn von Ahrenshoop wußte er nichts. Es scheint so, als rechneten wir nun doch zur Zone der Kosacken im Darss. Es ist höchst unangenehm, daß darüber nie Klarheit besteht u. man nie weiß, an wen man sich halten soll. – In Wustrow wurde nun wieder eine neue Ansicht über das Rundfunkhören propagiert. Es hieß dort, die Bevölkerung dürfe, ja sie solle Radio hören, u. zwar ohne Ausnahme, auch die ehemal. PG's, die bisher davon ausgeschlossen waren. Man ist jetzt sogar der Meinung, daß grade die PG's Radio hören sollen, damit sie einsehen lernen, was für einen Unsinn sie bisher gemacht haben. Aber die Russen sollten zuerst einmal den Unsinn einsehen lernen, den sie gemacht haben, als sie uns sämtliche Apparate fortnahmen. Ich weiß nicht, ob der eine oder andere seinen Apparat versteckt hat, ich kenne jetzt nur drei Apparate im Dorf, von denen ich den einen habe, Paul habe ich den anderen gegeben u. Dr. Hahn den dritten.