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TBHB 1945-09-24

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-09-24
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Montag, 24. Sept. 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 24. September 1945
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Einführung

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Der Artikel TBHB 1945-09-24 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 24. September 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

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[1]
Montag, 24. Sept. 1945.     

[1]      In der letzten Nacht sind drei Kerle in russ. Uniform, einer davon ein Sergeant, mit vorgehaltenen Revolvern bei Borchers eingedrungen u. haben die Taschenuhren gestohlen, die bei B. zur Reparatur waren. Drei davon gehörten mir. Dieselben Kerle sind auch bei Liebers u. bei Spangenberg gewesen, haben dort aber nicht gestohlen. Ich habe sofort Meldung beim Landratsamt gemacht u. energisch um Hilfe gebeten, da sich solche Dinge häufen.

     Gestern hieß es im Berliner Radio, daß die osteuropäische Normalzeit im russ. Gebiet eingeführt sei, nachdem bisher die osteurop. Sommerzeit in Geltung war. Nachdem die Engländer u. Amerikaner schon am 16. Sept. die Mitteleuropäische Normalzeit eingeführt hatten, bestand eine Differenz von zwei Stunden zwischen dem östl. u. westl. Besatzungsgebiet. [2] Dieser blödsinnige Zustand sollte nun gestern ein Ende finden; aber der noch blödsinnigere russ. Sergeant befahl, daß die bisherige Zeit weiter gelten sollte. Nachdem nun aber die Post bei sich Normalzeit eingeführt hat, werde ich von mir aus einfach anordnen, daß die Uhren im Dorf um eine Stunde zurückgestellt werden. –

     Zwischen Russen einerseits u. England-Amerika andererseits ist wieder Stunk. Die Botschafterkonferenz, die momentan in London tagt u. den Frieden vorbereiten soll, ist sich nicht einig, ob die Regierungen von Ungarn, Rumänien u. Bulgarien, die unter russ. Einfluß stehen, demokratisch sind oder nicht. England-Amerika bestreiten es u. wollen mit ihnen keine Friedensverhandlungen führen, aber Molotow behauptet, sie wären demokratisch, dagegen sei die griechische Regierung, die unter engl.=amerikan. Einfluß steht, nicht demokratisch. Die Konferenz war über diesen Streitfall zwei Tage lang unterbrochen, heute soll sie wieder weitergehen.

     Aus Wustrow höre ich, daß der jetzt dort tätige Bürgermeister gegen das saubere Freundespaar Harder=Brüssow energisch vorgegangen ist. Sie sind beide in Untersuchungshaft. Besonders bei Harder soll reichlich Diebesgut gefunden worden sein, auch vieles von dem, was der Kerl hier in Ahrenshoop gestohlen hat.

     Gegen 1/2 4 Uhr nachm. erschien ein Auto, dem ein Mann in Civil mit einer jungen Dame entstieg, sowie zwei bewaffnete Soldaten. Der Mann, der eine so unheimliche Gestalt hatte, daß mir bei seinem Eintritt das Blut stockte, nahm mir gegenüber Platz, die Dame saß seitwärts. Schweigen. Dann begann er mit lauerndem Blick allerhand Fragen nach der Größe des Ortes, ob ich hier ansässig wäre, wie lange, ob ich Parteimitglied gewesen sei usw. Die Dame übersetzte. Dann fragte er nach einer Liste der Flüchtlinge im Ort. Ich gab sie ihm. Er deutete mit dem Finger anscheinend auf Namen, die auf einem Stück Papier standen, das er in den Händen hielt u. die Dame suchte sie in der Liste vergeblich. Ich bat ihn, mir doch die Namen zu nennen, die er suchte, ich würde sie ihm zeigen. Er fragte, ob ich einen Herrn Brass kennte. Ich sagte, daß ich das selber wäre. Er wollte wissen, was ich von Beruf sei, ob ich verheiratet sei, wie meine Frau hieße u. ob ich Kinder hätte. Ich gab Auskunft, betete aber während der ganzen Zeit ein Ave Maria nach dem anderen.

     Dann fragte er nach Herrn Küntzel. Ich sagte, er sei mein Schwager u. hülfe mir im Amt als mein Sekretär. Da er hörte, daß er, Küntzel, aus Berlin sei, wollte er wissen, warum er nicht auf der Flüchtlingsliste stünde. Offenbar hatte er den Verdacht, daß er dadurch verborgen werden sollte. Er fragte auch nach seinem Beruf u. seiner Familie. Dann fragte er nach Wollesen. Ich sagte, daß dies der Mann meiner Nichte sei, er sei Offizier gewesen, jetzt aber verschollen.

     Sodann sollte ich Küntzel rufen. Paul ging es wie mir, auch er wurde bleich, als er diesen Mann sah. Er gab auf Befragen an, früher Offizier gewesen zu sein, nach dem Kriege sei er Polizeioffizier gewesen u. habe 1934 den Abschied genommen. Während des Krieges habe er in der Techn. Nothilfe gearbeitet, aber es war schwer, dem Mann zu erklären, was das ist. Er behauptete, es sei Polizei u. Paul sei SS u. alles, was Paul sonst sagte, sei gelogen. Er rief einen der bewaffneten Soldaten herein, der draußen [3] vor der Tür Wache gestanden hatte u. bedeutete ihm durch eine Handbewegung, Paul abzuführen. Paul war sehr beherrscht. Er ging ruhig mit, nachdem er mir noch die Schlüssel übergeben hatte, stieg in's Auto. Der Russe drohte mir, indem er meinte, ich hätte doch gewußt, daß Paul zur SS gehörte. Dann ging er.

     Ich saß wie erschlagen. Dann ging ich zu Grete u. teilte ihr das Vorgefallene mit. Auch sie war sehr gefaßt, obgleich sie furchtbar aufgeregt war. –

     Es ist grauenhaft, daran zu denken, daß Paul das Gleiche jetzt durchmachen soll wie der ehemalige Zöllner Nülken, der ebenfalls 6 Wochen lang in Barth verhaftet war u. grade eben von dort zurückgekommen ist. Der Mann hat 6 Wochen lang mit anderen Gefangenen zusammen in einem Keller gesessen. Das Essen bestand aus einer Wassersuppe mit Kartoffeln u. Brot. Er ist in diesen 6 Wochen nur einmal kurz verhört worden, wobei sich dann herausstellte, daß garnichts gegen ihn vorlag. Er ist dann entlassen worden u. er mußte zu Fuß von Barth hierher zurückgehen. Er sieht natürlich erschreckend elend aus. Paul würde eine solche Strapaze keinesfalls aushalten. – Das Unheimliche dabei ist, daß mir selbst jeden Tag dasselbe passieren kann.